Ein Prozess mit Folgen
Dembow-Streit: Reggae-Duo klagt gegen Reggaeton-Größen Luis Fonsi, Daddy Yankee und El Chombo
Daddy Yankee und Luis Fonsi (2017). © Omar Cruz
Ob "Despacito" (Luis Fonsi/Daddy Yankee) oder "Gasolina" (Daddy Yankee) – die internationale Popularität von Reggaeton lässt sich nicht kleinreden. Der Latin- und Reggaeton-Künstler Bad Bunny belegte sogar für ganze drei Jahre den Platz des meistgestreamten Musikers auf Spotify.
Streitpunkt Dembow
Der typische Reggaeton-Beat basiert auf dem sogenannten "Dembow"-Rhythmus, der wiederum auf den Song "Fish Market" des Duos Clevie & Brown – bestehend aus Cleveland "Clevie" Browne and Wycliffe "Steely" Johnson – basiert. "Fish Market" aus dem Jahr 1989 gilt als erstes Werk mit dem Dembow-Rhythmus.
Umfassende Klageschrift
Nun klagen Browne und die Nachlassverwalterinn Johnsons gegen Luis Fonsi, Daddy Yankee und El Chombo – drei der aktuell wohl populärsten Reggaetonmusiker – wegen der Verwendung des Dembow-Rhythmus in ihren Songs. Darüber hinaus verlangen die Klagenden eine Gewinnbeteiligung an den Songs der drei Musiker (Klageschrift als PDF).
In der Anklage werden 56 Werke von Fonsi, Daddy Yankee und El Chombo genannt, darunter der Hit "Gasolina" und "Despacito". Bei diesen Songs handele es sich um unrechtmäßige Interpretationen des Rhythmus' von "Fish Market". Auch die an den Songs beteiligten Künstler und Co-Autoren sind von der Klage betroffe, darunter u.a. Justin Bieber, der auf einem Remix von Despacito singt.
Browne und Anika Johnson, die mit Wycliffe Johnsons Nachlass beauftragt ist, klagen Fonsi, El Chombo und Daddy Yankee an, die Verwendung des Dembow-Rhythmus in den genannten Songs nie offiziell lizenziert zu haben – wie dies beispielsweise bei dem 1990 von Shabba Ranks veröffentlichten Song "Dem Bow" geschehen sei. Dieser verwende Steely & Clevies Rhythmus und nenne diese entsprechend als Co-Autoren.
Weitreichende Auswirkungen
Da die Klage gegen die drei Musiker in Kalifornien eingereicht wurde, greift das US-Recht. Nach diesem sind Rhythmen nicht prinzipiell urheberrechtlich geschützt, sondern nur dann, wenn sie nachweisbar "weitgehend einzigartig oder originell" sind – die Klage ist also mit viel Interpretationsspielraum verbunden.
Wenig verwunderlich verneinen die Anwälte von Luis Fonsi bereits jetzt, dass Teile von Fish Market nach dem US-Recht originell oder schützenswert seien.
Ein Sieg von Steely & Clevie vor Gericht könnte weitreichende Folgen für die derzeitige Musiklandschaft haben, schreibt der Guardian: Die aktuelle Popmusik hat sich in den letzten Jahren immer wieder an lateinamerikanischer Musik orientiert. Sollte das Gericht den Klägern Recht sprechen, würde sich dies also deutlich auf unzählige aktuelle Songs mit Dembow-Rhythmik auswirken.
Bruch mit der Tradition
Der Guardian-Artikel führt weiter aus, dass Sampling eigentlich eine lange Tradition in Jamaika und Lateinamerika habe und normalerweise nicht geahndet würde – was jedoch auch mit der ursprünglich geringen Popularität zusammenhinge.
Insofern, als die steigende Beliebtheit von Reggaeton in den vergangenen Jahren auch zu steigenden Einnahmen und einem steigenden Wert des Genres als solches geführt habe, sei es jedoch an der Zeit, die bisherigen Sampling-Traditionen zu hinterfragen. Während Stars wie Luis Fonsi oder Daddy Yankee Millionen mit der Verwendung des Dembow-Rhythmus verdienten, gingen die ursprünglichen Musiker – in diesem Fall Browne und Johnson – leer aus.
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