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"Ein rein musikalisches Programm reicht nicht mehr"

Festivaldirektorin Fruzsina Szép über die Premiere des SUPERBLOOM in München

Interview von Doktor Nic
veröffentlicht am 24.03.2023

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Festivaldirektorin Fruzsina Szép über die Premiere des SUPERBLOOM in München

Fruzsina Szép ist Direktorin des SUPERBLOOM Festivals in München. © Christoph Neumann

Das SUPERBLOOM Festival in München feierte 2022 eine ausverkaufte Premiere und wurde prompt bei den European Festival Awards als "Best New Festival" ausgezeichnet. Allerdings stand das SUPERBLOOM auch wegen organisatorischer Probleme in der Kritik. Im Interview spricht Festivaldirektorin Fruzsina Szép über den Zuspruch von Publikum und Kritik, Herausforderungen der Planung, die Bedeutung von Diversität im Line-up und vieles weitere.

Backstage PRO: Was kann ich mir unter dem Berufsfeld "Festivaldirektion" vorstellen. Welche Aufgaben bekleidest du genau und welche delegierst du?

Fruzsina Szép: Als Festivaldirektorin bin ich für das gesamte Konzept verantwortlich und schaue, dass das Festival am Ende so ist, wie wir es uns vorgestellt haben. Ich habe ein großes Team von Expert*innen, die die Ideen vom SUPERBLOM in ihrem Kompetenz-Zentren Wirklichkeit werden lassen. Für sie fungiere ich als Sparringspartnerin und stehe ihnen für jeglichen Austausch zur Seite. Zudem liegt mein Fokus auf der Gestaltung des gesamten Festivals, dazu gehört vor allem das Look & Feel der Veranstaltung sowie die künstlerische und kreative Ausarbeitung, besonders in unseren Experience-Bereichen.

Backstage PRO: Wegen Corona musstet ihr das SUPERBLOOM absagen, was nie leicht ist. Trotzdem könnte es euch zusätzliche Planungszeit gegeben haben. Trifft das zu?

Fruzsina Szép: Das stimmt, das SUPERBLOOM musste pandemiebedingt zweimal verschoben werden. Leicht war es nicht, aber diese zusätzliche Zeit hat uns noch mehr Raum gegeben das Konzept zu verfeinern. Dadurch konnten wir alles, was wir im ersten Jahr vor hatten viel detaillierter planen.

"Wir sind dankbar für das Vertrauen der Besucher"

Backstage PRO: Welche Strategie habt ihr verfolgt, trotz der Ausfälle die Glaubhaftigkeit beim Publikum zu bewahren? Und vielleicht auch bei den Booking-Agenturen?

Fruzsina Szép: Es ging uns allen gleich. Es war nicht einfach, das Festivalgefühl aufrecht zu erhalten und wieder zu aktivieren. Wir waren stetig mit unseren Fans im Austausch, aber niemand wusste, wie das Jahr 2022 für uns startet und ablaufen wird. Die Erwartungen an uns als Veranstalter, aber auch von Seiten des Publikums waren groß – umso schöner war es dann, dass wir zur Premiere des SUPERBLOOM 2022 ausverkauft waren. Für uns war das auch ein Beweis, dass wir mit unserem Konzept richtig lagen. Wir waren unglaublich dankbar für das Vertrauen der Besucher*innen und uns war durchaus bewusst, dass eine ausverkaufte Premiere nicht selbstverständlich ist!

Backstage PRO: Ihr habt die Auszeichnung "Best New Festival" bei der Verleihung der European Festival Awards in Groningen erhalten? Wie ist das Gefühl, quasi so zu starten?

Fruzsina Szép: Wir fühlen uns sehr dankbar und geehrt den "Best New Festival" Award für das SUPERBLOOM 2022 gewonnen zu haben. Es ist ein unglaubliches Gefühl und eine große Auszeichnung von Expert*innen und dem Publikum bewertet zu werden. Wir sind sehr stolz, diesen Award gewonnen zu haben, da in diesem Projekt so viel Herzblut steckt. Es motiviert das gesamte Team sehr und ehrt uns, dass das Konzept so honoriert wurde. Diese positive Energie nehmen wir für das SUPERLBOOM 2023 mit!

"Wir haben uns die Kritik sehr zu Herzen genommen"

Backstage PRO: Bei der Durchführung eures Festivals gab es nicht nur Lob, sondern auch Kritik. Beispielsweise haben Besucher die fehlende oder späte Kommunikation zwischen Festival und Publikum beim Unwetter oder der Schließung des Stadions, also der Hauptbühne bemängelt. Wie habt ihr vor, in diesem Jahr die Krisenkommunikation zu bewältigen? Welche Möglichkeiten gibt es da?

Fruzsina Szép: Wir haben uns die Kritik sehr zu Herzen genommen. Wir konnten aus den Fehlern des letzten Jahres lernen und werden alles dafür tun, die Kommunikation zu verbessern. 

Backstage PRO: Welche Rolle haben die Besonderheiten des Olympiaparks gespielt?

Fruzsina Szép: Mit der Location haben wir letztes Jahr auch ein neues Terrain betreten. Ein Festival dieser Größe auf einem nicht unkomplizierten Gelände durchzuführen, war eine große Herausforderung. Hier mussten wir uns einige Fehler eingestehen. Uns war es in der Kommunikation nach dem Festival wichtig, auch hier transparent zu sein. 

Backstage PRO: Welche Konsequenzen habt ihr gezogen?

Fruzsina Szép: Seit Planungsbeginn für 2023 sind wir dabei, uns nochmal alles genau anzuschauen, was im letzten Jahr nicht reibungslos gelaufen ist und werden, wo wir das Gelände jetzt besser kennen, unsere Vorbereitung entsprechend anpassen und sicher verbessern.

"Man muss auf alles vorbereitet sein"

Backstage PRO: Krisenkommunikation ist sowieso eine der Schwierigkeiten bei Großveranstaltungen. Womit sollte man bei der Veranstaltung eines großen Festivals rechnen?

Fruzsina Szép: Generell muss man sich auf alles vorbereiten, ad hoc reagieren, viele Expert*innen vor Ort haben, die stets bereit sind, flexibel zu reagieren. Dabei ist es wichtig, schnell und lösungsorientiert zu handeln, was bei so vielen Gewerken immer eine Herausforderung ist. Havarie, Force Majeure und Katastrophenfälle bespricht man in der Vorbereitung. Vor Ort muss man sich dann aber individuell auf die Situation schnell einstellen und entsprechende Maßnahmen einleiten. 

Backstage PRO: Werdet ihr für dieses Jahr auch organisatorische Konsequenzen in Hinblick auf den Aufbau des Festivalgeländes ziehen?

Fruzsina Szép: Definitiv. Generell birgt das Gelände durch seine nicht homogene Fläche gewisse Herausforderungen, die wir berücksichtigen müssen – dazu gehören besonders der Einlass, die Produktion im Allgemeinen und die Abgrenzung des Geländes. Außerdem gibt es bei bestimmten Flächen bauliche Begrenzungen, da sie zum Beispiel bzgl. der Belastungsgrenze limitiert sind. Sowas müssen wir in der Planung mitbedenken, was uns regelmäßig fordert. Wir kennen das Gelände aber jetzt besser und wissen, wie sich z.B. Besucher*innen bewegen, wo es spezielle Herausforderungen für die Produktion gibt und wo wir Potential zur Verbesserung sehen.

"Für uns steht die Sicherheit im Vordergrund"

Backstage PRO: Ein Festival in und um ein Stadion zu legen hat schon bei vergangenen Festivals häufig nicht funktioniert. Wie denkst du darüber, welche Herausforderungen, aber natürlich auch Chancen, bildet eure Location?

Fruzsina Szép: Wir sehen unsere Chancen in erster Linie an dem Standort der Location, weil wir hier eine stabile Infrastruktur, eine gelernte Umgebung sowie Veranstaltungsfläche haben. Die Herausforderungen sind hier die gleichen wie bei jeder Großveranstaltung – wenn zu viele Leute zur gleichen Zeit das Gleiche wollen. Für uns steht immer die Sicherheit im Vordergrund, was gewisse Handlungsentscheidungen hervorruft. Das kann dann auch mal zu Unmut und Unverständnis bei den Besucher*innen führen. Etwas zu lernen, sehe ich immer als positiv an.

Backstage PRO: Wie fällt eure Bilanz ansonsten aus?

Fruzsina Szép: Wir freuen uns sehr, dass unser Konzept aufgegangen und sehr gut angekommen ist. München ist ein Top-Standort und der Bedarf nach dieser Art Veranstaltung ist absolut da. Das Olympiagelände ist der perfekte Mix aus Natur und urbaner Umgebung. Wir hatten 2022 ein großartiges Publikum und sind dankbar, dass wir eine so geschichtsträchtige Location und architektonisches Wunderwerk für ein Wochenende in die bunte, facettenreiche Welt des SUPERBLOOM verwandeln können. Es ist wirklich magisch.

"Newcomer sind ein wichtiger Bestandteil des Line-ups"

Backstage PRO: Wie ist eure Booking-Strategie? Welche Rolle spielen Headliner bzw. das Mittelfeld?

Fruzsina Szép: Für uns ist beides extrem wichtig! Das SUPERBLOOM Konzept lebt von dem Mix aus einem guten Headliner Angebot wie auch den Newcomer*innen. Für uns sind alle Künstler*innen, die wir auf dem Festival haben, gleich wichtig. Um das SUPERBLOOM-Konzept mit Leben zu füllen, brauchen wir ein ausgewogenes Line Up aus Headliner, dem Mittelfeld und Newcomer*innen. Damit unser Booking ein gesamtheitliches Konzept ergibt, investieren wir sehr viel Zeit in die Auswahl der Künstler*innen.

Backstage PRO: Wie offen seid ihr für Newcomer? Was sind dort potenzielle Chancen und Probleme beim Booking?

Fruzsina Szép: Newcomer sind ein sehr wichtiger Bestandteil des Festivals, deshalb haben wir mit der NeoNeo- und der Hideway-Bühne gleich zwei Orte auf dem SUPERBLOOM, an denen wir neue Talente fördern. Probleme sehen wir hier nicht, eher die Chance, unser Festival und das Konzept weiterentwickeln zu können.  

"Das Kernteam des SUPERBLOOM besteht aus Frauen"

Backstage PRO: Berücksichtigt ihr auch Keychange-Faktoren, also legt ihr einen besonderen Wert auf Diversität im Lineup?

Fruzsina Szép: Bei SUPERBLOOM buchen wir in erster Linie Acts, die zum künstlerischen Gesamtbild des Festivals passen. Hierbei berücksichtigen wir immer Vielfalt und Diversität, nicht nur bei musikalischen Acts, sondern auch bei allen anderen künstlerischen Beiträgen wie Podcast, Tanz, Panels und Performances auf dem Festival. Unser Ziel ist es aber immer, das Programm so vielfältig wie das gesamte Festivalkonzept zu gestalten und das nicht nur auf, sondern auch hinter der Bühne. Im Kernteam und den leitenden Positionen findet man bei SUPERBLOOM tatsächlich vornehmlich Frauen.

Backstage PRO: In einem früheren Interview sprichst du über deine Rolle als Frau in der Musikbranche. Was rätst du vor allem jungen weiblichen Talenten, die sich in der Branche behaupten oder etablieren möchten.

Fruzsina Szép: Persönlich thematisiere ich das nicht – aber die anderen scheint das sehr zu interessieren. Ich würde sagen, dass man sich dem Job am Anfang mit offenen Augen und einem offenen Herzen annähern muss. Man sollte immer respektvoll mit anderen umgehen, stressresistent und ausdauernd sein. Man muss nicht von Anfang an perfekt sein, deswegen muss man für sich selbst den Druck rausnehmen. Letztendlich sammelt man ständig Erfahrung, die einem für die Zukunft von Nutzen sein kann. Daher ist es auch ok, Rückschläge zu erleben.

"Die Festivalbesucher wollen ein ganzheitliches Konzept"

Backstage PRO: Abschließend die obligatorische Frage: Wie schätzt du die Zukunft der Festivals ein? Damit habe ich vor allem das Phänomen im Hinterkopf, dass Festivals mehr und mehr Programm außerhalb der Musikbühnen anbieten müssen, um attraktiv zu bleiben, was ihr ja tut.

Fruzsina Szép: Um ehrlich zu sein, ist das für mich keine "Zukunftsmusik", sondern ein "alter Hut". Seit ich bei großen Festivals mitwirke, baue ich diesen Bereich aus. Das war beim Sziget Festival und auch beim Lollapalooza Berlin schon so. Beim SUPERBLOOM war das bereits in der Konzeptphase ein fester Bestandteil und ich habe sogar darauf geachtet, das Programm fast 50:50 zu gestalten. Die Festivalbesucher*innen wollen ein ganzheitliches Konzept mit 360° Erlebnis und da reicht ein rein musikalisches Programm einfach nicht mehr aus.

Backstage PRO: Herzlichen Dank für das Gespräch!

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