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Musikverleger Michael Menges im Gespräch

Gemeinsam kreativ sein: Was sind eigentlich Songwriter-Camps?

Tipps für Musiker und Bands von Daniel Nagel
veröffentlicht am 17.05.2019

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Gemeinsam kreativ sein: Was sind eigentlich Songwriter-Camps?

Michael Menges und seine Autoren gemeinsam beim Songwriter-Camp mit Marie Wegner. © MM Musikmanagement

Songwriter-Camps gewinnen in den letzten Jahren immer stärker an Bedeutung. Aber wie funktionieren Songwriter-Camps? Worin liegt ihr Nutzen? Gemeinsam mit dem Musikverleger Michael Menges haben wir die wichtigsten Informationen aus der Praxis für euch zusammengestellt.

In den letzten Jahren haben Songwriter-Camps bei vielen Musikverlagen immer stärkeren Auftrieb erlebt. Die Ursachen finden sich in der Digitalisierung und im allgemeinen Wandel der Musikbranche.

Die Rolle der Musikverlage

Das Vervielfältigungsrecht als Einnahmequelle spielt eine geringere Bedeutung. Musiker und Bands sind daher nicht mehr so stark auf Plattenfirmen angewiesen. Dennoch hat sich die Zahl der Veröffentlichungen deutlich erhöht und somit auch der Bedarf an Songs.

Musikverlage binden Songwriter vertraglich an sich und vermitteln die von diesen Songwritern geschriebenen Lieder weiter an Interpreten, aber auch an Filmproduzenten und Werbeagenturen.

Wirtschaftliche Auswertung

Das Kerngeschäft von Musikverlagen besteht demnach darin, das richtige Umfeld für die Entstehung von Songs zu schaffen und diese wirtschaftlich auszuwerten.

Das betrifft auch die für Vervielfältigung, Aufführung oder Sendung im Radio, TV oder online an die GEMA abzuführenden Lizenzgebühren. Die GEMA-Einnahmen werden nach einem bestimmten Schlüssel zwischen Autoren und Musikverlagen aufgeteilt.

Erfolgreiche Vermittlung

Songwriter-Camps sind insbesondere im Pop und Schlager weit verbreitet. In diesen Genre ist es selbstverständlich, dass es Interpreten gibt, die von anderen geschriebene Songs singen. Der Musikverlag muss sich also bemühen, Lieder der bei ihnen unter Vertrag stehenden Autoren bei Interpreten zu platzieren, die diese Lieder im Studio aufnehmen, veröffentlichen und live performen.

Dafür gibt es verschiedene Herangehensweisen. Manche Verlage veranstalten Songwriter-Camps allgemein zu bestimmten Genres, um die dabei entstandenen Songs verschiedenen Interpreten anzubieten. Andere Musikverleger konzentrieren sich bei einem Songwriter-Camp auf einen einzigen Interpreten, der in gar nicht wenigen Fälle auch persönlich anwesend ist und an den Songs mitschreibt.

Die Essenz des Interpreten

Zu diesen zählt der Mannheimer Musikverleger Michael Menges. Seine Songwriter-Camps bringen Autoren zusammen, um gezielt Songs für einen bestimmten Interpreten (d.h. einen Sänger oder eine Sängerin) zu schreiben. In seinem Fall sind das beispielsweise Roland Kaiser, Howard Carpendale, Marie Wegener oder Schauspieler Tom Beck.

Michael Menges bereitet sich selbst und seine Autoren gezielt auf sein Songwriter-Camp vor. Er schreibt ein Konzept, in dem er versucht, die Essenz eines Interpreten in Text- oder Hörbeispielen zu vermitteln. Zu diesem Zweck tauscht er sich mit den Interpreten selbst, aber auch mit seiner Plattenfirma oder seinem Management aus.

Vertrauensbasis

Das Ziel besteht darin, ein schlüssiges Bild des Interpreten zu entwerfen, damit die Autoren in der Lage sind ganz auf diesen Interpreten zugeschnittene Songs zu entwerfen. Entscheidend dabei ist, in Hinblick auf Sprache, Wortwahl und Soundästhetik Lieder zu schreiben, die den Zeitgeist treffen. "Popkultur ist zeitgenössische Kunst. All das, was erfolgreich ist, kommt in einem zeitgenössischem Gewand daher", kommentiert Menges.

Die gezielte Herangehensweise zahlt sich aus, davon ist Menges überzeugt. Der Interpret soll sich in den für ihn geschriebenen Songs wiedererkennen. Ihre Qualität soll nicht nur ihn, sondern auch Plattenfirmen und Managements überzeugen. Das bedarf gelegentlicher Überzeugungsarbeit bei Künstlern, da sie mit Autoren zusammenarbeiten sollen, die ihm oder ihr ansonsten unbekannt sind.

Entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist auch, dass der Musikverleger das Vertrauen seiner Autoren besitzt und sich für die Auswertung ihrer Lieder tatsächlich einsetzt. Nur dann besitzt die Zusammenarbeit auch eine ökonomische Basis, von der beide Seiten profitieren.

Mit Rückschlägen umgehen

Es kommt häufig vor, dass nicht alle im Rahmen eines Songwriter-Camps entstandenen Songs auch wirklich von einem Autor aufgenommen und veröffentlicht werden. Einige Autoren sind mit ihren Songs erfolgreich, andere nicht.

Möglich ist auch, dass Plattenfirmen, Manager, Produzenten oder Interpreten selbst die Tracklist eines Albums in letzter Sekunde verändern. Im schlimmsten Fall fällt diesen Veränderungen dann ein Song zum Opfer, auf den der Verleger und seine Autoren gesetzt haben. Das erfordert eine hohe Frustrationstoleranz vonseiten der Autoren, aber auch des Verlegers.

Aber selbst wenn der Song auf dem Album landet, bedeutet das keineswegs, dass der Erfolg vorprogrammiert ist. Die Mehrzahl der Lieder, die in Songwriter-Camps entstehen, landen in Hinblick auf die Auswertung unter ferner liefen. Nur ein kleiner Teil erweist sich als außerordentlich erfolgreich. Damit umzugehen, fällt nicht jedem leicht. Aber das ist die Natur der Musikbranche. Wirtschaftlich erfolgreich sind immer nur wenige Songs, bzw. wenige Künstler.

Offenes System

Es ist nicht so schwierig, bei einem Songwriter-Camp dabei zu sein. Viele Musikverlage bieten Online-Kontakt- oder Bewerbungsmöglichkeiten für Songwriter, Texter und Komponisten an. Für Michael Menges ist es nicht wichtig, dass der Songwriter bereits Charterfolge aufweisen kann, entscheidend ist vielmehr, ob sich die Songs, die er schreibt, den Qualitätsstandards entsprechen, damit er sie seinen Interpreten anbieten kann.

Das kollektive Arbeiten dient dazu, diesen Standard zu erreichen. Songwriter-Camps ermöglichen durch kreativen Austausch mit anderen neue Techniken und Herangehensweisen zu erlernen. Das sorgt für Reibung, beflügelt aber auch die Kreativität, davon ist Michael Menges überzeugt. Die Anwesenheit des Interpreten kann die Anwesenden nochmal besonders motivieren.

Informell geht auch

Das muss freilich nicht immer bedeuten, dass solche Treffen unter dem Titel "Songwriter-Camp" fungieren. Informelle Zusammenarbeit ist mindestens genauso weit verbreitet, ohne dass daraus viel an die Öffentlichkeit dringt.

Vorbehalte mancher Musiker gegen eine solche Herangehensweise teilt Menges nicht: "Wir haben es mit einer Unterhaltungsindustrie zu tun, die von der Reproduktion von Gefühlen lebt." Gleiches gelte im Übrigen auch für Konzerte: "Musiker performen einen Song hundertfach und nicht in jedem Lovesong teilt der Sänger seine Gefühle mit, die ihn momentan bewegen.

Personen

Michael Menges

Künstlermanager, Musikverleger aus Mannheim Geschäftsführer bei Michael Menges Musikmanagement

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