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Ein Paradigmenwechsel?

Bundestag: Kulturetat 2023 steigt, Kulturpass und Festival-Förderfonds beschlossen

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 15.11.2022

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Bundestag: Kulturetat 2023 steigt, Kulturpass und Festival-Förderfonds beschlossen

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags bei seiner konstituierenden Sitzung im Dezember 2021. © DBT / ThomasKöhler / photothek

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat die Erhöhung des Kulturetats auf 2,39 Milliarden Euro beschlossen. Außerdem stimmte er für die Einführung eines Kulturpasses für 18-jährige und die Schaffung eines Festival-Förderfonds.

Damit ging der Haushaltsausschuss des Bundestages über die Pläne der Bundesregierung hinaus, die eine Reduktion des Kulturetats um 5,7 Prozent vorgesehen hatte. Stattdessen steigt der Kulturetat um ungefähr 4 Prozent auf 2,39 Milliarden Euro.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sieht in der Erhöhung des Kulturetats ein starkes Mittel,

"um die Vielfalt der Kultur unseres Landes und die kulturelle Teilhabe für die ganze Gesellschaft zu ermöglichen und zu stärken. Die elementare Bedeutung von Kunst, Kultur und Medien für unser demokratisches Gesellschaftsmodell haben die Abgeordneten des Bundestages gestern noch einmal kräftig untermauert und dafür gilt ihnen mein ausdrücklicher Dank."

Kulturpass für 18-jährige

Allein 100 Millionen Euro wird die geplante Einführung eines Kulturpasses für Jugendliche im Alter von 18 Jahren kosten. Der Kulturpass in Höhe von 200 Euro soll 2023 an alle Jugendlichen ausgegeben werden, die 2023 ihren 18. Geburtstag feiern.

Das Ziel ist sowohl die jungen Erwachsenen für die kulturelle Vielfalt Deutschlands zu begeistern wie auch die Kulturbranche zu unterstützen, die immer noch an den Folgen der Corona-Pandemie leidet.

Frankreich als Vorbild

Über eine neue Online-Plattform bzw. eine App sollen die jungen Erwachsenen dann verschiedene lokale Kulturangebote nutzen können. Darin soll der Besuch von Kultureinrichtungen wie Museen, Theatern oder Konzerten ebenso enthalten sein wie der Kauf von Büchern oder Schallplatten.

Als Vorbild dient Frankreich, das einen ähnlichen Pass schon vor einiger Zeit eingeführt hat. Andere europäische Länder wie Spanien folgten. Allerdings sind die bereitgestellten Mittel im Haushalt noch so lange gesperrt, bis ein konkreter Umsetzungsvorschlag vorgelegt wird.

Kritische Anmerkungen vom Deutschen Kulturrat

Der Deutsche Kulturrat begrüßte die Einführung des "kulturellen Geburtstagsgeschenks" für 18-Jährige grundsätzlich, wies aber auch auf offene Fragen hin. So seien 100 Millionen Euro rein rechnerisch nicht genug, um den über 700.000 Jugendlichen, die 2023 ihren 18. Geburtstag feiern werden, einen Kulturpass in Höhe von 200 Euro auszugeben.

Geschäftsführer Olaf Zimmermann machte zudem auf die ungeklärte Frage aufmerksam, wofür der Pass überhaupt gelten würde und ob Konzerne wie Amazon, Apple, Spotify oder Netflix ebenfalls unterstützt werden sollten. "Offensichtlich gibt es noch keine klare Konzeption", merkte Zimmermann an. Angesichts des baldigen Jahresendes forderte der Kulturrat einen schnellen Beginn der konkreten Planungen.

Forum Musikwirtschaft zeigt sich zufrieden

Das Forum Musikwirtschaft erhofft sich, "dass mit dieser Maßnahme bald vielen jungen Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und Lage, ein einfacher Zugang zu Festivals, Konzerten, Schallplatten, Noten und Musikinstrumenten ihrer Wahl zur Verfügung stehen könnte." Das Forum verwies darauf, dass es die Einführung eines solchen Passes schon seit geraumer Zeit angeregt habe.

Allerdings führte auch das Forum Musikwirtschaft in seiner Stellungnahme an, dass noch nicht feststehe, welche Kulturbereiche nun durch den Kulturpass unterstützt würden und welche nicht. Dort könne man aber von den Erfahrungen aus Frankreich und Italien lernen und auf die Expertise der relevanten Kulturverbände zurückgreifen.

Mehr Mittel für Kulturinstitutionen

Anders als von der Bundesregierung vorgesehen, bewilligte der Haushaltsausschuss zudem 56 Millionen Euro für die "Substanzerhaltung und Restaurierung von unbeweglichen Kulturdenkmälern von nationaler Bedeutung" bzw. "Zuschüsse für national bedeutsame Kulturinvestitionen". Die Regierung hatte nur 6 Millionen Euro vorgesehen. 

Außerdem erhöhte der Haushaltsausschuss die "Zuschüsse für investive Kulturmaßnahmen bei Einrichtungen im Inland" gegenüber dem Regierungsentwurf um 41,4 Millionen Euro auf 109,8 Millionen Euro. Per Verpflichtungsermächtigung autorisierte sie die Bundesregierung, weitere 510 Millionen Euro in den kommenden Haushaltsjahren auszugeben, darunter 100 Millionen Euro im Jahr 2024 und 150 Millionen Euro im Jahr 2025.

Der Haushaltsausschuss steigerte auch die "Zuschüsse für Einrichtungen auf dem Gebiet der Musik, Literatur, Tanz und Theater" auf 64,1 Millionen Euro, 16,2 Millionen Euro mehr als von der Bundesregierung geplant. Die zusätzlichen Mittel sollen unter anderem Einzelprojekten im Bereich der Amateurmusik zugutekommen.

Schaffung eines Festival-Förderfonds

Dazu zählt auch ein erstmals eingeführter Festival-Förderfonds. Mit 5 Millionen Euro ist er zwar nicht gerade üppig ausgestattet, allerdings schafft der Bund damit (abgesehen von Corona-Hilfsmaßnahmen wie Neustart Kultur) erstmals eine Förderstruktur für Musikfestivals. Der gleiche Betrag soll in einen Amateurmusik-Fonds fließen.

Erhard Grundl, kulturpolitischer Sprecher der Grünen, hält den Festival-Förderfonds für einen "Paradigmenwechsel", da er das Förder-Kriterium der "bundespolitischen Bedeutung" neu definiert. Grundl erhofft sich "eine Vielzahl neuer Förderungen von tollen Musik-Festivals, die bisher unter dem Radar der Kulturförderung des Bundes geblieben sind."

Beginn einer grundsätzlichen Neuorientierung?

Die Bedeutung der Entscheidung ist jedenfalls nicht zu verkennen. Der Bund weitet sein Engagement in der populären Musik aus, die bis zur Coronakrise kaum eine Rolle in der Kulturpolitik spielte.

Angesichts der schwierigen Lage, in der sich viele Festivals befinden, erscheint diese Maßnahme ausgesprochen sinnvoll. Sie ist hoffentlich nur der Anfang für weitere Förderprogramme, die insbesondere kleinen und mittleren Clubs, Festivals und Veranstaltern zugutekommen sollten.

Es gibt jedenfalls gute Gründe, den von Erhard Grundl behaupteten "Paradigmenwechsel" nicht einfach als einseitige Sichtweise eines Mitglieds der Regierungskoalition abzutun. Viele Neuorientierungen vollziehen sich in kleinen Schritten, manchmal sind sogar die Anfänge fundamentaler Veränderungen so klein, dass sie im Rückblick kaum zu erkennen sind.

Ob der Festival-Förderfonds am Anfang einer grundsätzlichen Neuorientierung der bundesdeutschen Kulturpolitik steht, wird die Zukunft zeigen.

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