Deutsches Urheberrecht teils nicht mit Unionsrecht vereinbar
Kraftwerk vs. Pelham: Europäischer Gerichtshof stärkt Sampling in Grundsatzurteil
Eine Sitzung des Gerichtshofs, Große Kammer. © Gerichtshof der Europäischen Union
Mit dem Urteil erreicht der langjährige Rechtsstreit zwischen Moses Pelham und Kraftwerk einen neuen Meilenstein. Der HipHop-Produzent hatte ein zweisekündiges Sample des Kraftwerk-Songs "Metall auf Metall" ohne Erlaubnis in seinem Song "Nur mir" von Sabrina Setlur verwendet. Dagegen wehrten sich Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben von Kraftwerk mit einer Klage.
Nun geht der Fall zurück zum BGH. Hier muss nun unter Beachtung der Entscheidung des EuGH eine entgültge Entscheidung getroffen werden.
Der lange Weg zum EuGH
Der Streit ging durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof (BGH), der für Kraftwerk entschied. Aber damit war die Sache nicht vorbei: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kippte die Entscheidung des BGH und verwies den Streit zur endgültigen Entscheidung wieder an den BGH zurück.
Da der BGH eine europarechtliche Relevanz erkannte, legte er den Sachverhalt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. Dieser hat jetzt entschieden – und zwar mit einer Begründung, die inhaltlich zu einem ähnlichen Ergebnis kommt wie das BVerfG.
Die Entscheidung
Der EuGH stand vor der Aufgabe, zwei widerstreitende Rechte zum Ausgleich zu bringen, nämlich einerseits die Kunstfreiheit von Moses Pelham bei der Verwendung des Samples und die Urheber- bzw. Eigentumsrechte von Kraftwerk an ihrem Lied "Metall auf Metall"
Der EuGH entschied, dass Sampling auch eines sehr kurzen Stücks grundsätzlich eine Vervielfältigung darstellt, die der Erlaubnis des Tonträgerherstellers bedarf.
Ausnahme: Audiofragment
Allerdings gilt das nicht in allen Fällen, wie der EuGH ausführt: "Keine 'Vervielfältigung' liegt jedoch vor, wenn ein Nutzer in Ausübung seiner Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in ein neues Werk einzufügen" und damit "ein neues und davon unabhängiges Werk" schafft.
In diesen Fällen ist das Sampling durch die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Kunstfreiheit auch ohne Erlaubnis des Urhebers gestattet.
Ebenso stellt der EuGH fest, dass ein Sample unter die Ausnahme des "Zitats" fallen kann, die ebenfalls von der Pflicht entbindet, die Erlaubnis des Urhebers einzuholen. Das gilt insbesondere dann, wenn mit dem gesampelten Werk "interagiert" wird.
Der BGH wird den Fall Moses Pelham gegen Kraftwerk jetzt anhand dieser Vorgaben abschließend entscheiden. Eine Kernfrage wird sein, ob das Sample von Pelham in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form benutzt wurde.
EuGH: Keine freie Werknutzung
Von besonderer Bedeutung dürften auch die Feststellung des EuGH sein, die im deutschen Urheberrecht geregelte sog. "Freie Benutzung" verstoße gegen Europarecht.
Die "Freie Benutzung" erlaubt es, ein Werk ohne Erlaubnis zu nutzen, wenn aus der Benutzung ein neues Werk entsteht, das mit dem Originalwerk kaum noch Gemeinsamkeiten aufweist.
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