Publikum nimmt Schutzmaßnahmen gut an
Der Abschlussbericht des Modellprojekts "Back to dance" in Hannover macht Hoffnung
Öffnunfsperspektive coronakrise liveszene
© Louis Comar via Unsplash
An vier Tagen vom 18. Juni bis 4. Juli 2021 fand in Hannover das Modellprojekt "Back to dance" als eine Reihe von Open Air Tanzveranstaltungen mit DJanes und DJs aus dem Electro-Bereich statt.
Dabei wurden verschiedene Coronaschutzmaßnahmen und deren Akzeptanz bei dem Publikum getestet. Zu den variierenden Veranstaltungsparametern zählten Personendichte, Maskenpflicht und Alkoholausschank.
Eine soziale Studie
Das Gesundheitsamt Hannover gab hinsichtlich der infektiologischen Auswertung bereits im Juli bekannt, bei der Nachtestung keine neuen Infenktionsfälle festgestellt zu haben. Das universitäre Forschungsteam war jedoch vielmehr an einer sozialwissenschaftlichen Fragestellung interessiert: "Wie nehmen Besuchende das Erlebnis unter pandemischen Bedingungen wahr?"
Der Schwerpunkt der begleitenden Untersuchung lag vor allem auf der hohen sozialen Funktion von Tanzveranstaltungen, die die Regierung bei der Reevaluierung der Coronaschutzverordnungen hinsichtlich der Kulturpolitik notwendig berücksichtigen muss. Im Abschlussbericht erläutert Timon Ahlborn, Leiter der qualitativen Forschung, die Relevanz dieses Anliegens:
"Im Grunde geht es um die Herstellung eines Gleichgewichts im Leben zwischen Pflichten und Aufgaben von Lohnarbeit und Studium, und den kollektiv erfahrenen, entlastenden und befreienden Momenten. Tanzveranstaltungen haben im Leben der Interviewten einen festen Platz: Um das Leben erträglicher und lebenswerter zu machen."
Feiern mit Fragebogen
Für die Teilnahme mussten alle Interessierten unmittelbar nach dem Ticketkauf eine Online-Umfrage ausfüllen. Ferner waren für den Zutritt der Personalausweis, ein 3G-Nachweis sowie ein offizieller Nachweis eines negativen Antigen-Tests erforderlich, der höchstens 12 Stunden alt sein durfte.
Vor Ort verwendeten die Veranstaltenden bei drei der vier Veranstaltungen digitale Anwendungen zur Datennachverfolgung. Fünf Tage nach dem jeweiligen Termin sollten alle Festival-Besuchenden das Ergebnis ihrer Nachtestung melden und anschließend wieder an einer Umfrage teilnehmen. Darüber hinaus führte das Forschungsteam jeweils vier persönliche Interviews pro Event durch.
Vier Szenarien bei vier Terminen
Am 18. Juni fand das erste Tanzevent verkürzt von 19 bis 22 Uhr ohne Datennachverfolgung, dafür aber mit Maskenpflicht statt. Die nächsten drei Veranstaltungen dauerten bereits fünf Stunden, sodass die Gäste zwischen 17 bis 22 Uhr ohne Masken und Abstandsregelungen tanzen konnten. Dabei waren am 2. Juli die Benutzung der Luca App obligatorisch und der Alkoholausschank untersagt.
Auffällig ist, dass sich für die ersten beiden Veranstaltungen nur halb so viele Personen angemeldet hatten. An den folgenden Terminen, am 3. und 4. Juli waren jeweils etwa 600 Teilnehmende anwesend, deren Daten mittels der browser-basierten Anwendung recover erfasst wurden. Grund dafür ist wahrscheinlich die Publikumswahrnehmung der jeweiligen Coronaschutzmaßnahmen.
Hohe Akzeptanz, aber Kritik im Detail
Die Umfrage ergab, dass alle Besuchenden aufgrund der 3G-Regel ein Gefühl der Sicherheit hatten. Zugleich bestand hohe Bereitschaft zur Durchführung von Schnelltests. Vollständig geimpfte Teilnehmende hatten weniger Verständnis für die obligatorische Antigen-Testung vor dem Veranstaltungsbesuch.
Ferner empfanden die Gäste die Maskenpflicht angesichts der Eintrittsbedingungen als überflüssig und bei einer Veranstaltung mit physischer Aktivität als fragwürdig. Auch die Luca-App war nicht sonderlich beliebt, weshalb das Forschungsteam nahelegt, bei einem digital versierten Publikum auf andere Anwendungen zurückzugreifen.
Nicht zuletzt bemängelten die Teilnehmenden die Beschränkung der Tanzdauer auf maximal sechs Stunden bis 22 Uhr. Darüber hinaus schätzte ein Gast die abrupte Auflösung der Partymenge sogar als gefährlich ein. Wenn es anschließend kein organisiertes Angebot gebe, steige die Gefahr von privaten Feiern ohne Hygienekonzept.
Positive Erfahrungen
Unabhägig vom Alkoholkonsum wurden keine Festivalgäste durch Missachtung der Coronaschutzverordnungen auffällig.
Zudem war ein Awareness-Team vor Ort, um belästigte oder überforderte Personen zu betreuen. Es gab jedoch nur positive Erfahrungsberichte und angenehme Erinnerungen bei rückblickenden Betrachtungen. Daraus schlussfolgert das Forschungsteam:
"Die Steuerung des Alkoholkonsums scheint daher kein geeignetes Instrument zur Einhaltung der Maßnahmen zu sein, vielmehr stellt die konsequente Überprüfung der Zugangsvoraussetzung von 3G, ein qualifiziertes Ordnungspersonal sowie eine Awareness-Struktur für Open-Air Veranstaltung die Möglichkeit dar, ein sicheres und trotzdem intensives Erlebnis zu erschaffen."
Den vollständigen wissenschaftlichen Abschlussbericht findet ihr hier.
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