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“Die Bands und das Viertel sollen etwas davon haben”

Straßenmusik belebt Fußgängerzone: Michael Dester über sein Festivalkonzept

Interview von Reinhard Goebels
veröffentlicht am 02.08.2019

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Straßenmusik belebt Fußgängerzone: Michael Dester über sein Festivalkonzept

"In vielen Orten habe ich Straßenmusik bisher nicht wahrgenommen" – Michael Dester. © Portrait Michael Dester, LU-Straßenschild von Nickolai Kashirin via flickr, Montage MKB

Am 17. August 2019 findet zum ersten Mal das Ludwigshafener Straßenmusikfestival statt. Wir sprechen mit Veranstalter Michael Dester vom Musik- und Kulturverein Klanghaus über Planung, Finanzierung, Chancen und Herausforderungen sowie das Booking über Backstage PRO.

Michael Dester ist zweiter Vorsitzender des Musik- und Kulturvereins Klanghaus in Ludwigshafen am Rhein. Der Verein wurde 1981 gegründet und betreibt klassische Kulturförderung etwa durch die Veranstaltung von Konzerten, die Bereitstellung günstiger Proberäume und die Finanzierung von CD-Produktionen von Vereinsmitgliedern. Das Straßenmusikfestival in Ludwigshafen veranstaltet das Klanghaus in Kooperation mit dem städtischen Kulturbüro.

► Musiker und Bands können sich derzeit auf Backstage PRO für das Straßenmusikfestival bewerben.

Backstage PRO: Du bist in erster Linie in der Gastronomie tätig als einer der beiden Inhaber der Kombüse in Mannheim und des Hausboots in Ludwigshafen. Wie kamst du zum Klanghaus?

Michael Dester: Früher habe ich mit meiner Band bei meinen Eltern im Keller geprobt. Nachdem ich mit 19 ausgezogen bin, wollten sie den Keller jedoch anderweitig nutzen. Auf der Suche nach einem Proberaum kamen wir schließlich zum Klanghaus. Ich bin dann dabei geblieben und mit der Zeit mehr und mehr in die Vereinsrolle hineingewachsen.

Backstage PRO: Du hast jetzt selbst noch eine Band oder?

Michael Dester: Ja, aktuell bin ich Schlagzeuger der Hardcore-Band Spirit Crusher.

“Ich bin ein großer Fan von niederschwelligen Angeboten”

Backstage PRO: Es ist das erste Ludwigshafener Straßenmusikfestival. Wie kam es zu der Idee?

Michael Dester: Die Idee kam dadurch, dass ich ein großer Fan davon bin, Leuten niederschwellige Angebote zu machen, sprich zu sagen: “Das ist etwas für jeden, an einem öffentlichen Ort, an dem sich ohnehin Leute befinden, und der Eintritt ist frei”. Daher habe ich es einfach dem Kulturbüro Ludwigshafen vorgeschlagen. Dort hatte man ohnehin zwischenzeitlich schon mit dem Gedanken gespielt, im Rahmen des Straßentheaterfestivals einen Musiktag anzubieten.

Backstage PRO: Das klingt sehr unkompliziert.

Michael Dester: Ja, der Vorteil vom Hausboot ist natürlich, dass wir uns direkt im Kulturzentrum “Das Haus” befinden, wo auch das Kulturbüro Ludwigshafen seine Räumlichkeiten hat. Wir sehen uns daher sowieso regelmäßig, zum Beispiel beim Mittagessen.

Backstage PRO: Wie sieht die Kooperation mit dem Kulturbüro der Stadt Ludwigshafen aus?

Michael Dester: Veranstalter des Ganzen ist das Klanghaus. Der Kooperationsvertrag mit dem Kulturbüro sichert uns finanzielle Unterstützung zu und natürlich können wir auch auf dessen Know-How zurückgreifen. Da das Kulturbüro regelmäßig in Ludwigshafen plakatieren lässt, können wir diese Infrastruktur nutzen, wenn auch auf eigene Rechnung. Das Kulturbüro unterstützt uns auch bei den Genehmigungen beim Ordnungsamt. Wir kümmern uns um GEMA und dergleichen.

“Mit der GEMA konnte ich mich immer schnell einigen”

Backstage PRO: Seid ihr bereits in Kontakt mit der GEMA?

Michael Dester: Ja, einfach um abzuklären, wie man das möglichst sinnvoll anmelden kann, da es natürlich eine große Fläche ist. Der Eintritt ist zwar frei, doch die GEMA berechnet ja mit Schlüsseln, die mit Festivalgröße und -fläche zu tun haben. Wir sind aber guter Dinge, dass wir da eine praktikable Lösung finden.

Backstage PRO: Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit der GEMA?

Michael Dester: Ob alle Verteilungsschlüssel sinnvoll sind, kann ich nicht beurteilen, aber dass Urheber für ihre Kunst vergütet werden müssen und solch eine Institution daher sinnvoll ist, steht natürlich außer Frage. Ich weiß nicht, ob sie noch wirklich am Puls der Zeit ist, wenn Bands etwa immer noch auf einem Blatt Papier ihre Songs eintragen müssen, inklusive aller Details und Unterschrift. Das könnte man auch langsam digital machen. Da gibt es vieles, das man bestimmt vereinfachen kann, aber ansonsten kann ich mich nicht beschweren. Selbst wenn es mal Unstimmigkeiten gab, wir z.B. etwas zu spät angemeldet hatten, konnte ich mich mit der GEMA bisher immer schnell einigen.

“Die Fußgängerzone ist ein schwieriges Pflaster für Straßenmusiker”

Backstage PRO: Wie sind denn die Auflagen der Stadt Ludwigshafen für ein solches Festival?

Michael Dester: Es gibt generelle Vorgaben z.B. bezüglich der Nachtruhe. Um 22.00 Uhr muss Schluss sein, und bei “Schöner Tag im Freien”, dem anderen Festival, das wir gerade wieder gemacht haben, halten wir uns bereits seit zehn Jahren daran. Das Ordnungsamt prüft, ob eine Genehmigung für das Festival und den Getränkeverkauf vorliegt, aber mehr ist da nicht. Wir hatten noch nie Probleme.

Backstage PRO: Würdest du sagen, Ludwigshafen ist generell ein gutes Pflaster für Straßenmusik?

Michael Dester: Das kann ich leider nicht sagen. Für Straßenmusik ist ja immer auch entscheidend, dass genügend Passanten vorbeikommen. Ich glaube, dadurch, dass sich das Shopping zu großen Teilen aus der Fußgängerzone in die Rhein-Galerie (Anmerkung d. Red.: Großes Einkaufszentrum) verlagert hat, wäre die Fußgängerzone womöglich ein schwieriges Pflaster.

Bezüglich einer Genehmigung wäre es vermutlich kein Problem, bisher habe ich Ludwigshafen bei all solchen Angelegenheiten als sehr kooperativ erlebt. Die Leute freuen sich, wenn etwas passiert und unterstützen gerne dabei. Ein Vorteil von Ludwigshafen sind zudem die relativ kurzen Wege zwischen den einzelnen Akteuren, sowohl räumlich als auch im übertragenen Sinne. Man kommt sehr schnell in Kontakt miteinander.

Backstage PRO: Welche Herausforderungen gibt es bei der Veranstaltung?

Michael Dester: Einige (lacht). Es ist im Moment mehr oder weniger eine One-Man-Operation. Klar habe ich Unterstützung, aber letztendlich muss ich entscheiden: Wie viele Acts werden spielen? Wie komme ich an sie ran? Wo kommen sie her? Wie gestaltet sich die finanzielle Situation? Wie trage ich Sorge dafür, dass genügend Besucher kommen? Es gibt sehr viel zu tun, vor allem im ersten Jahr, wenn man noch keine Ahnung hat, wie es angenommen wird. Im Moment stelle ich mir alles noch relativ entspannt und einfach vor. Ich hoffe, das bleibt so.

“Wir wollen nicht abkassieren”

Backstage PRO: Die Bands erhalten die kompletten Einnahmen aus dem Hut oder dem Koffer. Bekommen sie darüber hinaus noch etwas?

Michael Dester: Da Kunst einen Wert hat, sollen die Bands natürlich auch etwas dafür erhalten. Wir haben im ersten Jahr ein Budget für 20 Künstler, von denen jeder pauschal 100 Euro Antrittsgeld bzw. Aufwandsentschädigung bekommt. Dadurch sind zumindest ihre Anreisekosten gedeckt. Es kann sich natürlich jeder aus Berlin, München oder Hamburg selbst überlegen, ob er dafür nach Ludwigshafen fahren möchte. Da muss man vorher ehrlich sagen: “Es kann sein, dass am Schluss 500 Euro in deinem Hut sind, wenn du gut bist. Es kann aber auch sein, dass es leider nur wenige Leute anschauen.” Es ist ja auch eine Frage des Wetters und so weiter.

Backstage PRO: Finanziert wird das Festival durch das Kulturbüro?

Michael Dester: Ja, wir werden zudem einen Info-, bzw. Getränkestand machen. Die Prinzregentenstraße haben wir uns auch deshalb ausgesucht, da es dort so viele Lokale, Dönerbuden, Pizzerien und Eiscafés gibt. Es gibt sogar einen Pennymarkt an der Ecke. Dadurch können sich die Leute direkt vor Ort eindecken. Wir wollen nicht die schöne Fußgängerzone in Beschlag nehmen und dann abkassieren; auch das Viertel soll etwas davon haben.

“Die Besucher sollen so viele Acts wie möglich sehen können”

Backstage PRO: Wie ist das Festival organisiert? Wo treten die Bands auf?

Michael Dester: Wir wollen in der Fußgängerzone 8 bis 10 Stellplätze markieren. Die Künstler sollen zwei bis drei kürzere Sets an unterschiedlichen Plätzen in der Straße spielen, sodass eben nicht alle direkt am Eingang oder am Ausgang der Straße stehen. Die Besucher sollen die Möglichkeit haben, so viele Künstler wie möglich zu sehen. Es spielen immer vier bis fünf Acts gleichzeitig. Die übrigen Stellplätze werden dann versetzt bespielt.

Backstage PRO: Müssen die Bands ihr gesamtes Equipment selbst mitbringen?

Michael Dester: Wir können leider keinerlei Technik stellen. Wenn jemand einen Ghettoblaster zum Rappen oder einen kleinen Gitarren-Amp mit Batterie mitbringt oder nach vorheriger Absprache von einem Dönerladen Strom abzapft, ist das kein Problem. Der Großteil wird vermutlich akustisch sein.

Backstage PRO: Ist ein Schlagzeug gestattet oder zu laut?

Michael Dester: Ich denke, die meisten werden eine Cajon oder vielleicht ein kleines Cocktailset verwenden. Ein Schlagzeug ist auf jeden Fall gestattet, aber die Bands müssen für sich selbst wissen, ob ihr Schlagzeuger es so spielen kann, dass man mit unverstärkten Akustikgitarren dagegen ankommt.

Backstage PRO: Es gibt auch Schlagzeuger, die können nicht leise...

Michael Dester: Hier sitzt einer (lacht).

“Über Backstage PRO kann man ganz einfach ein buntes Line-Up zusammenstellen”

Backstage PRO: Du hast einige Slots für das Festival bei Backstage PRO ausgeschrieben. Welche Vorteile hat das für dich?

Michael Dester: Ich hatte schon am nächsten Morgen 10 Bewerbungen, mittlerweile sind es knapp dreißig. Man wird so relativ schnell aufmerksam auf Bands, die man noch nicht kannte. Zudem erhält man sehr schnell eine Übersicht, was die einzelnen Künstler machen und welchem Genre sie angehören, sodass man sich auf unkomplizierte Weise ein bunt gemischtes Line-Up zusammenstellen kann und am Ende nicht nur Ed Sheeran-Cover-Acts hat (lacht).

Backstage PRO: Wie gehst du bei der Auswahl der Bewerber vor? Was für Acts sollten sich unbedingt bewerben, welche eher weniger?

Michael Dester: Ich würde gerne schauen, dass es zunächst weitgehend regional bleibt, also etwa in einem Umkreis von 100 km, es sei denn es bietet sich etwas super Interessantes an. Karlsruhe, Mainz, Odenwald und Pfalz, aus diesen Richtungen ungefähr. Ich denke, hier in der Gegend gibt es genug interessante Künstlerinnen und Künstler. Wenn Ed Sheeran selbst käme, würde ich nicht nein sagen, das ist klar (lacht). Ich brauche jedoch keine fünf Leute, die alle “Shape of You” spielen. Prinzipiell kann sich jeder bewerben, egal ob es nun vielleicht alte Blues-Recken sind oder jemand, der Hip-Hop, elektronische Sounds, oder Pop mit deutschen Texten macht.

“Wir wollen lieber klein anfangen und natürlich wachsen”

Backstage PRO: Spielt der Bekanntheitsgrad für dich eine Rolle?

Michael Dester: Wir haben tatsächlich anfangs überlegt, ob wir einen Headliner buchen sollen, der dann abends ein Abschlusskonzert spielt. Die Idee haben wir aber zumindest für dieses Jahr erst einmal verworfen, weil wir lieber klein anfangen und in einem natürlichen Rahmen wachsen wollen, anstatt es gleich groß aufzuziehen, um dann vielleicht zu merken, dass es so nicht funktioniert. Daher spielt der Bekanntheitsgrad keine allzu große Rolle. Das Charmante an solchen Festivals ist ja auch immer, Neues zu entdecken.

Backstage PRO: Ist es bei einem Straßenmusikfestival leichter, mit unbekannteren Acts Erfolg zu haben, als bei Clubshows?

Michael Dester: Ja, denn einen Club besuchen die Leute extra wegen den Bands. Hier werden viele Leute beim Stadtbesuch am Samstagmittag sowieso am Festival vorbeilaufen. Das A und O bei der Straßenmusik ist es, die Leute durch die eigene Musik und Charisma oder weil man etwas ganz Besonderes macht so zu fesseln, dass sie stehenbleiben und idealerweise etwas in den Hut werfen.

Backstage PRO: Das heißt, man muss für Straßenmusik ein Stück weit über andere Qualitäten verfügen, als für Clubshows?

Michael Dester: Ich glaube, die Vermarktung ist eine andere. Als Straßenmusiker möchte man sich möglichst vielen Leuten zeigen, und das funktioniert nur, wenn man auch ständig präsent ist und an möglichst vielen Orten spielt. Ich denke, es geht dabei mehr um das Persönliche. Eine Band hat mehr Möglichkeiten, ihren Erfolg selbst zu pushen, etwa durch gute Musikvideos und Fotos. Gerade ein Straßenmusiker lebt jedoch mehr davon, dass Passanten begeistert sind und Videos davon machen, sodass es sich gewissermaßen natürlich verbreitet. Beide brauchen einen langen Atem.

Straßenmusik ist für mich eher Kleinkunst, man benötigt nichts Großes dafür. Der Aufwand für eine Clubshow ist ein ganz anderer.

“In vielen Orten habe ich Straßenmusik bisher nicht wahrgenommen”

Backstage PRO: Welchen Stellenwert hat die Straßenmusik in Deutschland?

Michael Dester: Ich bin zu selten in großen Innenstädten unterwegs, um wirklich einschätzen zu können, wie gut es funktioniert. Ich habe jedoch das Gefühl, dass Straßenmusik oft sehr an Auflagen und Genehmigungen gebunden ist. Ich kann mir vorstellen, dass die Grenzen zwischen Kunst, Bettelei und Hausiererei für die Verwaltungsebene ziemlich fließend sind.

Vielleicht ist auch nicht jeder von Musik begeistert. Wenn in den Mannheimer Planken in der Weihnachtszeit Bläser oder Streicher von der Musikschule Weihnachtslieder spielen, funktioniert das und wird angenommen. Aber ich finde, es könnten ganzjährig überall auf der Straße Leute sitzen, die Musik machen, auch unabhängig von einem Straßenmusikfestival. Ich kann mir vorstellen, dass das in Berlin oder in Hamburg in diversen Ecken und Vierteln durchaus der Fall ist. In vielen Orten habe ich es jedoch bisher nicht wirklich wahrgenommen.

Backstage PRO: Du meinst, das Problem ist die Bewertung von städtischer Seite, ob es in einem bestimmten Fall nun Bereicherung oder gar ein Störfaktor ist?

Michael Dester: Genau, man will ja gerne auf Verwaltungsebene immer die Kontrolle haben, sagen zu können: “Das ja, das nein”. Würde man es gar nicht regulieren, könnte es auch passieren, dass die ganze Fußgängerzone voller Musiker ist, wenn man Pech hat. Dann gäbe es natürlich irgendwann ein Kuddelmuddel, wenn etwa ein Trommler neben dem Didgeridoo-Spieler säße und auf der anderen Seite jemand Gitarre und dann noch jemand Geige spielen würde. Das klänge dann sehr progressiv (lacht).

Backstage PRO: Danke für das Gespräch!

Personen

michael dester

aus Mannheim

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