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Von der Idee zum Song – Wie aus vier Takten drei Minuten werden

Tipps für Musiker und Bands von Julian Schmauch
veröffentlicht am 01.09.2023

songwriting musikproduktion recording

Von der Idee zum Song – Wie aus vier Takten drei Minuten werden

© Soundtrap

Eine kleine Idee – eine Akkordfolge, ein Melodie-Loop, ein Riff oder ein Beat – ist schnell geschrieben. Wie streckt man das Ganze nun aber auf Songlänge? Wie bricht man aus, erzeugt Spannungskurven und Übergänge, die die Idee auch über drei Minuten tragen?

Wer kennt das nicht als Songwriter/in oder Producer/in: Man hat eine brillante Idee, die Akkordfolge für den Hit, den Beat überhaupt, das Monster-Riff – wie wird daraus jetzt aber ein ganzer Song? Wie erzeugt man Dynamik, Spannungskurven und Übergänge, die die Ursprungsidee auf eine normale Songlänge erweitern? 

Natürlich gibt es je nach Arbeitsweise, ob allein mit Stimme und Akustikgitarre, zu dritt oder viert an Saiten und Drums im Proberaum oder am Rechner mit DAW, ganz unterschiedliche Herangehensweisen beim Ausgestalten. Auch verlangen unterschiedliche Genres unterschiedliche “Schablonen” beim Songwriting und Produzieren. Aber einige Grundlagen lassen sich doch auf fast alle anwenden. 

Arrangieren und Ideen ausgestalten (I): Instrumente schichten

Grundsätzlich kann es beim Weiterentwickeln einer Songidee sehr helfen, diese zu arrangieren. Sprich, man fügt zu einer Akkordfolge, einer Melodie oder einem Loop weitere Elemente wie Drums, Bass oder auch Gesang hinzu. 

Auf diese Weise bricht man zwar noch nicht aus den vier Takten der Songidee aus, aber statt eines Instruments, wie bei der Akkordfolge auf Gitarre oder Klavier, oder der Melodie nur aus dem Synthesizer existieren dann schon drei, vier Elemente. 

Dadurch geschieht das Weiterentwickeln häufig wie von selbst, denn jedes neue Element bietet einen anderen Anknüpfungspunkt. Ein weiterer Vorteil: Dieses Arrangieren geht genauso allein beim Produzieren in der eigenen DAW wie auch mit der Band im Proberaum. 

Arrangieren und Ideen ausgestalten (II): Songstruktur erzwingen

Geht es um das Ausgestalten der Songstruktur, stecken wir Songwriter/innen sowieso alle in Schablonen. Wir alle orientieren uns beim Schreiben von Songs an den Strukturen unserer Lieblingslieder. 

Häufig ist die im Mainstream die verbreitete Struktur Intro-Strophe-Chorus-Strophe-Chorus-Bridge-Chorus (International wird häufiger von Chorus als Refrain gesprochen, auch der häufig im Deutschen als “C-Teil” betitelte Songteil nach dem zweiten Chorus wird meist Bridge oder Middle-8 genannt).

Je nachdem, welche Schablone man anwendet und welche Songs als Orientierung dienen, ist es möglich, sich mit dem Blick auf diese meistens schnell klarzumachen, welche Rolle die Ursprungsidee spielt. 

Fühlen sich die vier Akkorde wie eine Chorus-Idee an? Dann muss alles drumherum reduzierter werden, die Strophe weniger Akkorde und einen anderen Rhythmus bekommen. Erzählt die kleine Melodie eine längere Geschichte, auf die ihr viele Zeilen Text packt? Dann könnte es einen Versuch wert sein, sie als Strophe zu nutzen. 

Standing on the Shoulders of Giants

Aber auch in anderen Genres, egal ob Hip-Hop, Stoner Rock, Prog Metal, Deep House oder Schlager, gibt es für eine typische Liedstruktur meistens relativ enge Vorgaben. Da Songstrukturen weder urheberrechtlich geschützt noch so einzigartig sind, dass ein Nachahmen auffällig wäre, ist mein Rat an alle, die beim Ausgestalten einer Songidee festhängen: Klaut, was das Zeug hält. 

Damit sind natürlich nicht Melodien, sondern Songstrukturen gemeint. Häufig haben Songwriter/innen bei einer eigenen Akkordfolge oder Melodie sowieso eine Referenz im Kopf ("Das klingt, wie…", "Der Rhythmus erinnert an…") Warum nicht also aus der Idee einen ganzen Song bauen, der eine ganz ähnliche Struktur wie die Inspirationsquelle hat? 

Und wen diese Herangehensweise langweilt: Warum nicht mal bei der Songstruktur in anderen Genres wildern? Den Metal-Breakdown mal in einen Country-Song einbauen? Den Dubstep-Drop in sein Jazz-Stück? 

Klingt vielleicht erst einmal ungewöhnlich und unpassend. Aber genau DAS ist dann eure Aufgabe: Wie würde ein Country-Breakdown oder ein Jazz-Drop oder ein Gitarrensolo im Synthwave so funktionieren, dass es zum Song immer noch passt?

Text und Melodie bei Popsongs

Hat man als erste Idee einen Beat mit Loop dahinter oder eine Akkordfolge, also etwas, wo sehr sicher noch die Stimme dazu kommt, kann es sinnvoll sein, genau das als Erstes zu tun. Anstatt die vier Takte mühsam in eine Struktur zu zwängen, oder noch mehr Elemente daraufzupacken, wäre es besser, eine Gesangsmelodie (oft auch "Hook" genannt) zu finden. 

Falls ihr instrumental arbeitet, kann diese Hook auch aus einem Sample oder einem Lead-Synth kommen. Aber sitzt dieser "Haken" erstmal auf eurer Idee und geht euch nicht mehr aus dem Ohr, entwickeln sich die Songstrukturen drumherum oft wie von selbst. 

Eine andere Richtung kann darin bestehen, dass man sich ausgehend von der Ursprungsidee zwingt, nicht nur eine kurze Melodie oder Hook, sondern gleich auch einen ganzen Songtext zu schreiben. Also nicht nur den Text für das kleine Stück Musik, das man bereits geschrieben hat, sondern davon ausgehend gleich die ganze Geschichte.

Loop-basierte Genres: Hip Hop und Techno

Beatmaking fängt meist mit einem Sample an, ob nun aus einem Song entnommen oder selbst als Loop produziert. In den meisten Fällen kann man davon ausgehen, dass dieses sich wiederholende Sample fast den ganzen Song hindurch laufen wird.

Die Herausforderung besteht darin, mit vielen kleinen Veränderungen, kurzen Pausen, veränderten Drums und anderen Elementen das Gerüst, auf dem dann Rap oder Gesang sitzt, im Kleinen abwechslungsreich zu gestalten. 

In den unzähligen Spielarten des Techno wieder gibt es oft ganz andere, viel längere Spannungsbögen. Drums, Bass und Synthesizer spielen oft vermeintlich das Gleiche über viele Takte. 

Hört man aber genauer hin, sind die Veränderungen oft nur subtiler, nicht so plötzlich wie im Rock oder Pop. Da öffnet sich ein Filter über 16 Takte, langsam kommt eine Hihat dazu, die Drums setzen minutenlang aus, nur um wieder loszubrechen. 

Rock und Metal – Riffs, Breakdowns und Soli

Bei Genres wie Rock, Punk und den vielen Subgenres des Metal fängt es meistens mit einem Riff, also einer Art Gitarrenmelodie an. Häufig wird das Riff in Songs dieser Genres tragendes Element im Intro und im Chorus. 

Hier kann es wie im Pop sehr sinnvoll sein, früh die Entwicklung der Gesangsmelodie einzubeziehen. Denn so wird schneller die Geschichte klar, um die herum der Song gebaut wird.

Wie arbeitet ihr?

Wie geht ihr ans Songwriting und Produzieren, wenn es um die Ausgestaltung und das Öffnen einer Ursprungsidee geht? Wie stark ist der Einfluss eurer Lieblingsbands auf das Arrangement und die Struktur eurer Songs?

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