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Mit Rivo Drei durchlief er den Hype-Zyklus

Interview mit Oliver Rivo über vergängliche Bandkarrieren, Majors und das Streben nach Hits

Interview von Tobias Görtzen
veröffentlicht am 06.10.2015

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Interview mit Oliver Rivo über vergängliche Bandkarrieren, Majors und das Streben nach Hits

Bandfoto von Rivo Drei. Unseren Interviewpartner Oliver seht ihr in der Mitte. © Pressebild

Oliver Rivo reflektiert im Gespräch mit Tobias Görtzen seine Erfahrungen im Musikbusiness mit seiner Band Rivo Drei, die sich nach einem Major-Deal und Touren mit Silbermond, Ich & Ich und Xavier Naidoo wieder aus dem Business zurückgezogen hatte. Der ganz große Erfolg war ausgeblieben. Eine Erfahrung, die viele Musiker teilen können.

Ein wunderschöner Sommerabend in Berlin. Oliver Rivo kommt gut aufgelegt in T-Shirt, kurzer Hose und Sneakers in die verabredete Location im Prenzlauer Berg. Die Atmosphäre passt, um über seine ehemalige Band und ihr Scheitern im Musikbusiness zu sprechen, was den Ex-Bandleader emotional auch nach vier Jahren emotional noch nicht kalt lässt.

Rivo Drei bestanden aus Oliver, Felix und Arne. Um unseren Interviewpartner Oliver ist es musikalisch ruhig geworden. Er hat ein Start-Up in Berlin gegründet. Zuvor war er längere Zeit als Projektleiter bei einer bekannten deutschen Firma angestellt.

Felix M. Lehrmann (Schlagzeuger) sollte zumindest allen Schlagzeugern unter den Lesern durch seine Clinics und seine Präsenz bei Künstlern wie Sarah Connor, Dendemann (auch im Neo Magazin Royale ist er dabei), Haftbefehl oder Jeanette Biedermann ein Begriff sein. Auch Bassist Arne ist der Musik treu geblieben, spielt unter anderem bei Tim Bendzko.

"Wir haben fast ein halbes Jahr verhandelt"

Backstage PRO: Hallo Oliver! Schön, dass du dir die Zeit nimmst. Es geht um deine Band Rivo Drei. Ihr seid vor knapp zehn Jahren innerhalb kürzester Zeit sehr erfolgreich gewesen. Wie fing damals alles an?

Oliver Rivo: Wir haben in Berlin einige Konzerte gespielt. Immer wieder sind in der Anfangszeit Leute auf uns zugekommen, haben einige Versprechungen gemacht, doch selten ist aus denen irgendetwas geworden. Bis wir an einem Contest der BVG (Berliner Verkehrsgesellschaft, Anm.d.Red.) teilgenommen haben. Dort war unter anderem das Produzententeam von Valicon anwesend, die gerade die Band Silbermond produzierten. Wir haben diesen Contest gewonnen. Der Preis war die Aufnahme eines Demo-Songs mit Valicon. Doch anstatt nur einen Song zu produzieren, wurde uns angeboten, direkt ein komplettes Album aufzunehmen. Das Ziel war, dieses Album an eine größere Plattenfirma zu verkaufen.

Backstage PRO: Und so ist euer erstes Album "Yeah! Jawohl! Und überhaupt.“ entstanden.

Oliver Rivo: Fast ein Jahr, mit Unterbrechungen, haben wir an diesem Album gearbeitet. Wir haben von Valicon sehr große Freiheiten bekommen, manchmal haben die ein wenig mehr Gitarre in den Sound gedreht, aber sonst haben die uns unser Ding machen lassen.

Backstage PRO: Das kann man auch deutlich hören, für eine "Pop“-CD sind auffällig viele virtuose Instrumentalparts auf der Platte zu hören. Normalerweise würde ein Majorlabel so etwas einem Newcomer doch um die Ohren hauen. Gerade die Drumfills von Felix hört man sonst selten auf einer Popproduktion aus den letzten 20 Jahren.

Oliver Rivo: In den Verhandlungen rund um das Album hat Valicon das Album gegenüber der Plattenfirma immer verteidigt. In diesem Prozess waren wir gar nicht so sehr beteiligt. Der Plan von Valicon war, ein eigenes Label zu gründen und dieses als Sublabel an einen Major anzuhängen. Durch den Erfolg mit Silbermond waren die in der Zeit einer der gefragtesten Produzententeams. Jeder der großen Majors wollte "das neue Projekt von Valicon" für sich gewinnen. Für uns war der Vertrag viel wichtiger, den uns Sony BMG damals gegeben hat. Das war keine einfache Entscheidung für uns. Wir haben fast ein halbes Jahr verhandelt und darüber nachgedacht, ob das so in Ordnung für uns geht. Letztendlich haben wir dann einen, verglichen mit dem ersten Entwurf, verbesserten Vertrag unterschrieben.

Backstage PRO: War damit die Zusammenarbeit mit Valicon erst einmal zu Ende?

Oliver Rivo: Wir haben dann später noch einige weitere Songs für Valicon als Studiomusiker unterstützt. Valicon war damals das Produzententeams hinter allen DSDS-Künstlern, daher findet man unsere Namen auch bei diversen CDs von DSDS-Teilnehmern. Für unser zweites Album "Funk + Döner“ gab es nur noch sehr sporadische Unterstützung, die Platte haben wir selbst produziert.

"Majors haben absolut keine Ahnung einen Newcomer zu etablieren“

Backstage PRO: Jetzt war das erste Album fertig, ihr mit einem Major-Vertrag ausgestattet und wurdet als die ganz große neue Popnummer angekündigt. Wie ging es weiter?

Oliver Rivo: Mit dem Debüt im Gepäck bekamen wir die Möglichkeit vor allen großen Stars der damaligen Popmusikszene aufzutreten. Unter anderen bei Silbermond, Xavier Naidoo, Ich + Ich, Juli, diversen Popstars und vielen weiteren Acts. Die Plattenfirma hat dazu versucht, dass wir in anderen Medien, Radio, Print und TV, vertreten sind.

Backstage PRO: Wie nahm euch das Publikum als Vorband auf?

Oliver Rivo: Mal so, mal so. Gerade das Publikum von Silbermond konnte seltener, bzw. in geringerer Anzahl etwas mit uns anfangen. Konzerte im Vorprogramm von Xavier Naidoo sind rückblickend betrachtend die erfolgreichsten gewesen. Als Vorband vor einem großen Publikum zu spielen kann wirklich grandios sein, plötzlich darf man vor 10.000 Menschen auf einer Bühne seine eigene Musik spielen. Dennoch heißt das noch lange nicht, dass man sehr erfolgreich von jedem Publikum angenommen wird. Rivo Drei war nicht Mainstream. Daher hatten wir vor klassischen Mainstream-Rockbands wie Juli oder Silbermond, im Nachhinein betrachtet, eigentlich nicht viel zu suchen. Die Fans wollten "rocken" und dann kommt eine Band und spielt 5/8-Rhythmen...

Backstage PRO: Warum hat die Plattenfirma das nicht gesehen? Die haben sicherlich für diesen Spaß einiges bezahlen dürfen.

Oliver Rivo: Da sieht man, dass auch die Major-Label absolut keine Ahnung haben, Newcomer zu etablieren. Major-Labels sind wirklich gut darin Erfolg zu verwalten, und diesen am besten noch international zu vermarkten. In diesem Bereich wird denen auch noch in den nächsten Jahren keiner etwas vormachen können. Aber Künstleraufbau und die Förderung von jungen Talenten? Das darf man meiner Erfahrung nach nicht von Leuten in Major-Labels erwarten. Wobei ich glaube, dass keiner auf der Welt weiß, wie das wirklich geht. Das macht die Sache ja auch so spannend.

"Der Text ist für einen deutschsprachigen Songwriter am wichtigsten“

Backstage PRO: Trotz großer Bemühung war das erste Album nicht euer Durchbruch. 

Oliver Rivo: Ja, Rivo Drei waren nie Mainstream, wobei wir das vorher wohl anders gesehen haben. Rückblickend betrachtend fehlte uns aber ein Hit.

Backstage PRO: Was meinst du damit genau?

Oliver Rivo: Ein Hit ist ein Song, der das auf den Punkt bringt, was Menschen fühlen. Am besten spricht er was aus, was viele Menschen denken, sich aber nie trauen würden es selber auszusprechen. Hier geht es um einen Song der bei den "normalen Leuten“ funktioniert, und das in der Masse. Also zum Beispiel wenn du an einer Raststätte auf der Autobahn bist, und dort 9von 10 Menschen sich von diesem Song angesprochen fühlen würden oder den Song mitsingen könnten. "Das Beste“ von Silbermond war ein Hit, ein Hit-Prototyp quasi. Ein Hit ist dabei auch in erster Linie in meiner Definition ein kommerzieller Erfolg. Diese Fragen sind dabei wichtig: Was macht für die Zuhörer einen Hit? Ab wann bleibt ein Song dem Zuhörer tagelang im Ohr? Welche Songs wollen sie immer wieder hören? Warum genau diese Songs?

Backstage PRO: Würdest du Musikern aufgrund deiner Erfahrungen empfehlen, stärker auf Mainstream zu schreiben?

Oliver Rivo: Ich glaube, das sollten Musiker nur tun, wenn sie auch wirklich Lust darauf haben und sich mit dem Produkt identifizieren können. So wie ich das einschätzen kann, sind die ganzen Hit-Songwriter auch wirklich Vollblut-Popmusiker. Ich kenne andererseits ein paar Leute, die versucht haben, sich zum Beispiel in der Schlagermusik zu etablieren, weil da angeblich viel Geld fließt. Sie standen aber nie wirklich dahinter. Das hat man ihnen angesehen bzw. angehört, und deswegen ist daraus auch nie etwas geworden.

Backstage PRO: Wie wichtig ist dabei noch die Musik?

Oliver Rivo: Der Text ist für einen deutschsprachigen Songwriter am wichtigsten. Die Musik muss schön sein, das reicht aber auch. Der Text muss Emotionen erzeugen und deutlich sein. Deutlich heißt aber nicht unbedingt platt oder banal. Das können auch Bilder und Emotionen sein – umso besser! Meine Erfahrung ist, dass die Leute bei deutschen Texten viel genauer hinhören. Da sollte dann schon ein gewisser Inhalt zu erkennen sein. Bei Rivo Drei waren gerade jene Songs beliebt, mit deren Texten die Leute sich identifizieren konnten. Andere, "undeutliche" Songs von uns wurden dagegen nur selten nachgefragt. 

"Musiker sollten nicht die Hoffnung haben, dass ein Major-Label sie groß macht“

Backstage PRO: Würdest du jungen Musikern einen Plattenvertrag mit einem Major-Label empfehlen?

Oliver Rivo: Nein! Wobei natürlich auch hier Ausnahmen in konkreten Einzelfällen die Regel bestätigen würden. Wichtiger finde ich aber, dass Musiker nicht die Hoffnung haben sollten, dass ein Major-Label sie groß macht.

Backstage PRO: Es gibt bis heute kein offizielles Ende der Band Rivo Drei, jedoch spielt ihr seit langem keine Konzerte mehr, und man sieht und hört auch nichts mehr von euch. Du hast dich auch sehr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Gibt es denn musikalische Projekte in denen man dich aktuell hören kann?

Oliver Rivo: Ich spiele noch zum Beispiel in der Band von Felix' Vater (Michael Lehrmann Group, Anm. der Red.), Felix ist der Schlagzeuger in der Band. Ab und an haben wir einen Auftritt. Ich schreibe aber wieder Songs und möchte irgendwann ein eigenes Album veröffentlichen. Manchmal spreche ich mit Arne und Felix davon, nochmal ein Rivo Drei-Album aufzunehmen. Also so ganz vom Tisch ist das nicht. Aber konkrete Pläne gibt es halt noch nicht.

Backstage PRO: Vielen lieben Dank Oliver für das Interview und die Zeit die du dir genommen hast.

Euer Feedback

Irgendwie kurz davor und doch gescheitert – dieses Gefühl kennen viele Musiker. Woran erinnert dich Olivers Story mit seiner Band Rivo Drei und welche Erfahrungen machst du selbst mit deinen Gehversuchen im Musikbusiness?

Artists

RIVO DREI

Pop, Rock aus Berlin

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