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fünfzig jahre bdmh

Interview mit Gerhard A. Meinl, Vorsitzender des Bundesverbands der deutschen Musikinstrumentenhersteller

Interview von Daniel Nagel
veröffentlicht am 30.01.2013

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Interview mit Gerhard A. Meinl, Vorsitzender des Bundesverbands der deutschen Musikinstrumentenhersteller

Gerhard Meinl, Vorsitzender des Bundesverband der deutschen Musikinstrumentenhersteller

Der Bundesverband der deutschen Musikinstrumentenhersteller (BDMH) feiert dieses Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden Gerhard Meinl über die Aufgaben und Ziele des Bundesverbands sowie die Auswirkungen der Globalisierung auf die Hersteller.

Backstage PRO: Herr Meinl, Sie haben einen interessanten Lebensweg hinter sich. Sie haben als junger Mann Jura studiert und anschließend eine Lehre als Metallblasinstrumente- und Schlagzeugmacher absolviert. Der umgekehrte Fall – zunächst eine Lehre, dann das Studium – kommt sehr viel häufiger vor.

Gerhard Meinl: Ich stamme in der Siebten Generation aus einem Musikinstrumentenbau-Unternehmen und ursprünglich hatte ich nicht vor, in die Firma einzutreten. Ein mittelständisches Unternehmen mit fünfzig Mann war meinen großen jugendlichen Ambitionen nicht genug, aber meinem Vater gelang es, mich in die Firma zu locken. So wurde ich dann mit Haut und Haaren Unternehmer im Musikinstrumentenbau.

Backstage PRO: Hat ihr Vater Sie angehalten, die Lehre zu absolvieren oder war das ihre eigene Entscheidung?

"Auf Augenhöhe sprechen"

Gerhard Meinl: Das war eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Ich wollte immer ein Ansprechpartner für die Mitarbeiter wie für die Musiker sein. Ich habe auch einzelne Instrumente gelernt, Gehörbildung betrieben und ähnliches. Alles mit dem Ziel, auf Augenhöhe mit den Handwerkern sprechen zu können. Das hat mir später bei der Übernahme des VEB Blechblas und Signalinstrumente in Markneukirchen/Klingenthal sehr geholfen, weil ich in Sachsen 1991 nicht als Besserwessi auftreten konnte, sondern auch wusste, wie und was die Handwerker arbeiten.

Backstage PRO: Auf diese Weise wuchsen durch den Fall der Mauer historische Regionen wieder zusammen, die fünfzig Jahre lang künstlich getrennt waren. Die Traditionen existierten auf beiden Seiten der Grenze und existieren auch heute noch.

Gerhard Meinl: Ja, natürlich. Meine Familie stammt aus dem Sudetenland, aus Graslitz (heute: Kraslice), und dort wirkt noch eine ältere Teilung. Im Verlauf der Gegenreformation verließen die protestantischen Instrumentenbauer Böhmen und Siedelten sich gegenüber im Vogtland in Sachsen an. Die Meinls heißen dort Meinel.

Backstage PRO: Leiten Sie immer noch das Unternehmen, das Sie von ihrem Vater übernommen haben?

Gerhard Meinl: Nein. Ich habe mein Unternehmen in die französische Buffet-Gruppe eingebracht und habe den Ertrag aus dem Verkauf reinvestiert und bin jetzt Aufsichtsrat und Berater der Gruppe.

"Das aktive Musizieren stärken"

Backstage PRO: Sie sind seit 1998 außerdem Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Musikinstrumentenhersteller. Welche Aufgaben haben Sie in dieser Funktion?

Gerhard Meinl: Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht aus Lobbyarbeit gegenüber den politischen Entscheidungsträgen, die man als Verband leisten muss. In Deutschland spielen zu wenige Schüler Musikinstrumente und unser Ziel ist es, das aktive Musikzieren im normalen Unterricht zu stärken. In dieser Hinsicht sind die USA vorbildlich. Dort hat jede Highschool eine eigene Band und zahlreiche weitere Musikprogramme und etwas Vergleichbares zu schaffen, muss auch in Deutschland unser Ziel sein.

Backstage PRO: Wie sehen diese Bemühungen konkret aus?

Gerhard Meinl: Der Obersatz dieser Bemühungen lautet: "Make More Music Makers", d.h. ermögliche es mehr Menschen, ein Instrument zu erlernen. Wir brauchen mehr als die 8%, die es bislang in Deutschland tun. Das können wir nur erreichen, wenn wir die einzelnen Kultusministerien in den Ländern dafür gewinnen, das aktive Musizieren in der Schule zu fördern. Zu diesem Zweck hat unser Verband die Akademie für Musikpädagogik gegründet, um Lehrer auszubilden, die mit der gesamten Klasse musizieren. 80%, die einmal bei einem solchen Klassenmusizieren dabei waren, bleiben dabei und machen weiter Musik. Davon profitieren auch die Hersteller.

"Veränderungen sind sehr vielfältig"

Backstage PRO: Wie hat sich das wirtschaftliche Umfeld der Musikinstrumentenhersteller gewandelt?

Gerhard Meinl: Zunächst hat sowohl die Verfügbarkeit von Instrumenten als auch die Transparenz der Preise durch das Internet stark zugenommen. Die andere große Entwicklung der letzten Jahre war der immense Markteintritt der chinesischen Hersteller.

Backstage PRO: Wie hat der Eintritt der chinesischen Hersteller den Markt für Musikinstrumente verändert?

Gerhard Meinl: Die Veränderungen sind sehr vielfältig. Der wichtigste Aspekt ist: Durch günstigere Instrumente erhalten mehr Anfänger die Möglichkeit, ein Instrument zu erwerben. Die Instrumente müssen qualitativ ein vernünftiges Niveau besitzen und in dieser Hinsicht haben die chinesischen Hersteller große Fortschritte gemacht. Zahlreiche deutsche Hersteller sind deshalb Kooperationen mit chinesischen Partnern eingegangen und beziehen Anfängerinstrumente aus dieser Quelle. Aus einer anfänglichen Konkurrenzsituation hat sich zunehmend eine Partnerschaft in manchen Bereichen entwickelt. Es ist nämlich durchaus möglich, auf diese Weise auch Kunden an eine Marke zu binden.

Backstage PRO: Gibt es auch negative Auswirkungen?

Gerhard Meinl: Es ist wichtig, dass Instrumente eine gewisse Wertigkeit besitzen. Wenn die Instrumente zu billig sind, dann fehlt den Eltern den Anreiz, ihr Kind zum Üben zu motivieren. Ein grundsätzliches Problem ist das der Plagiate bzw. der Markenpiraterie, die unsere wirtschaftliche Lage in Europa verschlechtert. Das sind die beiden Seiten der Medaille.

Backstage PRO: Zwingt die globalisierte Wirtschaft kleine und mittelständische Unternehmen zur Partnersuche oder zum Zusammenschluss mit größeren Unternehmen?

Gerhard Meinl: Im Musikinstrumentenbau gibt es kleine, hochspezialisierte Handwerksbetriebe, die immer alleine überlebensfähig sein werden. Aufgrund ihrer Größe sind Sie sehr anpassungsfähig und besitzen ein so eigenes Gepräge, dass ihnen von dieser Seite keine Gefahr droht. Bei den mittelgroßen Instrumentenherstellern ergibt sich zwangsläufig eine gewisse Konsolidierung, was vornehmlich mit der Notwendigkeit des Vertriebs zu tun hat. Es schadet einem Unternehmen auf Dauer, wenn es hervorragende Instrumente baut, aber keinen direkten Vertrieb in den jeweiligen Ländern hat. Der Schlüssel ist es, einen Partner mit entsprechender Vertriebsstärke zu finden. Deshalb habe ich auch mein Unternehmen in die Buffet-Gruppe eingebracht.

"Musiker als Partner verstehen"

Backstage PRO: Wie kann man die über Jahrhunderte entwickelten Kompetenzen der deutschen Musikinstrumentenhersteller erhalten und in einer globaliSierten Wirtschaft nutzbar machen?

Gerhard Meinl: Der Musiker wird immer einen Ansprechpartner für die unterschiedlichsten Herausforderungen brauchen und wird diesen im Handwerker finden. Durch das weltweit einzigartige duale Ausbildungssystem erhalten wir hervorragend ausgebildete Handwerker vom Gesellen bis zum Meister. Aus diesem unglaublichen Know-How schöpft sich die große Stärke und große Innovationskraft der deutschen Instrumentenhersteller. Wenn wir unsere Musiker als Partner verstehen, dann habe ich keine Bedenken, dass wir auch weiterhin im Knowhow weltweit an der Spitze stehen.

Backstage PRO: Vielen Dank für das Gespräch!

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