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Die unterschiedlichen Typen und die typischen Abläufe

Producer vs. Produzent: Machst du Beats oder Bands?

Tipps für Musiker und Bands von Julian Schmauch
veröffentlicht am 21.03.2017

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Producer vs. Produzent: Machst du Beats oder Bands?

Studioszene ("Sound City"). © Andrew Stuart

Wir können alles von zuhause aus machen, oder? Jeden Beat programmieren, jede Gitarre re-ampen, den Gesang im Flur aufnehmen, Songs selbst mischen und ein Album selbst veröffentlichen. Sind Produzenten dann noch wichtig und welche Aufgaben haben sie bei der Entstehung eines Albums? Wozu braucht man dann überhaupt noch einen Produzenten?

Ganz wichtig vorab: es geht im folgenden nicht darum, Beat-Produzenten klein zu reden oder Albumproduzenten zu glorifizieren. Es geht darum, dass durch das "Alles-selber-machen-können" die Grenzen zwischen den Arbeitsschritten und beteiligten Personen zunehmend verschwimmen. Die Gegenüberstellung von Producer und Produzent soll zur besseren Unterscheidung dienen.

Ein kleiner Trip durch die Entwicklungen der Musikproduktion der letzten Jahrzehnte

Bevor die große Welle der zu Hause oder in Projektstudios produzierten Tracks im Techno und im HipHop der 80er und 90er den Produzenten ins Rampenlicht rückte, stand dieser meist im Hintergrund einer Albumproduktion. Es gab einige wenige Namen wie George Martin, Phil Spector oder Quincy Jones, die man über Fachkreise hinaus kannte, in den meisten Fällen aber waren es die Acts selbst, die für ihre Musik bekannt waren.

Als Anfang der 90er Dr. Dre aufkam und Künstlern wie Snoop Dogg und Eminem seinen Stempel aufdrückte, wurde auch über die HipHop-Szene hinaus klar, dass sich die Rolle des Produzenten stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken würde. Ein Produzent war plötzlich nicht mehr nur der Aufnahmeleiter, sondern aktiv am kreativen Prozess beteiligt. Sein Name war für viele ein "Sound" und eine "Marke". Schaut man heute in die verschiedenen EDM-Genres, so sind zum Beispiel Skrillex, Diplo oder The Chainsmokers nicht nur als Künstler, sondern genauso als Produzenten bekannt.

Und klar gibt es sie, die Genies, die sich selbst produzieren. Musiker wie Prince, Trent Reznor (Nine Inch Nails), Steven Wilson (Porcupine Tree) und Kevin Parker (Tame Impala) werden gerne als leuchtende Beispiele heran gezogen. Dennoch hat es sehr gute Gründe, dass die meisten Künstler mit Produzenten zusammenarbeiten.

→ Was also macht ein Produzent?

Kurzgesagt: Ein Produzent ist derjenige, der für ein Album – also den Sound, die Trackauswahl und die Arrangements – eine Vision hat. Diese setzt er zusammen mit dem Künstler/der Band um. Am Ende ist es seine Aufgabe, ein kommerziell funktionierendes und klingendes Produkt abzuliefern. Außerdem hält er dem Künstler/der Band den Rücken frei und übernimmt Logistik und Organisation.

George Martin mit den Beatles (

George Martin mit den Beatles ("Beatles for Sale"-Sessions, 1964), © Public Domain Foto

Ein typischer Ablauf einer Produktion:

  1. Vorproduktion.
    Ein oft unterschätzter Teil der Produktion. Wird hier aber viel Arbeit investiert von Künstler und Produzent, läuft der Rest der Produktion viel reibungsloser ab. Die Songs werden arrangiert – es wird also festgelegt, wann welches Instrument in welcher Lage welchen Rhythmus spielt. Tempos und Strukturen werden definiert. Die Dynamik der Parts wird aufeinander abgestimmt und an Übergängen (Breaks, Drumfills und Übergangsakkorde) gefeilt. Ganz wichtig: der Song wird auf den Gesang abgestimmt. Oft ist die für den Song gewählte Tonart zu hoch oder zu tief für die Stimme. Jeder Instrumentalist übt (mit Klick) seine Parts so ein, dass er sie im Schlaf beherrscht, denn Studiozeit ist teuer.
  2. Die Aufnahme.
    Ich zitiere Eric Sarafin, besser bekannt als Mixerman: "Eine Produktion ist die Aufnahme einer Performance eines Arrangements eines Songs". Im Studio geht es vor allem um das Einfangen der Performances. Und das ist unter diesen ungewohnten Bedingungen oft ein schwieriges Unterfangen: Alles ist viel deutlicher zu hören als im Proberaum oder auf der Bühne, jeder Fehler, der bei den Proben vielleicht noch unwichtig erschien, kommt ungnädig aus den Kopfhörern. Damit die Musiker sich nicht im Klein-Klein verlieren, ist hier der Produzent als Aufnahmeleiter ganz besonders gefragt. Wichtig ist die Entscheidung ob die Band live einspielt oder Track-by-Track aufgenommen wird. Beides hat Vor- und Nachteile. Wird live eingespielt, kommt die Dynamik der Songs besser zur Geltung aber jeder kleinste Verspieler bedeutet einen erneuten Take. Beim Track-by-Track-Verfahren die Instrumente nacheinander eingespielt, man hat weit mehr Kontrolle über jedes Element, der Song läuft aber Gefahr zu technisch und leblos zu klingen.
  3. Mixing.
    Hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Viele Einsteiger erliegen dem Irrglauben, dass man schlecht klingende Songs im Mixing quasi noch glatt polieren kann. Aber am Ende gilt: Wenn der Song gut ist, die Sounds die richtigen, das Arrangement aufgeräumt und die Performances das Gefühl des Songs vermitteln, mischt sich ein Song fast von selbst. Im Mixing wird die Dynamik des Songs unterstrichen, alle Instrumente gut hörbar gemacht, die Stimme in den Vordergrund gestellt, dem ganzen durch Effekte (Hall, Delay und Mosulation) Glanz verliehen, Störgeräusche und Fehler raus editiert. Das wird meistens von einem eigens dafür angeheuerten Mischer übernommen.
  4. Mastering.
    Damit der Mix auf iPhone-Kopfhörern, Smartphonelautsprechern, Autoradioboxen, Super-HiFi-Anlagen und im Radio immer möglichst gleich gut klingt, wird der finale Stereo-Mix im Mastering noch einmal angeglichen. Und genauso wichtig: die Mixe der Songs eines Albums werden aufeinander abgestimmt, damit der Sound einen roten Faden bekommt. Zwar gibt es über Mastering-Software wie iZotope Ozone und Online-Mastering-Services wie Landr mittlerweile die Möglichkeit das Mastering maschinell erledigen zu lassen, ein erfahrener Mastering-Engineer mit professionell ausgestattetem Mastering-Studio ist aber bisher nicht zu ersetzen.

Zusätzlich übernimmt der Produzent…

  • die Budgetplanung,
  • die Kommunikation mit dem Label,
  • das Anheuern von Studiomusikern,
  • die Auswahl von Mixing- und Mastering-Engineers,
  • die Zeitplanung,
  • und die Songauswahl.

Produzenten-Typen

Ein Produzent kann unterschiedlich stark in eine Produktion involviert sein. Um sich hier zurecht zu finden, hilft eine Unterscheidung von Produzenten-Typen. Eric Sarafin hat in seinem Buch "Zen and the Art of Producing" eine sehr detaillierte Auflistung gemacht, hier einige der wichtigsten:

  1. Der Musiker-/Songwriting-Produzent.
    Kann ein oder mehrere Instrumente spielen und hat Kompositions-knowhow. Wird also im Produktionsprozess vor allem beim Writing Input geben und, falls zusätzliche Instrumente eingespielt werden sollen, diese einspielen.
  2. Der Engineer-Produzent.
    Bringt vor allem einen technischen Background mit. Wird die Aufnahmen nicht nur leiten, sondern den gesamten Aufnahmeprozess auf technischer Seite betreuen. Er wird die Instrumente mikrofonieren, alles verkabeln und den Signalfluss überblicken.
  3. Der Default/Studio-Besitzer-Produzent.
    Entscheidet sich eine Band für ein Studio, um dort Aufnahmen zu machen und bringt keinen Produzenten oder Tontechniker mit, ist meist einfach der Haus-Engineer oder eben Studiobesitzer der Produzent.
  4. Der Hip Hop Produzent.
    Macht Beats. Sucht MCs für Zusammenarbeit. Geht an Agenturen und Listings heran, um seine Beats zu verkaufen.
  5. Der Selbst-Produzent.
    Schreibt die Songs, leitet die Aufnahmen, spielt alle Instrumente ein, programmiert alle Synthesizer und Drums.
  6. Der Hybrid-Produzent.
    Vereint mehrere der genannten Rollen.

Was bedeutet das für uns? Auf jeden Fall erst einmal, dass es einen großen Unterschied zwischen "einen Beat produzieren" und "ein Album produzieren" gibt.

Verzetteln vermeiden

Je elektronischer und programmierter Songs werden, desto mehr verschwimmen die früher strickt aufgeteilten Rollen, die im Produktionsprozess einer Platte dabei waren. Das kann dazu führen, dass man die Übersicht und den roten Faden zu verliert, sich verzettelt und an Aufgaben scheitert, die man besser delegiert hätte. Alles selbst machen können bedeutet selten alles selbst machen können. Sind euch die verschiedenen Rollen bewusster, fällt es euch leichter, euch an Punkten, wo ihr feststeckt, Unterstützung dazu zu holen.

Die andere Möglichkeit ist, sich anhand einer solchen Abfolge eines Produktionsprozesses besser bewusst machen zu können, wo man gerade steht, warum es gerade hakt, wo man ansetzten kann, um weiter zu kommen. Denn der nächste Prince sitzt bestimmt irgendwo gerade an einem Rechner...

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