Ein Jahr voller Rekorde
Deutscher Streaming Markt wächst 2023 weiter, deutschsprachige Musik boomt
bvmi gfk entertainment streaming
© Devon Divine
Seit 2013 untersuchen GfK und BVMI gemeinsam das deutsche Nutzungsverhalten von Musikstreaming-Plattformen. Als Grundlage der Sonderauswertung dienen dabei sowohl kostenpflichtige als auch werbebasierte Streams ab einer Dauer von 31 Sekunden für jeweils den Zeitraum Januar bis Dezember 2023.
Rechnet man sämtliche Daten seit dem Start der Erfassung vor nun 10 Jahren zusammen, summiert sich die Summe aller Streams inzwischen auf über eine Billion (1.000.000.000.000).
Es wird immer mehr gestreamt
Aus dem aktuellen Bericht geht dabei hervor, dass rund 213 Milliarden Streams dabei aus dem Jahr 2023 stammen. Damit wurden im letzten Jahr knapp 12 Prozent mehr Streams verzeichnet als noch im Vorjahr 2022, als sich die Zahl auf 191 Milliarden Streams belief.
Alleine binnen der letzten fünf Jahre vollzog sich eine Verdoppelung der jährlichen Streams von 108 Milliarden Streams im Jahr 2019 auf 213 Milliarden Streams. Das verdeutlicht, dass das Wachstum des Streaming-Marktes ungebrochen ist, obwohl sich das prozentuale Wachstum etwas abgeschwächt hat.
Das Thema der Streaming-Vergütung, das jüngst auch das Europäische Parlament beschäftigte, wird angesichts dieser Zahlen immer wichtiger. Es ist ein Konstruktionsfehler der Streaming-Vergütung, dass vornehmlich die Superstars und die Major Labels von den Streaming-Einkünften profitieren und kleinere und mittelgroße Acts systematisch benachteiligt werden.
© GfK Entertainment
Aktuelle Musik auf dem Vormarsch
Weiter zeigt sich, dass sich insbesondere aktuelle deutschsprachige Musik großer Beliebtheit erfreut. Songs aus den 2020ern steuerten im vergangenen Jahr mit 52 Prozent mehr als die Hälfte aller Streams bei.
Unter dieser Gruppe sind deutschsprachige Acts stark vertreten. Neun der zehn meistgestreamten Künstler und Künstlerinnen dieser Dekade veröffentlichen deutschsprachige Musik. Zu den populärsten Acts zählen u.a. Nina Chuba, Apache 207, Luciano und Ayliva.
Spannender Blick zurück
Songs aus den 2010er Jahren steuerten etwa 30 Prozent aller Streams des Jahres 2023 bei, bei Titeln aus den 2000ern betrug der Anteil acht Prozent. Ältere Jahrzehnte landeten zusammengerechnet bei 10 Prozent.
Ein Blick auf die populärsten Acts aus vergangenen Jahrzehnten, die 2023 am meisten gehört wurden, ist durchaus aufschlussreich. Aus den Dekaden vor dern 2020ern sind vornehmlich englischsprachige Künstlerinnen und Künstler in der Top 10 platziert.
Hin zu nationalerer Musik
In der Kategorie bis Ende der 1970er liegen ABBA, Queen, The Beatles, Elvis Presley und (etwas überraschend) Creedence Clearwater Revival vorne, die 1980er dominieren Michael Jackson, Queen, Wham!, Bryan Adams und Depeche Mode.
In den 1990er liegen die Onkelz, Mariah Carey, Nirvana, Rammstein und Metallica vorne, in den 2000ern Eminem, Linkin Park, Rammstein, 50 cent und Rihanna. Die Top 5 der 2010er belegen Taylor Swift, The Weeknd, CRO, Lana Del Rey und Apache 2027.
Rammstein, CRO, Apache und die Onkelz sind also die einzigen deutschsprachigen Bands und Acts, die es in die Liste der meistgestreamten Künstler und Künstlerinnen der jeweiligen Dekade geschafft haben, Rammstein sogar zweimal (1990er und 2000er).
© GfK Entertainment
Steigende Alltagsintegration
Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des BVMI, betont den Einfluss des Audiostreamings auf das Nutzungsverhalten der deutschen Hörer*innen. Dieses habe zur Vertiefung derer Beziehung zur Musik beigetragen. Die erneut deutlich gestiegene Zahl gemessener Streams verdeutliche dabei, dass Musik nun durch einen zeit- und ortsunabhängigen Zugang potenziell jede Situation unseres Lebens prägen kann.
Zudem sei es nie leichter gewesen, seinen musikalischen Horizont zu erweitern – ob gezielt oder nebenher. Auf diese Weise verhelfe Musikstreaming auch älteren Titeln zu neuer oder länger anhaltender Präsenz bei alten und neuen Fans.
Das wiederum ermögliche auch Artists und ihren Partnern Einnahmen über einen deutlich längeren Zeitraum als es noch im rein physischen Markt der Fall gewesen sei. Das sei laut Drücke ein oft übersehener, grundsätzlicher Mehrwert für alle Beteiligten.
Streaming-Höhepunkt am 24.12.
Auch Dr. Mathias Giloth, Geschäftsführer von GfK Entertainment stellt fest, dass sich Musikstreaming über die verschiedenen Plattformen immer weiter fest im Alltag der Menschen etabliere. Das stellen ihm nach Rekorde von Acts wie Udo Lindenberg, Apache 207, Taylor Swift und auch von Newcomern wie Nina Chuba unter Beweis.
Ein weiterer Rekord wurde zudem an Heiligabend 2023 aufgestellt: An diesem Tag konnten mit 830 Millionen Streams die meisten Streams an nur einem Tag jemals erfasst werden.
Was ist los im Radio?
Bezüglich der großen Beliebtheit deutschsprachiger Musik äußert sich Drücke wie folgt:
"Angesichts dieser offensichtlichen Popularität müssen sich viele Radiostationen weiterhin die Frage gefallen lassen, wieso deutschsprachige Titel bei ihnen nicht in einem ähnlichen Umfang stattfinden – in den Top 100 Airplay Charts 2023 finden sich ganze vier Titel."
Genauer gesagt handelt es sich um "Komet" von Lindenberg, Udo und Apache 207, "Mangos mit Chili" von Nina Chuba (Platz 69), "Zukunft Pink" von Peter Fox und "Breaking Your Heart" von Apache 207 (Platz 89), ein trotz des englisches Titels hauptsächlich deutschsprachiger Song.
Die Liste der Top 100 Airplay Charts, also der 100 meistgespielten Songs im deutschen Radio, zeigt aber, dass man "deutschsprachig" nicht mit "deutsch" gleichsetzen sollte.
Deutsch und deutschsprachig
In den Airplay Charts 2023 finden sich nämlich zahlreiche englischsprachige Songs deutscher Acts, die verdeutlichen, dass für den internationalen Markt produzierte Songs durchaus im Radio eine Chance haben. Beispiele dafür sind Songs von Purple Disco Machine, Nico Santos, Michael Schulte, Kamrad, ClockClock und Lena.
Deutschsprachige Musik ist allerdings offensichtlich im Radio abgemeldet. Das gilt nicht nur für den bei einer jungen Hörerschaft beliebten Hip-Hop bzw. Trap (Luciano, reezy, Pashanim, Bonez MC, RAF Camora, Ski Aggu), wobei Apache 207 hier die große Ausnahme darstellt.
Ähnliche Themen
Ein tiefer Griff in die Tasche
Streamingdienste schulden Songwritern und Verlegern in den USA fast 400 Mio. US-Dollar
veröffentlicht am 26.02.2024 7
"Mit der CD kann man gutes Geld verdienen"
Stefan Vogelmann vom Indie-Vertrieb Broken Silence: "Die neuen Spotify-Regeln sind eine Böswilligkeit"
veröffentlicht am 06.02.2024 7
Für Fairness und Transparenz
Europäisches Parlament fordert bessere Streaming-Vergütung für Musiker
veröffentlicht am 19.01.2024 7
Gegensätzliche Entwicklungen?
Luminate-Jahresendbericht: Country und Latin Music boomen in den USA
veröffentlicht am 12.01.2024 1
Kritik von Spotify und Deezer
Frankreich plant Einführung einer Streaming-Steuer
veröffentlicht am 21.12.2023 2