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Populismus oder Konzept?

Deutscher Musikrat kritisiert bayerische Pläne zur Abschaffung von Rundfunkorchestern

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 05.02.2024

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Deutscher Musikrat kritisiert bayerische Pläne zur Abschaffung von Rundfunkorchestern

© Manuel Nägeli via unsplash.com

Bayern will die Hälfte der "Klangkörper der Rundfunkanstalten" abschaffen. Der Deutsche Musikrat kritisiert die Forderung heftig. Aber was verbirgt sich hinter den bayerischen Plänen? Und wie ist es um die Zukunft der Rundfunkorchester und Big Bands bestellt?

Bei einer Klausur der Rundfunkkommission der Länder am 25. und 26. Januar 2024 forderte Bayern mit einem Sondervotum [Link zum PDF] eine Halbierung der Anzahl der Klangkörper der Landesrundfunkanstalten.

Mit Klangkörper sind neben den Rundfunkorchestern auch die Big Bands und Chöre der deutschen Radio- und Fernsehanstalten gemeint. Insgesamt gibt es in Deutschland aktuell 23 Klangkörper der Landesrundfunkanstalten.

Scharfe Kritik des Musikrates

Der Deutsche Musikrat bezeichnet die Haltung der bayerischen Landesregierung als "populistischen Tiefpunkt" in der Debatte über mögliche Sparmaßnahmen. Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates erklärt: 

"Der Deutsche Musikrat kritisiert die Vorhaben Bayerns aufs Schärfste. Die populistischen Manipulationen des bayerischen Ministerpräsidenten ignorieren den verbindlich festgelegten Bildungs- und Kulturauftrag des ÖRR und den Fakt, dass derzeit nur 2,2 % der Haushaltsabgabe in die Finanzierung der Rundfunkensembles fließen. Diese Ensembles sind Kulturbotschafter, ein Ort gesellschaftlichen Zusammenfindens und der Musikvermittlung, nicht zuletzt aber auch ein Motor für das Musikleben in den Ländern. Sie tragen darüber hinaus wesentlich dazu bei, die Musikwirtschaft als eine Säule der deutschen Wirtschaft zu stärken. Die Forderung von Markus Söder, Rundfunkensembles mit ihren einzigartigen künstlerischen Profilen zu fusionieren oder zu schließen, zeugt von einer beispiellosen Kulturferne und Ignoranz – nicht nur in künstlerischer Hinsicht, sondern auch in ökonomischer!"

Kein gesetzlicher Auftrag

Die bayerische Forderung ist deshalb pikant, weil die Rundfunkanstalten nicht gesetzlich verpflichtet sind, "Klangkörper zu unterhalten", wie der "Bericht des Zukunftsrates für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" [Link zum PDF] betont.

Die Klangkörper stellen laut Zukunftsrat "zweifellos einen wertvollen Beitrag zum deutschen Musikleben dar, das in Europa auch deswegen seinesgleichen sucht." Dennoch sollte geprüft werden, "ob und in welchem Umfang die Öffentlich-Rechtlichen auch in Zukunft Klangkörper unterhalten und finanzieren können."

Forderung nach Reformen

Der Zukunftsrat formuliert dazu konkrete Vorstellungen: Die Weiterexistenz von Orchestern, Big Bands und Chören müsste "tatsächlich zum Angebot der Öffentlich-Rechtlichen sowie ihrer verstärkten Präsenz in den Regionen beitragen".

Außerdem empfiehlt der Zukunftsrate den Ländern "frühzeitig eine Strategie zu entwickeln, um dieses einzigartige Kulturgut nachhaltig zu sichern und gegebenenfalls rechtzeitig andere Trägerschaften aufzubauen." Voraussetzung dafür sei jedoch "umfassende Transparenz, die derzeit nicht besteht", um Rahmenbedingungen und Kosten vergleichbar zu gestalten.

Was will Bayern?

Anders als die Mitteilung des Musikrats suggeriert, stehen die bayerischen Forderungen nach Reduktion der Klangkörper der Rundfunkanstalten um 50 Prozent keineswegs isoliert dar, sondern reihen sich in andere Forderungen ein.

So will Bayern auch die Zahl der "Spartenprogramme" im Fernsehen von zehn auf fünf reduzieren und zudem "mindestens 14" der aktuell 72 Radioprogramme abschaffen. Was Bayern allerdings erklärt, ist welche Klangkörper abgeschafft werden sollen. Gerade das Fehlen spezifischer Reformvorschläge zeigt, wie unausgereift der Vorstoß ist. 

Will Bayern etwa mit "gutem Beispiel" vorangehen und die drei Klangkörper des Bayerischen Rundfunks abschaffen? Oder will es Klangkörper dort abschaffen, wo es Bayern nicht betrifft?

Hat Bayern ein Konzept entwickelt, auf welche Weise die Klangkörper abgeschafft werden sollen? Sollen sie unter anderer Finanzierung weitergeführt oder einfach aufgelöst werden? All das sagt die Bayerische Staatsregierung nicht.

Wichtige Zukunftsfrage

Allerdings stellt sich tatsächlich die Frage, wie es um die Zukunft der Rundfunkorchester bestellt ist, wenn für ihre Unterhaltung kein gesetzlicher Auftrag existiert. Anders formuliert: Warum sollten die Beitragszahler des Rundfunkbeitrags Orchester finanzieren, wenn der Staat das gar nicht von den Rundfunkanstalten fordert?

An dieser Stelle nützt auch der Einwand des Musikrats und der Orchestervereinigung unisono nichts, dass die Klangkörper nur 2,2 Prozent des gesamten Aufkommens des Rundfunkbeitrags erhalten [Link zum PDF]. 2,2 Prozent sind übrigens immerhin 188 Millionen des gesamten Beitragsaufkommens von 8,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 [Link zum PDF]. 

Allerdings sieht der Zukunftsrat das Fortbestehen der Orchester nicht als unmöglich an, er fordert dafür aber klare Konzepte wie beispielsweise Beiträge zum Programm in Radio und Fernsehen und eine verstärkte Präsenz in den Regionen sowie eine transparente Finanzierung.

Konzepte schaffen Perspektiven

Nun sind die Klangkörper der Rundfunkanstalten natürlich durchaus im Radio und den Regionen präsent (im Fernsehen weniger), wie der oben erwähnte Bericht von unisono [PDF] zeigt. Ziel müsste es also sein, diese Präsenz auszubauen oder ggf. dieses "einzigartige Kulturgut" anders zu finanzieren, beispielsweise durch das Steueraufkommen der jeweiligen Länder.

Diese Forderungen nach neuen Konzepten, mehr Transparenz und stärkerer Präsenz der Klangkörper sind absolut nachvollziehbar und wesentlich substantieller als das bayerische Poltern, das vermutlich mehr fürs Bierzelt in Obergimpfenau geschrieben wurde als für Verhandlungen in der Rundfunkkommission der Länder. 

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