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Nachhaltige Stabilisierung der Branche?

Bundesregierung führt neues Hygienezertifikat für Kulturorte ein

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 21.09.2022

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Bundesregierung führt neues Hygienezertifikat für Kulturorte ein

Claudia Roth. © Grüne im Bundestag, S. Kaminski

Mit einem neuen Hygienezertifikat will die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Kulturveranstaltenden und Betreiber/innen von Kultureinrichtungen ein Mittel an die Hand geben, mit dem diese die Einhaltung fundamentaler Hygiene- und Lüftungsmaßnahmen nachweisen können.

Veranstalter/innen und Clubbetreiber/innen können das Hygienezertifikat ab dem 15. September 2022 beantragen; das Dokument wird dabei von der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft (DTHG) vergeben. Es bestätigt, dass in der entsprechenden Einrichtung die Hygienevorgaben eingehalten werden und das Risiko aerosolbasierter Infektionen – etwa mit COVID-19 – gering ist.

Hier findet ihr die Website zur Zertifizierung der DTHG!

Sichtbare Qualifikation

Laut Bundesregierung richtet sich das Zertifikat in erster Linie an Kulturveranstaltungsorte mit sitzendem Publikum wie Theater, Konzert- und Opernhäuser sowie Kinos. Die Locations können nach erfolgreicher Prüfung mit einer Urkunde und einem Logo ihre erfolgreiche Zertifizierung nachweisen. 

Neben dem DTHG sind laut Bundesregierung auch andere Anbietende von Zertifizierungsleistungen unter Anwendung des zugrundeliegenden bundesweit einheitlichen Prüfreglements in der Lage, die Zertifikate auszustellen. 

Studienbasiert

Das Zertifikat baut auf auf bundesweit einheitlichen Handlungsempfehlungen für Hygiene- und Lüftungsmaßnahmen, die von Wissenschaftler/innen sowie Branchenvertreter/innen auf Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, und unter Mitwirkung des Umweltbundesamtes erarbeitet wurden.

Die Empfehlungen basieren auf Studienergebnissen, nach denen Kulturveranstaltungsräume
auch in einer andauernden Pandemie so betrieben werden können, dass das Infektionsrisiko in ihnen minimal ist. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein – darunter eine leistungsfähige Lüftungsanlage, ausreichender Abstand und das Tragen von Masken.

Energieeinsparungen möglich

Ein Pilotprojekt der DTHG in Nordrhein-Westfalen zeigt außerdem, dass das Prüfverfahren zu einer Sensibilisierung für erforderliche Lüftungszeiten geführt hat. Somit könnten bis zu 50 Prozent des Strom- und Wärmeverbrauchs eingespart werden, ohne die notwendige Lufthygiene zu gefährden – ein gerade derzeit nicht unwichtiger Faktor.

Staatsministerin Claudia Roth stellte für das Zertifizierungsverfahren aus dem Rettungs- und Zukunftspaket Neustart Kultur Gelder in Höhe von bis zu 6 Mio. Euro zur Verfügung, sodass der Prozess für die Einrichtungen grundsätzlich kostenlos bleibt. Sie lobte die vorbildlichen Hygienekonzepte, die Kultureinrichtungen seit Beginn der Pandemie entwickelten.

"Kultureinrichtungen waren von den zur Pandemiebekämpfung ergriffenen Maßnahmen in besonderem Maße betroffen. Daher freue ich mich, dass das neu eingeführte Zertifikat diese Bemühungen honoriert. Damit leisten wir einen Beitrag zur nachhaltigen Stabilisierung der Branche."

Aus dem Beitrag auf der Website der Bundesregierung geht hervor, dass Veranstaltende und Spielstätten auch in der Lage sein sollen, die notwendigen Schritte für die Zertifizierung selbst durchzuführen. Die Selbstprüfung soll durch eine digitalisierte Checkliste auf der Webseite der DTHG erfolgen, die den Usern in Form eines Online-Formulars zur Verfügung gestellt wird.

Vertrauen in Kultureinrichtungen soll zurückgewonnen werden

Inwiefern das Zertifikat Menschen zurück zu kulturellen Einrichtungen führen soll, erklärt Wesko Rohde, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der DTHG:

"Das hier vorgelegte Zertifizierungsverfahren soll schnelle und verbindliche Informationen an die Betreibenden von Theatern, Kinos und vergleichbaren Spielstätten geben. Als praxisnahes Werkzeug soll es das Vertrauen in die Spielorte der Kultur wiedergewinnen helfen und die Sicherheit der Orte mit spezieller Expertise nachweisen und der Öffentlichkeit kenntlich machen."

Auch Direktor und Professor im Umweltbundesamt Dr. Heinz-Jörn Moriske meint, dass es mit den vorgelegten lufthygienischen Prüfungen und -Zertifikaten gelingen werde,

"Kultureinrichtungen auch bei eventuell weiter steigenden Infektionsfallzahlen im Verbund mit anderen Schutzmaßnahmen im Herbst und Winter geöffnet zu halten und dem Publikum ein sicheres Gefühl beim Besuch der Einrichtungen zu geben."

Fragwürdiger Nutzen

Ob das Zertifikat der Veranstaltungsbranche wirklich helfen wird, glimpflich durch ein erneutes Corona-Hoch zu kommen, wird sich zeigen. Auf die nach dem neuen Infektionsschutzgesetz möglichen Corona-Maßnahmen hat eine Zertifizierung jedenfalls keine Auswirkungen. Auch die sowieso immer stärker gefährdeten Spielstätten ohne Bestuhlung – darunter auch Clubs und Diskotheken – werden nicht bedacht. 

Das Ziel besteht offenkundig hauptsächlich darin, dem Publikum ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Insofern stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Zertifikat um mehr handelt als um reine Symbolpolitik.

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