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Zwischen Bürokratie und Effizienz

Deutschlandfunk Kultur kritisiert Umsetzung von Neustart Kultur – Kulturrat hält dagegen

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 19.12.2022

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Deutschlandfunk Kultur kritisiert Umsetzung von Neustart Kultur – Kulturrat hält dagegen

© Anastasiia Chepinska via Unsplash

Laut einem Rechercheteam von Deutschlandfunk Kultur sollen von den Geldern aus dem Hilfsprogramm "Neustart Kultur" auch jene profitiert haben, die die Hilfen gar nicht nötig hatten. Künstlerinnen und Künstler sollen derweil leer ausgegangen sein.

Die Situation der Kulturbranche war gerade während der Corona-Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021 ein heißt diskutiertes Thema. Ein Resultat dieser öffentlichen Auseinandersetzung war die Erkenntnis in der Politik, dass Musik, Theater, Ausstellungen und Co. elementar wichtig für die Gesellschaft sind, weshalb auch der milliardenschwere Hilfsfonds Neustart Kultur in die Wege geleitet wurde. 

Deutschlandfunk legt Analyse vor

Gerade dieser Fonds steht nun massiv in der Kritik: Laut Recherchen von Deutschlandfunk Kultur sollen die Fördergelder aus dem Neustart Kultur-Fonds nicht nur an die Kreativen geflossen sein, die aufgrund der Pandemie bzw. der Lockdowns um ihre Existenz kämpfen mussten. 

Dabei ist zu beachten, dass die Recherchen noch immer laufen – bisher hat das Team des Deutschlandfunk nur Informationen zur Sparte der bildenden Künste zusammengetragen. Doch obwohl es sich hier um einen eher kleinen Kulturbereich handelt – die Sparte hat von den insgesamt zwei Milliarden Euro Fördergeldern nur gut 100 Millionen Euro erhalten – haben es die Enthüllungen in sich.

Mehrfach Geld angenommen

Der Deutschlandfunk erklärt in seiner Reportage, dass von den vergebenen Mitteln insbesondere Galerien profitierten: Etwa 80 Prozent aller Förderanträge von Kunstgalerien wurden stattgegeben. Bildende Künstlerinnen und Künstler bekamen nach Angaben des Deutschlandfunk hingegen nur in weniger als 20 Prozent der Fälle einen positiven Bescheid auf ihre Anfragen.

Das Rechercheteam gibt außerdem an, dass einige Galerien sogar mehrfach von Fördergeldern aus verschiedenen Hilfsfonds profitierten. Weiterhin solle nicht gründlich überprüft worden sein, wer die Gelder beantragte – auch Spitzengalerien, die jährlich Millionen einnehmen, durch Neustart Kultur gefördert worden. 

“Es ging nicht um die Existenz”

Karin Lingl, Geschäftsführerin der "Stiftung Kunstfonds", die für die Verteilung der Finanzspritzen an Galerien zuständig war, erklärt dies mit der corona-bedingten Schließung der Pinakotheken und Kunstsammlungen:

“Die Museen waren geschlossen, vieles war im Lockdown, selbst die Kunstvereine mussten zu machen. Die Künstler und Künstlerinnen waren auf ihre Ateliers oder ihre Einzelunternehmungen beschränkt. Es fehlten die Orte, es fehlte das Netzwerk, man konnte Kunst nirgends mehr analog sehen. Und das war der Punkt, wo unser Stiftungsrat dann gesagt hat: ‘Liebe Leute, in Galerien kann man jetzt gerade Kunst sehen. Und zwar durchgängig.‘“

Thorsten Jantschek, Redakteur des Deutschlandfunk Kultur, hielt im Rahmen einer gemeinsamen Podiumsdiskussion dagegen und erklärte, dass es in den meisten Fällen nicht um die Existenz der Galerien gegangen sei.

Vielmehr hätten die Betreiber/innen laut Umfragen die Fördermittel als eine Art moralische Unterstützung gesehen und daher gerne angenommen. Die zunächst befürchteten Umsatzeinbußen seien nämlich nie eingetreten:

"Es war schlicht und einfach so, dass man schnell erkennen konnte, dass die Sammlerinnen und Sammler zurückgekehrt sind, die Verantwortung wahrgenommen haben, Künstlerinnen und Künstler gefördert haben, dass sehr viel mehr gekauft wurde als ursprünglich vorgesehen."

Kritik an Entscheider gerichtet

Sein Kollege Max Kuball machte klar, an wen sich die Kritik des Deutschlandfunks mit den neuen Enthüllungen richte: 

"Weder [an] die bildenden Künstlerinnen und Künstler, noch die Kunstvereine noch die Galerien. Die haben sich an die geltenden Richtlinien gehalten. Unser Adressat ist tatsächlich die Politik. Und zwar haben wir das Gefühl, dass diese Förderrichtlinien mit sehr, sehr heißer Nadel gestrickt wurden."

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, verteidigte hingegen die Verteilung der Fördergelder:

"Im Moment arbeiten wir an dem Energiefonds, um die Kulturorte in die Lage zu versetzen, mit den höheren Kosten umzugehen. Da wird mir in den Sitzungen um die Ohren gehauen: 'Schauen Sie sich doch diese Veröffentlichung an, wir brauchen mehr Bürokratie, es muss genauer werden, die Mittel dürfen nicht mehr so einfach vergeben werden.'"

Laut Zimmermann sei dies aktuell das Ergebnis der Recherchen des Deutschlandfunk Kultur – und das, obwohl erst im Rahmen der Corona-Pandemie und nun im Rahmen der Energiekrise gerade die zügige, unbürokratische Bewältigung der Anträge im Vordergrund stehen sollte. 

Interessante Perspektive

Da die Recherchen des Deutschlandfunk aktuell noch laufen, wird es spannend sein, was diese für den Musikbereich herausfinden – ob es etwa auch hier eine Diskrepanz zwischen der Unterstützung für große Player im Musikbusiness und die einzelnen Musikerinnen und Musiker gibt. 

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