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Über die diversen Systeme und mögliche Strategien

Promo-Schub dank Spitzenposition: Wie kommt man eigentlich in die Charts?

Tipps für Musiker und Bands von Theo Müller
veröffentlicht am 16.01.2017

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Promo-Schub dank Spitzenposition: Wie kommt man eigentlich in die Charts?

Offizielle Deutsche Charts. © Screenshot

Auch in Zeiten von Spotify, Facebook und Youtube sind die Charts von hoher Bedeutung für den Erfolg eines Musikers. Erfahrt hier welche Charts es gibt, wie man es hinein schafft und wie das System dahinter funktioniert.

Die Charts – noch immer sind diese Listen mit den umsatzstärksten Musikprodukten das Heiligtum des Musikgeschäftes und noch immer gelten sie als der Bewertungsmaßstab über den Erfolg oder Misserfolges eines Musikprojektes.

In den Charts zu stehen heißt also immer noch: "Dieser Musiker hat es geschafft". Bei Verhandlungen mit Labels, beim Booking oder einfach nur für die Biographie stellt der Fakt, das man mal in den Charts war, noch immer ein gewichtiges Argument dar.

Doch ist das wirklich so? Wie relevant sind die Charts in Zeiten von Spotify, Facebook und Youtube noch? Wie funktioniert das System Charts überhaupt? Und wie schaffe ich es mit mit meinem Musikprojekt in die Charts?

Das System: so entstehen Chart-Platzierungen

Auch wenn unter "Charts" landläufig die Offiziellen Deutschen Charts des Marktforschungs-Unternehmens GfK verstanden werden, stellen diese umsatzorientierten Charts doch nur die Spitze des Eisberges dar. Es gibt durchaus weitere Charts, die ein ganz anderes System und ein anderes Ziel haben.

Gerade für Musiker abseits des Mainstreams und ohne große Verkaufszahlen können solche Charts von Interesse sein. Werfen wir mal einen Blick auf die einzelnen Chart-Systeme.

1. Charts über Verkäufe

Die schon eben erwähnten Offiziellen Deutschen Charts von der GfK sind für Deutschland die großen und damit wichtigsten Charts. Bis 2014 wurden diese übrigens vom Marktforschungs-Konkurrenten Media Control erhoben.

  • Die Erhebung erfolgt über 2000 an das automatische Bestellsystem "PhonoNet" angeschlossene Partnergeschäfte in Deutschland.
  • Die Umsätze aus diesen Partnergeschäften werden über elektronische Kassensysteme gespeichert und ergeben dann die Chartplatzierungen. Das heißt: wer den meisten Umsatz macht, ist ganz vorne in den Charts.
  • Früher wurden die Charts noch nach der Anzahl der Verkäufe ermittelt, heute zählt nur das umgesetzte Geld. Hochpreisige Produkte haben also schon mal bessere Chancen weiter oben in den Charts zu landen.

Voraussetzung für ein Musikgeschäft zum Anschluss an "PhonoNet" ist, dass dieses ein Vollsortiment führt und elektronisch abgerechnet werden kann. Der kleine Liebhaber-Plattenshop, der sich nur auf ein Genre spezialisiert und bei dem noch ohne elektronisches Kassensystem bezahlt wird, ist also definitiv nicht dabei.

Auch Downloads und Streams fließen in die Erhebung mit ein. Bei Streams, wie zum Beispiel von Spotify, werden nach einer halbjährlich neu berechneten Quote minimale Cent-Beträge als Umsatz für die Charts erhoben. Allerdings zählen dazu nur Streams von Premium-Kunden der Streaming-Services, die mindestens 31 Sekunden lang gespielt wurden. Kostenlose oder werbefinanzierte Angebote haben keinen Einfluss auf die Charts.

Auch wenn in diesem Verfahren sicher nicht jeder Kauf eines Musiktitels einhundertprozentig abgebildet werden kann, sind Charts über Verkäufe doch sehr objektiv nachprüfbare Daten. Die tatsächlichen Umsätze kann man als Endverbraucher allerdings nicht sehen.

Übrigens: Goldene Schallplatten werden noch immer nach den tatsächlich verkauften Einheiten vergeben. Die Verkaufszahlen, um diese zu erhalten, sind in den Jahren deutlich gesunken.
Waren in Deutschland im Jahr 1976 noch eine Million Singles für eine Goldene Schallplatte erforderlich, sind es seit 2003 lediglich noch 150.000 Einheiten. 100 Streams über Premium-Kunden zählen als eine Einheit dazu. Es gibt für goldene Schallplatten übrigens keine offizielle Stelle. Die Labels können diese frei selbst an ihre Künstler vergeben. Sie verpflichten sich jedoch, die Verkaufsmengen auch einzuhalten.

Übrigens: Goldene Schallplatten werden noch immer nach den tatsächlich verkauften Einheiten vergeben. Die Verkaufszahlen, um diese zu erhalten, sind in den Jahren deutlich gesunken. Waren in Deutschland im Jahr 1976 noch eine Million Singles für eine Goldene Schallplatte erforderlich, sind es seit 2003 lediglich noch 150.000 Einheiten. 100 Streams über Premium-Kunden zählen als eine Einheit dazu. Es gibt für goldene Schallplatten übrigens keine offizielle Stelle. Die Labels können diese frei selbst an ihre Künstler vergeben. Sie verpflichten sich jedoch, die Verkaufsmengen auch einzuhalten., © Illustration: glamyglamy / 123RF

Weitere verkaufsgetriebene Charts sind die Händler-Charts der großen Einzelhandelsketten und Onlineanbieter. Diese basieren auf ihren eigenen Verkäufen und stellen vor allem Marketingmaßnahmen für das eigene Geschäft dar.

2. Charts über Votings

Neben den von Verkäufen getriebenen Charts, die vor allem ein quantitatives Abbild der Musiklandschaft widerspiegeln, gibt es auch noch Charts die durch die Wahl von (mehr oder weniger) qualifizierten Experten bestimmt werden. Dazu gehören vor allem Charts, in denen sich spezielle Genres wiederfinden.

Das sind zum Beispiel die Deutschen Dance Charts, Deutsche Club Charts, Deutsche Urban Chrats, die Indie Disko Top 40 oder die Deutschen Alternative Charts. Diese Charts werden von DJs und ausgewählten Händlern gewählt. Auch viele Radiostationen präsentieren ihre eigenen Charts, entweder von den Hörern oder von der Redaktion gewählt.

Ein Spezialfall sind die Airplay Charts:

  • Hier wird quantitativ gemessen, was Musikredaktionen qualitativ für ihren Radiosender auswählen. Was also oft im Radio gespielt wird, kommt in die Airplay Charts.
  • In Zeiten, in denen das normale terrestrische Radio sowieso nur Songs spielt, die sowieso schon Hits sind, haben die Airplay Charts fast gar keine Bedeutung mehr. Radioredakteure schauen vor allem darauf was, in anderen Charts schon angesagt ist und richten die Playlisten danach aus, so dass das Radio den echten Trends meist hinterher hängt.
  • Die wenigen Formate in der deutschen Radiolandschaft, die noch wirklich neue und spannende Musik präsentieren sind heutzutage so wenig geworden, dass diese quasi keine Bedeutung für die Airplay Charts haben.
iTunes Toptitel am 11.01.17

iTunes Toptitel am 11.01.17

Ein sehr schönes Beispiel für das Absinken in die Bedeutungslosigkeit des alten Radioformates ist die iTunes Chart Show bei Hit Radio FFM, bei der einfach die Top 40 iTunes Songs abgespielt werden.

Die Gradmesser von angesagter Musik sind schon lang nicht mehr die Radios, sondern die digitalen Plattformen wie iTunes, Youtube und Spotify. Das Radio tritt so oft nur noch nachgelagerter Überträger von Trends in weniger musikaffine Zielgruppen.

Die Bedeutung der Chart-Positionen

Über die wirkliche Bedeutung der Chart-Positionen kann man sich streiten. Nur weil eine Veröffentlichung nicht in Verkaufscharts auftaucht, muss das nicht heißen, dass sie automatisch schlecht läuft. Manchmal verkauft sich ein Platte eben über Jahre kontinuierlich, aber in kleinen Mengen und ein anderes Mal hat eine Platte einen kurzen Boom, der sie kurzfristig in die Charts katapultiert, nur um dann nie wieder gekauft zu werden.

Trotzdem ist die Position eurer Musik in den Charts nach wie vor super relevant für eigentlich fast alle Bereiche in der Branche. Acts, die ein paar Chart-Platzierungen aufweisen können, kommen überall besser an. Egal ob ihr mit Labels, Vertrieben, Clubs, Veranstaltern, Radios, Magazinen und Endorsement-Partnern zu tun habt – die Tatsache, dass ihr mal in den Charts wart, wird überall positiv auffallen und euch eine bessere Wahrnehmung und dann hoffentlich auch bessere Deals einbringen. Auch werden sich eure Platten in Musikgeschäften in besseren Regal-Positionen wiederfinden oder werden auf Download-Shops eher mal ein Feature bekommen, wenn sie in den Charts aufgetaucht sind.

Auch Media Control ermittelt weiterhin Charts (vgl. charts.de). Die Grafik entstammt der

Auch Media Control ermittelt weiterhin Charts (vgl. charts.de). Die Grafik entstammt der "Megacharts"-Produktbeschreibung.

Wichtig ist nur, dass ihr auch von euren Erfolgen berichtet, so dass jeder der eben genannten Akteure weiß, dass eure Musik schon in den Charts war. Postet eure Hitlisten-Platzierungen auf eurer Website und auf euren Social-Media Kanälen und – ganz wichtig – erwähnt diese auch in euren Künstler-Biografien!

Strategien für eine gute Chart-Position

Wenn ihr in die Verkaufscharts wollt zählt nur eins: In einer Woche viel mehr Umsatz machen als der Rest. Es geht also darum, die Verkäufe über chartrelevante Händler in einer Woche zu bündeln und hochpreisige Produkte anbieten.

  • Das bündeln von Verkäufen funktioniert über eine lange Vorbestellphase und die Ausrichtung des Marketings auf die Release-Woche eurer Platte.
  • Alle Vorbestellungen werden zum Erscheinungstermin ausgeliefert und zählen damit zum Umsatz der ersten Woche. In der Promophase für eure Platte sollte es also vor allem euer Ziel sein, Vorbestellungen zu generieren.
  • Hochpreisige Produkte könnt ihr euren Fans vor allem in Form von Spezial-Editionen und Fan-Boxen anbieten, in welchen neben der Platte noch T-Shirts, Poster, Autogramme, Feuerzeuge und was euch sonst noch einfällt beiliegen, um den Preis eures Musikproduktes anzuheben.

Ganz übertreiben solltet ihr es gerade mit dem letzten Punkt natürlich auch nicht, denn für den Kram müssen eure Fans tatsächlich auch bereit sein, ihr Geld zu investieren. Aktuell machen es vor allem Deutschrap-Acts vor, wie so eine chartgetriebene Promo zu laufen hat:

Hochpreisige Premium-Editionen von Alben mit ewig dauernden Promophasen sind dort schon fast der Standard geworden. Es lohnt sich also, mal einen Blick auf die Aktionen von Kollegah, Haftbefehl und Co. zu werfen und sich dort einiges abzuschauen.

Ein weiteres wichtiges Kriterium für eine gute Chartplatzierung ist das Releasedatum selbst: Über das Jahr verkauft sich Musik unterschiedlich gut.

  • Weihnachten ist das Hauptgeschäft für alles was das Endkundengeschäft angeht und Musik ist immer noch ein super beliebtes Weihnachtsgeschenk. Hier sind vor allem die großen Acts gefragt und die Umsätze schlagen den Rest des Jahres deutlich – keine gute Zeit, um als Newcomer in die Charts zu kommen.
  • Im Sommer hingegen herrscht eine ziemliche Musikflaute. Im Sommerloch funktionieren vor allem die üblichen Sommerhits, aber sonst geht da umsatzmäßig nicht viel. Hier wäre als Newcomer eine gute Chartplatzierung möglich, vorausgesetzt eure Fans sind treu genug, um auch in der Urlaubszeit eure Musik zu kaufen oder eure Vorbestellphase ist schon deutlich vor der Urlaubszeit gestartet.

Wollt ihr in den gewählten Spezialisten-Charts gut abschneiden, ist vor allem Promotion bei den DJs gefragt. Da hilft euch sicher eine entsprechend gut aufgestellte Promotion-Agentur weiter. Vor allem aber muss eure Musik dort in gewisser Weise tanzbar und clubtauglich sein, denn genau danach bewerten DJs in der Regel eure Musik. Für die Airplay Charts müsst ihr hingegen vor allem die Radioredakteure von eurer Musik überzeugen. Auch da kommt man sicher mit einer entsprechenden Promotion-Agentur weiter.

Letztendlich zählt bei den Charts aber doch eins: Gehört und gekauft wird das, was den Leuten gefällt. Oder was denkst du darüber? Wie wichtig ist eine Chartpatzierung heute noch?

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