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Ehrwürdige Auszeichnung oder nur ein teures Vergnügen?

Deutscher Rock & Pop Preis 2014: Programm und Rahmenbedingungen des Nachwuchswettbewerbs

Spezial/Schwerpunkt von Patrick Unrath
veröffentlicht am 10.12.2014

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Deutscher Rock & Pop Preis 2014: Programm und Rahmenbedingungen des Nachwuchswettbewerbs

Im Laufe der Jahre kamen einige prominente Namen zusammen: Zu den Ehrenpreisträgern und Finalisten des Deutschen Rock & Pop Preises zählen Rudolf Schenker, Fools Garden (Foto), Yvonne Catterfield u.v.a.m. © Bildquelle: Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V.

Am 13. Dezember 2014 wird im Kongresszentrum Siegerlandhalle in Siegen zum 32. Mal der Deutsche Rock & Pop Preis verliehen. Nominiert sind Künstler in acht Haupt- und zahlreichen weiteren Kategorien. Wir zeigen was ansteht und werfen auch einen Blick auf die Rahmenbedingungen.

[Text: Patrick Unrath und Markus Biedermann; Bildmaterial: DRMV]  

In Deutschland gibt es längst viele Contests für Newcomer und semi-professionelle bis professionelle MusikerInnen. Eins haben alle gemeinsam: den Wettbewerbscharakter. Hier reiht sich auch der Deutsche Rock & Pop Preis ein, der seit 1983 jährlich verliehen wird. Die Teilnehmerzahlen sprechen für ein großes Interesse an diesem Musikwettbewerb: 1.000 bis 1.500 MusikerInnen pro Jahr seien es, also schon ca. 40.000 Beteiligte/Künstler in den letzten 32 Jahren.

Tradition und Besonderheiten

Einige Merkmale unterscheiden diesen "Bundesnachwuchswettbewerb für Rock & Pop Musikgruppen und Sängerinnen aller musikstilistischen Bereiche" jedoch von der Konkurrenz. Da wäre zum einen die lange Tradition des Events. Die 32 ist eine stolze Zahl. Die Veranstalter, d.h. sowohl der Deutsche Rock & Pop Musikerverband e.V. (DRMV) als auch die Deutsche Popstiftung, werden zum anderen vom Finanzamt als gemeinnützige Institutionen behandelt und überprüft. Der Musikerverband organisiert sich zudem in jährlich abgehaltenen demokratischen Mitgliederversammlungen und Wahlen.

Programmatisch orientiert man sich teilweise am Grand Prix/Eurovision Song Contest: Wie dort erhalten alle Teilnehmer die Möglichkeit, den ca. zwanzig ehrenamtlich tätigen Juroren und dem Publikum jeweils einen Song vorzustellen. Wie dort gibt es keine Sachpreise, abgesehen von einer Ehrenurkunde für alle Preisträger und der Rock- & Pop-Trophäe für die jeweils ersten Preis­träger der Hauptkategorien, die zusätzlich noch eine einjährige kostenlose Mitglied­schaft im DRMV und ein einjähriges Rechts- und Fachberatungsprogramm erhalten.

Finanzierung

Wie bei konkurrierenden Veranstaltungen muss auch zur Durchführung des Deutschen Rock & Pop Preises die Finanzierung gewährleistet sein:

An Organisation und Finanzierung beteiligt sind laut Angaben des DRMV nicht zuletzt weitere unabhängige musikalische Institutionen, der DRMV selbst, die Deutsche Popstiftung, die Branchenzeitschrift Musikmarkt, Sponsoren wie z.B. die Versicherungs-Assekuranz ERPAM, in diesem Jahr zudem die Stadt Siegen und immer auch die teilnehmenden Musikgruppen und MusikerInnen über Teilnahme- und Bewerbungsgebühren.

Gebühren

Bewerber müssen zunächst einen "Solidarbeitrag" entrichten. DRMV-Mitglieder zahlen dabei 20 Euro, Nichtmitglieder 30 Euro Anmeldegebühr pro Kategorie der verschiedenen Sparten.

Ist die Bewerbungsphase vorüber, wählt eine von der Deutschen Popstiftung zusammengestellte "Bundesjury" die Finalteilnehmer sowie die Nominierten der Neben- und Sonderkategorien aus. Für diese fallen dann nochmals Kosten an: 150 Euro je Hauptkategorie sowie 100 Euro je Sonder- oder Nebenkategorie. Dafür bekommen die Finalisten je 50 Eintrittskarten im Gesamtwert von 1.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Die Höhe der Einnahmen durch Teilnahmegebühren sowie die Ausgaben für die jährliche Veranstaltung werden den Mitgliedern jährlich auf den Mitgliederversammlungen des Deutschen Rock & Pop Musikerverbandes e.V. bekanntgegeben und mittels der Jahresbilanzen an alle Mitglieder verschickt.

Auszeichnungskategorien

Alleine die schiere Masse der Preise – sie werden diesmal in 124 verschiedenen musikstilistischen Bereichen verliehen – schafft eine deutliche Unterscheidungsmöglichkeit zum großen populären europäischen Gesangswettstreit. Als wichtige Intention des Rock und Pop Preises wird deshalb auch betont, dass "durch andere Preisverleihungen vernachlässigte Musikrichtungen gewürdigt" werden sollen. Blues, Country, Funk & Soul, Punk, Metal, Folk, Electro, Pop und andere mehr sollen also bewusst nicht außen vor bleiben.

Diese Genrevielfalt zeigt sich bei der Preisverleihung durch die bis ins kleinste Detail aufgespaltenen Kategorien. Sie setzen sich folgendermaßen zusammen:

  • 8 Hauptkategorien: beste Rockband, beste Popband, beste Hardrock-Band, beste Funk/Soul-Band, beste Alternative-Band, beste(r) Sänger(in) Eigenkompositionen, beste(r) Sänger(in) Coversongs und beste Country/Folk-Band.
  • 64 Nebenkategorien: darunter bester Rock/Pop...-Song oder bestes Rock/Pop...-Album usw.
  • 25 Sonderkategorien: darunter beste Elektropop-Band, beste Filmmusik oder bestes Kinderliederalbum.
  • 27 Sonderauszeichnungskategorien: darunter bestes Tonstudio, bestes Label, bester deutscher Text, bestes Booklet, bester Instrumentalsolist, bester Schlagzeuger etc.

Running Order (Programm von 14 bis 23 Uhr)

Die Running Order beim Deutschen Rock & Pop Preis 2014: Alle Teilnehmer haben die Möglichkeit, den Juroren und dem Publikum einen Song vorzustellen.

Die Running Order beim Deutschen Rock & Pop Preis 2014: Alle Teilnehmer haben die Möglichkeit, den Juroren und dem Publikum einen Song vorzustellen.

Alle Nominierten wurden im Oktober benachrichtigt. Beim Finale präsentieren sich die Nominierten der acht Hauptkategorien der Expertenjury, die mit Hilfe eines Bewertungsbogens (Arran­ge­­ment, Instrumentierung, Gesang, Text, Kom­position, Originalität, Kreativität etc.) die Gewinner des Abends ermitteln soll.

Die Juroren werden jedes Jahr neu angefragt, eingeladen und bei der Veranstaltung auf der Bühne persönlich vorgestellt. Man achte darauf, dass es sich bei den Personen um qualifizierte und professionelle Rock- und Popmusiker, Musikproduzenten, Musikschullehrer etc. handle, so der DRMV.

Knapp 80 fünfminütige Auftritte stehen zwischen 14 bis 21.15 Uhr auf dem zu beurteilenden Programm (siehe Bild).

Nach Jurysitzung, Auszeichnung der Sonderpreisträger sowie der Bekanntgabe und Auszeichnung der Hauptpreisträger und des Publikumspreisträgers klingt der Abend mit der Fotosession aller Preisträger auf der Hauptbühne aus. Die Bekanntgabe der Preisträger aller Kategorien erfolgt grundsätzlich nach der Preisverleihung der Veranstaltung.

Kritik am Deutschen Rock & Pop Preis

Einige der beschriebenen Besonderheiten, die man beim Deutschen Rock & Pop Preis seit nunmehr 32 Jahren kultiviert, ernten in Fachkreisen durchaus auch vereinzelte Kritik.

Zu hohe finanzielle Belastung der Teilnehmer?

Zur besseren Veranschaulichung dieser Kritik stellen wir euch eine fiktive Beispielband vor: "Die Aufstreber". Die Jungs machen deutschsprachigen Rock. Für ihre Bewerbung in der Hauptkategorie "Rockband" und einer Neben- sowie noch einer Sonderkategorie (bester Schlagzeuger und bester deutscher Text) müssen sie als Nichtmitglieder des DRMV 90 Euro zahlen. Werden sie von der "Bundesjury" für alles auch nominiert, dann werden noch weitere 350 Euro fällig.

Das macht dann insgesamt 440 Euro – maximal, wohlgemerkt. Damit hat unsere Beispielband noch nichts gewonnen, wird aber auf der Bühne stehen. Die Aufstreber haben 50 Eintrittskarten für dieses Event zu vergeben. Theoretisch reicht das zur Refinanzierung ihrer Auslagen aus. Doch wird es ihnen in der Praxis gelingen, 50 Eintrittskarten zum Preis von je 20 Euro zu verkaufen? Manche Teilnehmer verschenken ihre Tickets da lieber an Freunde und Fans oder gestalten eine Verlosung im Rahmen einer Promo-Aktion.

Geringes Publikumsinteresse?

Wenn 70 Künstler ihr Kontingent von jeweils 50 Karten verkaufen, dann summiert sich dies auf 3500 Besucher. Dazu addieren sich Branchenköpfe und andere Kontakte, die als Gäste zum Event kommen.

Diane Bödrich, Pressesprecherin beim DRMV, betont auf unsere Nachfrage, dass es in der Praxis der letzten 32 Jahre im Hinblick auf Anzahl und Menge des Publikums noch nie Probleme gab. Die Kapazität der im letzten Jahr ausgewählten Location hätte für eine solch hohe Zahl an Zuschauern jedoch gar nicht ausreicht: Der Theatersaal im Pfalzbau in Ludwigshafen, in dem das Finale 2013 stattfand, bietet 1040 Plätze. Bei der Siegerlandhalle handelt es sich jetzt jedoch wieder um eine Location passender Größenordnung.

Leider muss man daraus schließen, dass in der Tat nur wenige Künstler ihr Kontingent an wirklich zählbare Besucher der Veranstaltung loswerden, was ggfs. allgemein auch auf ein geringes Publikumsinteresse zurückzuführen sein könnte. Demgegenüber steht die Berichterstattung im Rundfunk und TV, über die der Deutsche Rock und Pop Preis durchaus eine beachtliche Aufmerksamkeit erreicht.

Überforderung der Juroren und Branchenköpfe?

Ohne das Bemühen anzuzweifeln, dass die Preise durch die Jury gerecht vergeben werden sollen: Bei einer derartigen Mammutveranstaltung, die nur kleinere Pausen für alle Beteiligten zulässt, wird dies zum heiklen Unterfangen.

Zur Problematik gerechter Wertungen trägt auch bei, dass den Finalisten für Auftritt inklusive Umbau sehr wenig Zeit bleibt. Die auftretenden Musiker werden zwar im Vorfeld über die zur Verfügung stehende professionelle Backline informiert und können sich somit auf ihren Auftritt vorbereiten. Sound und Performance des Livevortrags werden dennoch vom Üblichen abweichen, das die Band/Musiker sonst bieten.

Auch andere Gäste, darunter Manager, Veranstalter oder Booker, werden Schwierigkeiten haben, sich fast acht Stunden lang konzentriert Bands und Solointerpreten anzuschauen, zu beurteilen, zu merken.

Verlangt man den Branchenköpfen, denen man Interesse an den Newcomern unterstellen darf, hier nicht zuviel ab? Und wer plant einen so ausgedehnten Wochenendsarbeitstag überhaupt ein? Mit Verweis auf die positive Medienresonanz heißt es von Seiten des DRMV hierzu nur: "Die bisherigen 32 'Deutschen Rock & Pop Preise' wurden und werden nicht für Manager, Konzertbooker, Konzertagenturen, Labels, Musikverlage, Musikproduzenten etc. durchgeführt, sondern für begabte und talentierte Rock- und Popmusikgruppen und Einzelinterpreten aller musikstilistischen Bereiche."

Sinkende Relevanz durch wachsende Beliebigkeit?

Die Intention des Deutschen Rock & Pop Preises, die musikalische Vielfalt zu wahren, zu unterstützen und zu ehren, ist grundsätzlich ein guter Gedanke. Doch man kann in der Kategorienvielfalt auch eine weiter wachsende Beliebigkeit sehen, was fortgesetzt dazu führen könnte, dass am Ende das Renommee der einzelnen Auszeichnungen leiden könnte.

Anders gesagt: Wenn jede Band schon einen Deutschen Rock & Pop Preis in ihrer Bio auflisten kann, wie wertig und relevant schätzt man dies als Redakteur, A&R oder Booker überhaupt noch ein?

Euer Feedback

Deutscher Rock & Pop Preis: Das Gewinner-Bild aus dem Jahr 2013

Deutscher Rock & Pop Preis: Das Gewinner-Bild aus dem Jahr 2013, © Bildquelle: Deutscher Rock & Pop Musikerverband e.V.

Unzweifelhaft genießt der Deutsche Rock & Pop Preis bisher ein für Contests überdurchschnittlich hohes Ansehen. Der fortwährende Erfolg der Veranstaltung und das Interesse insbesondere auf Seiten der Musiker und Medien trägt hierzu wesentlich bei.

Doch ganz wie bei anderen Wettbewerben auch, werden von Zeit zu Zeit einige Fragen laut. Wir haben versucht, diesen Rahmen kurz vor der Verleihung des 32. Rock & Pop Preises für euch zu beschreiben. Natürlich würden wir von euch gerne wissen, was ihr von diesem Event haltet.

Habt ihr schon selbst daran teilgenommen? Seid ihr diesmal dabei? Könnt ihr die Veranstaltung anderen Künstlern empfehlen? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wir sind gespannt auf euer Feedback hier in den Kommentaren:

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