Entscheidungen gefordert
BDKV-Präsident Michow: "Viele Veranstalter halten nur noch bis Ende August durch"

Pascal Funke und Prof. Jens Michow - die beiden Vorsitzenden des BDKV. © Daniel Braun
Gegenüber der Süddeutschen Zeitung beschreibt Michow, Präsident des BDKV, die Gefahren für die von kleinen, mittelständischen Unternehmen dominierte deutsche Live-Branche in Zeiten des weitreichenden Veranstaltungsverbots durch die Corona-Krise wie folgt:
"Viele kleinere Veranstalter sagen, dass sie bis Ende August durchhalten. Sollten die Herbsttourneen ausfallen, werden ganz sicher einige von ihnen zahlungsunfähig. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es 20 bis 25 Prozent der Veranstalter treffen könnte. Das bisher so vielfältige Kulturangebot wird darunter sehr leiden."
Michow hofft daher, dass die aktuellen Schließungen ab September gelockert werden, wenngleich Veranstaltungen wohl bis Ende des Jahres auf 1000 Besucher/innen begrenzt bleiben. Schon bis Ende Mai werden etwa 80.000 Konzerte abgesagt werden müssen.
Gravierende Unsicherheiten
Besonders problematisch ist laut Michow die derzeitige Unsicherheit bei der Definition von Großveranstaltungen: Nach aktueller Entscheidung der Bundesregierung sind Großveranstaltungen noch bis Ende August 2020 verboten; die genaue Regelung, was eine Großveranstaltung ist, obliegt jedoch den Ländern, die bisher wiederum noch keine Details veröffentlicht haben. Michow kritisiert diese Informationspolitik scharf:
"Wir Veranstalter haben absolutes Verständnis dafür, dass Veranstaltungen momentan nicht in gewohnter Form stattfinden können. Aber es besteht mangelnde Transparenz darüber, was verboten ist. Trotz allem Respekt vor dem Föderalismus würde ich mir wünschen, dass hier der Bundesgesundheitsminister Entscheidungen an sich zieht. Solange sich die Länder nicht einigen, hängen wir in der Luft."
Unsicherheit gibt es jedoch nicht nur bei der Definition von Großveranstaltungen, sondern auch bei der Frage, ob und wann eigentlich Veranstaltungen bis 1000 Gäste wieder stattfinden dürfen – und unter welchen Bedingungen:
"Wir hören aus der Politik nur, dass dann Hygienevorschriften eingehalten werden müssen. Wenn aber zwischen zwei Besuchern immer eineinhalb Metern Platz sein muss, dann kann man nur jeden dritten Platz besetzen. Man müsste also für ein Konzert mit eintausend Besuchern eine Halle für drei- bis viertausend mieten. Das rechnet sich nicht und lässt sich nicht durchführen.
Verbände fordern Rettungsfonds
Noch ist Unterstützung der Veranstalterinnen und Veranstalter durch die Politik daher unverzichtbar. Michow schlägt die Einrichtung eines Hilfsfonds in Höhe von 579,5 Millionen Euro ein; zehn Prozent des geschätzten Umsatzverlustes für die gesamte Musikwirtschaft. Denn die bisherigen Hilfen erreichen die Geschädigten oft nicht oder nur mit Einschränkungen:
"Die Hilfsangebote passen für Veranstalter leider nur in Ausnahmefällen. Zum Beispiel die Kreditangebote: Die Gewinnmargen im Konzertgeschäft betragen durchschnittlich nur sieben bis acht Prozent der Einkünfte vor Steuern. Davon lässt sich nicht seriös ein Kredit aufnehmen, wie nun vorgeschlagen wird.
Und von 9000 Euro Soforthilfe lassen sich vielleicht hier und dort Mieten, aber doch keine Schäden kompensieren. Und schon gar nicht reichen sie für die Zahlung der Mitarbeiter, die wir auch nicht in Kurzarbeit schicken können. Denn die Veranstalter brauchen momentan paradoxerweise sogar mehr Personal als üblich für die Rückabwicklung der ausfallenden Konzerte."
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