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"Frauen hatten lange Zeit kaum Vorbilder"

Frauen in Punk- und Rock-Bands, Teil 2: Interview mit Celina von The Bloodstrings

Interview von Doktor Nic
veröffentlicht am 06.11.2018

geschlechtergerechtigkeit berufswelt

Frauen in Punk- und Rock-Bands, Teil 2: Interview mit Celina von The Bloodstrings

Wir sprechen mit mit Celina von The Bloodstrings. © Nightmare Media Detmold

Männerdomäne Musikbranche? In Teil 2 dieser Interviewserie sprechen wir mit Celina, Sängerin der Band The Bloodstrings und Filmemacherin über unerwünschte Flirts nach der Show und darüber, was schon die Eltern junger Mädchen besser machen könnten.

Der Sexismus in der Musikbranche – speziell auch auf Konzerten – und die Benachteiligung von Frauen bleiben ein spürbares Thema, bei dem einiges in Bewegung ist. Für mich persönlich natürlich auch deshalb, weil ich mich nun ein wenig dafür sensibilisiert habe:

In Teil 1 dieser Reihe berichtete die britische Filmmacherin, Musikerin und Fotografin Suzy auf Backstage PRO darüber, dass "die Probleme immer da waren, das Bewusstsein dafür aber nicht" und wie sie das Thema in ihren Dokumentarfilm "So, which band is your boyfriend in?" aufbereitet, der Interviews mit verschiedenen Musikerinnen aus der Punkszene Großbritanniens enthält.

Nun habe ich als deutsche Interviewpartnerin Celina von The Bloodstrings. Auch sie ist Filmemacherin.

"Ich bin in zwei Männerdomänen tätig"

Backstage PRO: Hi Celina, wir tun jetzt mal so als würden wir uns nicht kennen oder zusammen Musik machen. Wer bist du und was machst du so?

Celina: Ich mach was mit Medien. Nein Spaß, ich mache beruflich Videos für Firmen aber auch Bands, weil ich Film studiert habe. Dabei bin ich noch Sängerin bei The Bloodstrings.

Backstage PRO: Als Musikerin und Filmemacherin bist du viel unterwegs. Fallen dir hier bereits gewisse Geschlechterrollen auf? Kommst du viel mit weiblichen Branchenkollegen in Kontakt oder eher weniger?

Celina: Sowohl in meinem Job als auch wenn ich mit meiner Band unterwegs bin, fällt mir auf, dass ich eher in zwei Männerdomänen tätig bin. Wenn ich an ein Set komme nimmt man mich manchmal nicht für voll. Man hat mich zum Beispiel einmal gefragt, ob ich für das Catering zuständig sei, dabei habe ich das Licht gestellt. In Kontakt mit Bands fällt mir auf, dass da einfach seltener Frauen dabei sind. Das finde ich immer ziemlich schade.

Backstage PRO: Hast du in deiner Karriere als Musikerin schon Erlebnisse gehabt, in denen Männer dich nicht als Teil einer auftretenden Band angesehen haben?

Celina: Öfter. Gutes Beispiel war das "Rock N Ink Festival", das ist ne Tatto-Convention mit Festival, da hat mich ein Typ gefragt: Ist dein Freund in einer Band oder Tattoowierer?

"Ich wurde auf Konzerten schon ungefragt angefasst"

Backstage PRO: Erlebst du als weibliche Musikerin Sexismus irgendeiner Form auf Shows?

Celina: Vor allem Backstage, wenn getrunken wird. Ich wurde da wirklich einmal von einem Typen regelrecht belästigt. Ich wurde auf Konzerten auch schon ungefragt angefasst.

Backstage PRO: Viele sprechen von sogenanntem positiven Sexismus, also wenn dir ein Mann glaubt einen Gefallen zu tun, etwa wenn er dir Equipment abnimmt, welches du trägst, aber dir damit eigentlich eine Art Rolle auferlegt. Zu weit hergeholt oder ist da was dran?

Celina: Das kommt, denke ich, auf die Situation an. Wenn ich etwas richtig Schweres trage und mir nimmt ein Typ das ab, würde ich das eher als Höflichkeit deuten. Aber wenn mir jemand so einen Job abnimmt unter dem Motto "Die kann das nicht, darum mach' ich das jetzt", ist das nicht in Ordnung.

Ein Beispiel fällt mir da aber nur von der Arbeit ein: jemand platzierte Lampen und Filter am Set, obwohl ich einen konkreten Lichtplan vor Augen hatte. Er wollte meinen Job erledigen, weil er dachte er könne das besser. Lustigerweise war es dann auch noch falsch, was er gemacht hat und das Ergebnis war schlechter, als mein ursprünglicher Plan. Man nimmt anderen nicht ihre Aufgaben einfach so ab. Egal ob das mit männlich/weiblich zu tun hat, oder andere Ursachen hat.

Backstage PRO: Wie erklärst du dir solches Verhalten?

Celina: Ich glaub nicht mal, dass es großartig böse gemeint ist oder ein Mann in dem Moment ernsthaft jemand nicht für voll nimmt. Ich glaube, das ist schlichte Gewohnheit. Dass zum Beispiel mehr Männer in Bands spielen. Das ist irgendwie "normal".

Backstage PRO: Wirst du auch schon mal sexualisiert, wenn du auf der Bühne stehst?

Celina: Ja, sehr. Es haben schon Leute sexuelle Dinge aus dem Publikum gerufen, Manager und Labelinhaber wollten mich "sexier" haben auf der Bühne. Am Ende der Show nimmt sicher auch eigentlich immer jemand heraus, flirten zu wollen. In manchen Situationen passt mir das aber nicht. Objektiviert wurde ich, als ein Promoter, obwohl er Promo-Material meiner Band hatte, ungefragt mein Facebook-Profilbild als Bild für seine Konzertflyer genutzt hat. Nein, nicht für mein Konzert, sondern für allgemeine Werbezwecke! Das ging gar nicht für mich, aber er meinte tatsächlich, ich sei die erste, die sich darüber beschwert.

"Es ist allgemein schade, dass sich Frauen weniger trauen als Männer"

Backstage PRO: Hast du eine Theorie, weshalb es verhältnismäßig wenig Frauen auf den Bühnen der Punkkonzerte gibt?

Celina: Das ist glaube ich irgendwie ein Problem der Evolution der Gesellschaft. Es gab früher weniger Frauen in Bands und Frauen trauten sich vielleicht dann nicht mehr, ihren Platz dort einzunehmen. Männer haben dann auch tendenziell keine Frauen in Bands geholt, weil sie das nicht gewohnt waren. Frauen hatten halt lange Zeit kaum Vorbilder und sich dann womöglich automatisch umorientiert. Klassische Instrumente gelernt zum Beispiel. Also ich glaube, das ist kein Ding, das Männer allein erschaffen haben. Aber je mehr Frauen mit der Zeit dann auf Bühnen standen, umso mehr Frauen konnten sich dann auch denken: "Ja das kann ich auch!" Es ist nur allgemein schade, dass sich Frauen weniger trauen als Männer.

Backstage PRO: Du bist selbst Sängerin und bei vielen Bands aller möglichen Rockgenres ist weiblicher Gesang ein Markenzeichen. Selbst Metalbands wie Arch Enemy, bei denen man ja nicht von einer lieblichen Frauenstimme redet, erhalten das Prädikat "female fronted". Wie gehst du mit so etwas um?

Celina: Da gibt’s jetzt zwei Seiten der Medaille. Zum Einen ist das Prädikat ganz gut, weil es wortwörtlich meinen kann: "Frauen an die Front!". Leider kann das für manche auch relativ sexistisch gedeutet werden, weil es auch als Lockmittel genommen wird unter dem Motto "Guckt euch das an, da ist 'n geiles Mädel am Mikro!" Das ist dann so ein Label, unter dem die ganze Band steht und so kann eine Frau, die vielleicht einfach nur Musik machen will, instrumentalisiert werden. Unterm Strich würde ich es eher gar nicht betonen, sondern die Musik für sich sprechen lassen.

Backstage PRO: Was würdest du dir von der alternativen Szene wünschen?

Celina: Ich würde mir wünschen, dass sich erstens mehr Frauen dazu entscheiden in eine Band einzusteigen und sich auch gegen männliche Konkurrenz durchzusetzen. Einfach zu sagen "Ich kann auch Gitarre spielen und mache nen guten Job!" – gleichzeitig sollten Männer in Bands, besonders wenn es um Mitgliederauswahl geht, einfach genauso offen dafür sein, dass eine Frau einsteigen könnte. Wenn es um eine Stimme geht ist das was anderes, weil es um Stil oder Stimmfarbe gehen kann. Aber wenn nach Schlagzeugern gesucht wird, finde ich das eher zum kotzen, wenn Frauen da gar kein Thema sind.

"Motiviert eure Tochter, ein Instrument zu lernen!"

Backstage PRO: Was würdest du dir von Frauen wünschen, die Talent an einem Instrument zeigen?

Celina: Es fängt eigentlich schon im Elternhaus an und geht Mütter und Väter an: motiviert eure Tochter, ein Instrument zu lernen. Und nicht zwangsläufig immer ein klassisches Instrument: lasst sie Bass oder Drums oder Gitarre versuchen.

Von Frauen würde ich mir wünschen, dass sie sich durchsetzen, egal ob es darum geht, Musikerin oder zum Beispiel Soundingenieurin zu sein und sich nicht stigmatisieren zu lassen. Weißt du, das ganze Problem ist gesellschaftlich entstanden, generell ist die Unsicherheit von Frauen historisch und sozial verankert, nicht biologisch. Das ist in der Musik ein Phänomen und ich glaube viele Männer gehen tatsächlich noch davon aus, dass Frauen solche Sachen einfach schlechter können. Dabei gehört Musik doch vor allem zu den Dingen, wo kein Geschlecht dem anderen körperlich oder gar geistig überlegen ist! Mein Hand-Fuß Koordination ist genauso gut wie die von Männern und hätte meine Mutter mich nicht tatsächlich lieber Klavier lernen lassen, wer weiß, wäre ich ja vielleicht Schlagzeugerin geworden!

Backstage PRO: Danke für deine Offenheit und deine Zeit, Celina!

Artists

The Bloodstrings

Female Fronted Punkabilly aus Aachen

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