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"Wir haben ein sehr vielschichtiges Publikum"

Ralf Binder vom Muffatwerk über Booking, den Livemarkt und die Münchner Mega-Events

Interview von Michael Erle
veröffentlicht am 23.04.2024

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Ralf Binder vom Muffatwerk über Booking, den Livemarkt und die Münchner Mega-Events

Blick in die Muffathalle während eines Konzerts. © Muffatwerk

Ralf Binder ist Verantwortlicher für das Musikprogramm und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Muffatwerks in München, das mit Ampere und Muffathalle zwei wichtige Livemusik-Locations betreibt. Wir sprachen über die Rolle des Muffatwerks für die Stadtgesellschaft, aktuelle Trends im Konzertgeschäft und den Einfluss von Großevents auf die Veranstaltungsszene.

Backstage PRO: Hallo Herr Binder, wie ist die Position des Muffatwerks in der Münchner Szene? Worin sehen Sie Ihre Stärken? 

Ralf Binder: Das Muffatwerk ist seit über 30 Jahren ein Ort, an dem sich die Kunst-, Kultur- und Jugendszene im Zentrum ihrer Stadt zuhause fühlen kann und der für viele Künstler und Gäste nicht mehr wegzudenken ist. Speziell in der aktuell aus vielen Gründen angespannten Zeit sehen wir unser spartenübergreifendes Programm, das von der Idee einer multikulturellen, zukunftsorientierten und urbanen Gegenwartskultur getragen wird, als besonders wichtig für unsere Gesellschaft. Das Muffatwerk ist nicht nur für eine bestimmte Szene ein beliebter kultureller Ort, sondern für ein sehr vielschichtiges Publikum. Darin sehen wir eine unserer Stärken. 

Backstage PRO: Die Muffathalle ist im Vergleich zu vielen übrigen Livemusik-Locations in München sehr zentral gelegen, nur einen weiten Steinwurf entfernt vom Marienplatz. Sehen Sie das als Vorteil oder als Nachteil, auch im Hinblick auf die Entwicklung der Verkehrsanbindung? 

Ralf Binder: Sowohl die Lage als auch das Gebäude an sich sind ein absoluter Glücksfall und tragen viel zur Stimmung in der Muffathalle bei. Die zentrale Lage ist natürlich toll, wobei man natürlich die Verkehrsprobleme ansprechen muss. Gäste von außerhalb, die nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, haben ein massives Parkplatzproblem. An anderen Veranstaltungsorten wie dem Zenith oder auch der Tonhalle gibt es ausreichend Parkplätze und das ist gerade für die Leute ein Standortvorteil, die aus dem weiteren Umland kommen.  

Backstage PRO: Wie ist es mit der Logistik? Haut das hin? 

Ralf Binder: Das ist bei uns schon immer ein größeres Problem. Die Anfahrt ist sehr schmal, kurvig und verkehrsreich, also immer eine Herausforderung für die Trucker und Busfahrer, die die Produktionen herbringen. Aber bislang hat es jeder geschafft. 

Backstage PRO: Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit der Stadt für die Muffathalle? 

Ralf Binder: Die Muffathalle erhält von der Stadt einen festen jährlichen Betriebskostenzuschuss, der knapp 20 Prozent unseres Umsatzes ausmacht. Der Zuschuss ist wichtig, weil wir eben auch in einem denkmalgeschützten Gebäude sind und ein bisschen mehr für das Gebäude aufwenden müssen, als wir vielleicht für eine moderne Halle müssten. Jeder Veranstalter hätte natürlich gerne mehr Unterstützung. Es schön, wenn wir auch einen Programmkostenzuschuss erhalten würden, dann könnten wir uns noch ein besseres Programm leisten. Aber wir sind dankbar für das, was wir erhalten und können damit ganz gut arbeiten. 

Backstage PRO: Viele Künstler versuchen ihre wirtschaftliche Basis zu stärken, indem sie besondere Zusatzangebote wie beispielsweise Meet & Greets, VIP-Packages und ähnliches. Wie beurteilen Sie das?

Ralf Binder: Early-Entry, VIP-Packages, Meet & Greet und dergleichen gehören inzwischen zum Konzertgeschäft. Die Veranstalter sind in der Regel nicht daran beteiligt. Wir sind da relativ emotionslos. Das sind Einnahmen, die einfach zu 100 Prozent an den Künstler gehen. Wenn für den Veranstalter ein Aufwand entsteht, durch Personal oder sonstiges, erhalten wir eine Kompensation. Ich finde es ein bisschen seltsam, was für ein Kult da betrieben wird. Aber die Fans mögen es, die Künstler bieten es und letztlich gibt es ja nichts dagegen zu sagen. 

Das Gelände des Muffatwerks von außen

Das Gelände des Muffatwerks von außen, © Muffatwerk

Backstage PRO: Es gibt auch einen Trend zu bestuhlten Events. Wie sind Ihre Erfahrungen damit, wie stehen Sie dazu? 

Ralf Binder: Es gibt in München nicht sehr viel bestuhlte Säle, die man bespielen kann. Das Prinzregententheater, die Isarphilharmonie, die kleinen Säle – und die Muffathalle, aber das war es dann auch schon. Wenn wir eine bestuhlte Veranstaltung durchführen, haben wir die Hälfte der Kapazität, aber sehr ähnliche Kosten. Rein rechnerisch bedeutet das, wir müssten den doppelten Eintrittspreis verlangen, um den Break Even-Punkt zu erreichen. Rein finanziell gesehen sind bestuhlte Konzerte also nicht unbedingt ein Vorteil, aber sie liegen auf jeden Fall im Trend. Viele Künstler wollen bestuhlte Shows und sind daher auch kompromissbereit, was die Gage angeht. 

Backstage PRO: Wie ist die Haltung der Gäste zu bestuhlten Events?

Ralf Binder: Die Gäste möchten sie. Inzwischen ist es sogar so, dass sich die Karten für unbestuhlte Arena-Konzerte schlechter verkaufen als Sitzplatz-Karten. Das gilt auch für Künstler, bei denen man es absolut nicht vermuten würde, Künstler, die Musik machen, zu der man sich bewegt.

Backstage PRO: Wie wählen Sie denn Ihre Künstler aus? 

Ralf Binder: Im Grunde genommen ist es so, dass der Konzertmarkt zwischen den größeren Agenturen weitestgehend aufgeteilt ist. Jeder örtliche Veranstalter hat seine Partner, mit denen er zusammenarbeitet, weil man gegenseitig die Inhalte schätzt oder gut findet. Das ist ein bisschen ein Geben und Nehmen, wobei wir in der Muffathalle schon ein klares Profil haben. Wir lehnen auch eine Band von wirklich engen Geschäftspartnern ab, wenn sie nicht in unser Programm passt. Ansonsten legen wir Wert darauf, dass wir Weltmusik machen, weil es uns einfach wichtig ist, die ganze Welt darzustellen. Das ist kommerziell nicht unbedingt sinnvoll, aber wir finden es einfach wichtig. Auf bestimmte Genre sind wir nicht festgelegt, im Konzertbereich machen wir eigentlich alles, was eine gewisse Qualität hat. 

Backstage PRO: Wie sind die Chancen für kleinere Acts und Newcomer, einen Auftritt im Muffatwerk zu erhalten? Was ist der beste Weg dorthin? 

Ralf Binder: Im Ampere veranstalten wir die Reihe "Munich Rocks!" bei der fünfmal im Jahr jeweils drei lokale Acts bei freiem Eintritt auftreten: Das ist ein gutes Forum für Newcomer Acts. Die Support Slots für lokale Acts sind leider seltener geworden, die meisten Bands sind inzwischen mit Support Acts auf Tour. 

Backstage PRO: Gibt es Formate, die Sie nicht veranstalten? Und welche sonstigen Grenzen gibt es? 

Ralf Binder: Comedy, Kabarett und ähnliches machen wir nicht. Wir veranstalten auch keine Acts, deren politische Aussagen oder deren Einstellung nicht zu unserer passt. Es ist immer noch unsere Bühne, da soll nichts gesagt werden, zu dem wir  oder unsere Mitarbeiter nicht stehen können. Ansonsten ist die Muffathalle natürlich nicht nur ein Konzerthaus, sondern wir machen auch viele Literatur, Theater, Tanztheater, Performance und decken dadurch sehr viele Kulturformen ab.  

Backstage PRO: Das Publikum ist vermutlich auch sehr vielfältig.

Ralf Binder: Für uns ist es wichtig, dass wir ein breites Publikum haben und die ganze Stadtgesellschaft abbilden. Häufig ist es so, dass an einem Tag ein Konzert vornehmlich von Jugendlichen besucht wird und dann am nächsten Tag stehen die Eltern in der Halle. Und an einem anderen Tag kommen beide gemeinsam. 

Backstage PRO: Wie ist denn die Muffathalle wirtschaftlich organisiert?

Ralf Binder: Sie ist von der Rechtsform her eine GmbH. Da wir einen städtischen Zuschuss erhalten, handelt es sich um eine Public-Private Partnership. Aber die Haftung liegt bei der GmbH. Wenn wir am Ende des Jahres ein Minus machen, springt die Stadt nicht ein wie bei einem städtischen Theater.

Backstage PRO: 2024 gibt es in München große Events: Adele und ihre Residency, die großen Konzerte auf dem Königsplatz mit Peter Maffay und Roland Kaiser, das Fanfest der Europameisterschaft mit Ed Sheeran und die AC/DC-Konzerte im Olympiastadion. Beeinflusst das Ihren Betrieb?

Ralf Binder: Auf der einen Seite finde ich es super für München, dass diese ganzen großen Künstler hier spielen. Insgesamt ist es aber so, dass die Menschen nur eine begrenzte Menge an Geld haben. Deshalb machen wir uns ein bisschen Sorgen, wenn so viele große Events stattfinden, weil wir befürchten, dass die kleinen Events hinten runterfallen. Aber es ist nicht immer einfach, einen Grund dafür zu finden, ob mehr oder weniger Karten verkauft werden. Wir haben bis jetzt keine wirklich negativen Auswirkungen bemerkt, aber die Sorge ist definitiv da, ja.

Backstage PRO: Wie ist es auf der Logistikseite, etwa bei der Suche nach Personal? Haben die Großevents eine Auswirkung?

Ralf Binder: Wir haben nach Corona schon Probleme gehabt, also zum Beispiel während der Rammstein-Zeit. Es hat sich jetzt wieder ganz gut eingependelt. Die Planungszeiten sind nach Corona viel länger geworden, auch für das Booking. Wir buchen unser Personal viel früher als vor Corona. Früher war es in München so, dass immer jeder Arbeit gesucht hat, und das ist jetzt durch diese großen Events nicht mehr so. Man muss natürlich planen, aber wir haben Dienstleister und Personal, mit denen wir fest zusammenarbeiten. Die zeigen uns eine gewisse Treue, weil sie wissen: Bei uns gibt es das ganze Jahr Arbeit. Bei Adele gibt es nur Arbeit im August.

Backstage PRO: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Locations

Muffathalle

Muffathalle

Zellstraße 4, 81667 München

Ampere / Muffatwerk

Ampere / Muffatwerk

Zellstr. 4, 81667 München

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