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"Fear of Missing Out" als Antrieb

Future Music Camp 2018: Ein Gespräch mit Sebastian Aab von Cosmopop über die Zukunft des Eventmarketings

Interview von Florian Endres
veröffentlicht am 05.03.2018

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Future Music Camp 2018: Ein Gespräch mit Sebastian Aab von Cosmopop über die Zukunft des Eventmarketings

Mit dem Smartphone auf dem Konzert: Wer das eigene Event (erfolgreich) als Erlebnis inszeniert, kann seine Gäste als "Botschafter" gewinnen. © SplitShire auf pexels.com / Lizenz: CC0

In seiner Keynote beim Future Music Camp 2018 befasst sich Sebastian Aab von der Eventagentur Cosmopop mit der Frage, wie effektives Eventmarketing im Zeitalter der Reizüberflutung aussieht. Im Gespräch mit Backstage PRO gibt er außerdem Tipps, wie KünstlerInnen und VeranstalterInnen das Publikum mobilisieren können.

Backstage PRO:  Im Rahmen deiner Keynote beim Future Music Camp 2018 beschäftigst du dich mit dem Phänomen der "Fear of Missing Out". Was können wir uns unter diesem Schlagwort vorstellen?

Sebastian Aab: Jeder kennt dieses Gefühl beim Durchscrollen von Instagram und Facebook am Wochenende, gerade an dem Abend, an dem man zu Hause geblieben ist, die "Party des Jahres" zu verpassen. Man hat Angst, den Anschluss zu verlieren oder nicht mehr Teil der sozialen Gruppe zu sein: Beim Timeline-Hedonismus unserer Freunde wollen wir natürlich dazu gehören.

Die Angst, einen entscheidenden Moment im Leben der Freunde nicht mitzuerleben oder am Montag im Büro bzw. auf den sozialen Medien nichts zu erzählen zu haben, ist ein Faktor, der die Menschen heute auf Veranstaltungen treibt.

"Events sind identitätsstiftende Erlebnisse"

Backstage PRO: Welche Auswirkungen hat dieser Trend auf die Ausgehkultur?

Sebastian Aab: Die Ausgehkultur war noch nie so stark, aber das einfache Konzept von “Party, Musik und Bier” ist schon lange überholt. In der “Experience Economy” zählt es, die Zeit der Gäste zu einem identitätsstiftenden Erlebnis aufzuwerten. Für viele Millennials sind gemeinsame Erfahrungen wichtiger als materielles Eigentum. Wie wir aber alle wissen, ist Zeit eine begrenzte Ressource. Wichtig sind also intensive Erfahrungen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Backstage PRO: Was muss man also in der "Experience Economy" bezüglich des Marketings beachten? 

Sebastian Aab: Es gilt, beim Eventmarketing zu den Wurzeln der Veranstaltungs-Konzeption zurückkehren und zu überlegen: Wie kann ich mein Event wieder relevant und im besten Fall identitätsstiftend konzipieren? Was will meine Zielgruppe? Reicht das schöne Fotomotiv? Sind es gemeinsame Momente? Alle reden von Influencern, dabei sind die besten Influencer die eigenen Gäste. Echtes Social Marketing lässt sich mit Eventkonzepten erreichen, die einen sozialen Mehrwert für die Zielgruppe bieten.

Besonders in Zeiten der absoluten Informationsflut und dem Rückgang der organischen Reichweiten müssen sich die Verantwortlichen im Eventmarketing auf das besinnen, was eine gute Veranstaltung ausmacht: Gemeinsame Momente und unvergleichbare Erlebnisse, die den Gast "Netflix & Chill" vergessen lassen. Eben die Sorte von Event, die niemand verpassen will.

"Menschen sind wichtiger als Flyer"

Backstage PRO: Wie kann man sich als KünstlerIn, Band, Agentur o.ä. mit dem eigenen Event durchsetzen?

Sebastian Aab: Menschen sind wichtiger als Flyer. Die Zeit, die man darin investiert, eine Woche vor der Veranstaltung Flyer und Plakate aufzuhängen bzw. in der Stadt zu verteilen, hat man besser investiert, wenn man nur 20 Freunde persönlich einlädt, die über die eigene Veranstaltung sprechen. Nur in den seltenen Fällen, dass ein großer internationaler Künstler auf einem Event performt und dessen Story und die Musik schon durch Spotify, Radio oder z.B. Beatport bekannt sind, lohnen sich klassische Medien wie Radio, Plakatierungen etc.

In jedem anderen Fall ist es wichtig, allen klar zu machen, dass die eigene Veranstaltungen ein “must visit” ist. Die Angst, etwas zu verpassen, ist eine riesige Motivation, eine Veranstaltung zu besuchen. Und wenn man dann den Erwartungen gerecht wird, hat man einen neuen Botschafter gewonnen, der von deiner Veranstaltung spricht.

Backstage Pro: Was macht ein Event aus, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt und wie schafft man es klar zu machen, dass alle, die auf der Couch geblieben sind, etwas verpassen?

Sebastian Aab: Die Inszenierung der Veranstaltung spielt eine wichtige Rolle. Werbetrailer müssen mit Emotionen spielen und ästhetisch ansprechend sein. Der dramaturgische Aufbau und die Bühnenshow müssen aus der Masse herausstechen. Mit themenbezogener Inneneinrichtung oder Dekoration und einem angenehmen Ambiente wird das Event zu einem besonderen Erlebnis aufgewertet.

"Erlebnisstrategie statt Marketingstrategie"

Grundsätzlich sollten Veranstalter von einer Marketingstrategie zu einer “Erlebnisstrategie” umdenken. Man muss sich fragen: Was kann auf dem Event passieren, das Momente und Erlebnisse schafft, von denen gesprochen wird und wie kann man diese dann in die eigene Kommunikation einbauen.

Backstage PRO: Wie schätzt du die weitere Entwicklung ein? Wird die Reizüberflutung immer stärker, oder gibt es auch gegensätzliche Trends und Bewegungen?

Sebastian Aab: Die Reizüberflutung wird nicht nachlassen. Mit wachsender Medienkompetenz und fortgeschrittenem Alter werden die Millennials deutlich fokussierter und gezielter auswählen, welche Events sie besuchen. Zur “Fear of Missing Out” kommt die “Joy of Missing Out”. Wenn es soweit kommt, hat man als Werbetreibender schon fast verloren.

Besonders in Metropolen wird es vermutlich den Trend geben, dass die Eintrittsgelder steigen und die Zielgruppe weniger, aber dafür gezielter ausgeht. Das kitschige Wandtattoo “Collect moments, not things” ist so relevant wie noch nie. Um so besser die Erlebniswelt der Konkurrenz wird, umso wahrscheinlich ist die Chance, dass man als Veranstalter auf der Strecke bleibt, wenn man hier nicht mit der Zeit geht und seine Marketingstrategie anpasst.

Sebastian Aabs Keynote "Fear of Missing Out – Modernes Veranstaltungsmarketing in Zeiten der Reizüberflutung" findet am 26.4.2018 um 13:45 in der Jungbuschhalle in Mannheim statt.

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