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Kritik an Premierminister Boris Johnson

Kulturorganisationen in Großbritannien fordern Plan für EU-Tourneen nach Brexit

News von Karla Gojan
veröffentlicht am 06.05.2021

brexit großbritannien

Kulturorganisationen in Großbritannien fordern Plan für EU-Tourneen nach Brexit

Proteste gegen den Brexit. © John Cameron via Unsplash

Im März versprach Ministerpräsident Boris Johnson, sich um die Probleme britischer Künstler bei Tourneen innerhalb der EU nach dem Brexit zu kümmern. Dennoch gibt es bis dato keinen konkreten Plan. Über 300 britische Kulturverbände kritisieren dies und fordern in einem offenen Brief Lösungsvorschläge.

Mehr als 300 Organisationen und Unternehmen der Kreativwirtschaft in UK haben den offenen Brief der Incorporated Society of Musicians an Premierminister Boris Johnson unterschrieben. Denn die Zeit drängt: Ein Ende der Pandemie ist in Sicht und damit auch eine Aufhebung aller Hygieneregeln, was mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs einhergeht.

Doch Lösungen bezüglich internationalem Touring innerhalb der EU gibt es immer noch nicht und die  durch den Brexit verursachten Hürden belasten das in normalen Zeiten lukrative Konzertgeschäft britischer Künstler in Kontinentaleuropa und Irland.

Keine Fortschritte erkennbar

"Führungskräfte in unserer Branche haben zahlreiche Treffen mit Beamten abgehalten, bei denen wir eine Reihe praktikabler Lösungen vorgestellt haben. Wir sind jedoch äußerst besorgt über die mangelnden Fortschritte, die in den letzten drei Monaten erzielt wurden, um den Berg an Bürokratie zu entwirren, mit dem die Kreativbranche jetzt konfrontiert ist." heißt es in dem Brief.

Reibungslose Abläufe und Mobilität für den Kultursektor seien durch den mangelnden Fortschritt stark gefährdet, wenn der Tournee- und Konzertalltag für Künstler und Kulturschaffende wieder zur Realität wird.

Handlungsbedarf in vier Punkten

Der offene Brief schlägt deshalb einen Vier-Punkte-Plan zur Behebung der Probleme vor, der einens Handlungsbedarfs noch vor Pandemieende bedarf.

Von den Unterzeichnern wird folgendes gefordert:

  • Ein mit der EU verhandeltes Abkommen zur Befreiung von der Visumpflicht für den Kreativsektor, das alle Kreativschaffende und kreative Berufe abdeckt
  • Abkommen mit wichtigen EU-Mitgliedstaaten, die keine Ausnahmen für Arbeitserlaubnisse für Kulturschaffende aus Drittländern anbieten, bzw. mit Schlüsselstaaten, die für die britische Kreativbranche die größte finanzielle Tragkraft darstellen
  • Bereitstellung eines Notfallfinanzpakets zum Ausgleich zusätzlicher Kosten, denen britische Künstler und Kulturschaffende nach dem Brexit bei der Arbeit in Europa ausgesetzt sind (z.B. Kosten durch Visa)
  • nachteiligen Auswirkungen der neuen Vorschriften für Logistik-Transporte und Cross-Trade verringern, um Veranstaltern europaweite Tourneen ihrer Künstler wieder zu ermöglichen

Zeitpuffer nicht genutzt

Zwar wurden diese Forderungen bereits mehrfach angebracht, dennoch besteht durch den wachsenden Zeitdrucks Grund zur Sorge bei den Unterzeichnern des Briefs, dass die Regierung um Boris Johnson nicht rechtzeitig handelt.

Möglichkeiten hätte es durch den durch die Pandemie verursachten Puffer und das mit der EU vereinbarte Handelsabkommen zur Genüge gegeben.

Negative Auswirkungen nicht nur für Künstler

Ohne eine Möglichkeit für Tourneen ohne Visum müssen sich britische Künstler und Unternehmen, die in der EU Konzerte spielen möchten, mit den Visa- und Genehmigungsanforderungen jedes einzelnen EU-Mitgliedstaats auseinandersetzen, was nicht nur eine Menge Papierkram, sondern auch zusätzliche Kosten mit sich zieht.

Folge hiervon könnten kommerziell nicht mehr rentable Touren sein, die sich nicht nur auf die Einkommen beteiligter Künstler und Arbeitnehmer der Branche auswirken, sondern auch Negativfolgen in Milliardenhöhe für die britische Wirtschaft per se, an der die Kultur- und Veranstaltungsindustrie jährlich einen enormen Anteil hat.

Nicht gehaltene Versprechen

Trotz des Versprechens der Regierung, dass visumfreies Reisen Teil  des EU-Handelsabkommens sein solle, wurde dies bei der Verabschiedung im Dezember 2020 mit keinem Wort erwähnt.

"Es ist äußerst frustrierend, dass wir trotz Versprechen der Premierministers im letzten Monat, die Krise der Kreativbranche zu lösen, noch keine wirklichen Fortschritte diesbezüglich sehen können", sagt Deborah Annetts, Geschäftsführerin der Incorporated Society of Musicians:

"Die Beseitigung der enormen bürokratischen Hindernisse, die es Musikern und anderen Kreativschaffenden schwer machen, in Europa zu arbeiten, hat jetzt Priorität, da wir nun über das Ende der Pandemie hinausblicken können und auch müssen. Andernfalls gehen Arbeitsplätze verloren und Unternehmen müssen Insolvenz anmelden."

Mit dem Brief wolle man ein deutliches Statement setzen, um deutlich zu machen, dass leere Versprechungen nicht dazu beitragen, Licht ins Dunkle zu bringen und das durch den Brexit verursachte Chaos zu lösen. Ob der Brief die erhoffte Wirkung zeigen wird, bleibt abzuwarten.

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