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"es ist ein langer weg"

Interview mit Stefan Bohne, Vorsitzender der KlubKomm Köln

Interview von Daniel Nagel
veröffentlicht am 23.08.2013

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Interview mit Stefan Bohne, Vorsitzender der KlubKomm Köln

Stefan Bohne ist Vorsitzender der KlubKomm Köln

Die vielfältigen Probleme von Livemusikclubs zwingen zur Organisation in Form von Clubvereinigungen. Eine solche Vereinigung ist die KlubKomm, die seit 2010 die Interessen der Kölner Livemusikszene vertritt. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden Stefan Bohne über die Schwierigkeit des Netzwerkens in Zeiten wachsender Probleme, die Komplexität des Berufs des Clubbesitzers und den Dauerkonflikt am Brüsseler Platz.

Backstage PRO: Herr Bohne, sie sind Vorsitzender der KlubKomm Köln. Aus welchem Grund wurde diese Vereinigung gegründet?

Stefan Bohne: Die KlubKomm Köln wurde ins Leben gerufen, um der Kreativmusik-Szene eine gemeinsame Plattform zu bieten. Das Ziel besteht darin, ein Netzwerk zu schaffen, das in der Lage ist, auf die ständig wachsende Zahl der Probleme zu reagieren, mit denen sich Livemusikstätten konfrontiert sehen.

Backstage PRO: Um welche Probleme handelt es sich im Detail?

Stefan Bohne: Es geht beispielsweise um Sicherheitsfragen, die nach der Katastrophe von Duisburg  besonders in den Mittelpunkt rückten. Dazu kommen die Verschärfung des Baurechts, Probleme der Versammlungsstättenverordnung, des Nichtraucherschutzes und natürlich die GEMA. Es handelt sich um Themen, die jeden Veranstalter betreffen, bei deren Bewältigung aber bislang jeder auf sich alleine gestellt war.

Backstage PRO: Wie unterscheiden sich die Mitglieder der KlubKomm von denen der DEHOGA?

Stefan Bohne: Im Gegensatz zur DEHOGA, in der sich vornehmlich große Clubs, Restaurants und Hotelketten zusammengeschlossen haben, vertritt die KlubKomm die Interessen kleinerer, kreativer Clubs, sozialkultureller Zentren, Musikbars und interdisziplinär arbeitender Clubs, wozu auch mein Haus, das ARTheater, zählt. Aufgrund dieser vielfältigen Zusammensetzung bildet die KlubKomm die Vielfalt der Kölner Livemusikszene ab, vernetzt die Kulturschaffenden untereinander und fungiert als Sprachrohr und Moderator gegenüber Politik und Verwaltung.

"Die Probleme wachsen ständig"

Backstage PRO: Wie schafft man Vernetzung in der Welt der Musikclubbetreiber, in der es zahlreiche sehr individualistische Einzelkämpfer gibt?

Stefan Bohne: Das war vor allem am Anfang nicht leicht. Obwohl jeder empfunden hat, wie schwierig es ist diese ganzen Probleme alleine zu bewältigen, zögerten viele dennoch, sich mit anderen zusammenzutun. Gründe dafür war sicherlich Konkurrenzdenken, Angst vor Fremdbestimmung, aber auch die Furcht Konzepte offenzulegen, die andere kopieren könnten.

Backstage PRO: Wie haben sie diese Blockade überwunden?

Stefan Bohne: Es hat geholfen, dass die Probleme ständig wachsen, wodurch auch die Notwendigkeit, gemeinsam zu handeln, immer weiter zunimmt. Wir hoffen, dass wir die Schaffung eines Netzwerks verstärkt vorantreiben können, wenn die Hauptprobleme erst einmal erledigt sind. Der Anfang ist gemacht: Wir haben beispielsweise eine Clubnacht ins Leben gerufen, wo sich ungefähr ein Dutzend Clubs zusammentut und eine Art Mini-Festival veranstaltet. Das ist erfreulich, weil die soziale Komponente der KlubKomm so gestärkt wird.

"Viele Anordnungen der Ämter sind unverständlich"

Backstage PRO: Man könnte also sagen, dass die Notwendigkeit, an vielen verschiedenen Fronten zu kämpfen, die Schaffung von Netzwerkstrukturen behindert, weil man so viel Zeit und Energie in die Lösung verschiedener Probleme investieren muss?

Stefan Bohne: Ja, auf jeden Fall. Die Komplexität unseres Jobs trägt zusätzlich dazu bei. Clubbetreiber müssen sich um Programmplanung, Gastronomie, Werbung und Marketing, bürokratische Anordnungen und komplizierte Steuersachverhalte kümmern. In unserer Branche gibt es darüber hinaus viele Selbstständige, die nicht über die Sicherheit eines Acht-Stunden-Jobs verfügen. Es kostet sehr viel Energie sich darüber hinaus noch mit diesen speziellen Problemen zu befassen.

Backstage PRO: Welche Rolle spielt die Bürokratie in diesem Zusammenhang?

Stefan Bohne: Viele Anordnungen der Ämter sind unverständlich und werden auch gar nicht erläutert. Als Clubbetreiber muss man sich zunächst die Hintergründe erarbeiten. Ein Grund, diesen Verband zu gründen, bestand darin, bei Kontakt oder Streit mit den Behörden konkrete Unterstützung zu leisten und Informationen bereitzustellen, die man sich nicht erst selbst aneignen muss. Die Katastrophe von Duisburg hat beispielsweise sehr viel Stress erzeugt, weil wir als Clubbetreiber unter Druck geraten sind, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen einzuführen, die gar nicht immer sinnvoll sind, aber wahnsinnig viel Geld und Energie kosten.

"Die KlubKomm kann beraten und vermitteln"

Backstage PRO: Um ein Beispiel zu nennen: Das Loft musste eine Feuerleiter installieren, was in diesem Fall durchaus verständlich ist. Hier kann die KlubKomm Hilfe leisten?

Stefan Bohne: Auf jeden Fall. Das Loft ist ein sehr ambitionierter, intellektueller Club, der experimentelle Musik und zeitgenössischen Jazz präsentiert. Das ist Hochkultur, die aber auf einem sehr engen Publikumsfeld aufgebaut ist. Die Betreiber sind nicht reine Geschäftsleute, sondern Musiker oder leidenschaftliche Anhänger dieser Musik, die sich mit solchen Fragen nicht auskennen. Gerade in solchen Fällen kann die KlubKomm mit ihren verschiedenen Experten beratend tätig werden, aber auch als Moderator fungieren.

Backstage PRO: Haben diese Aktivitäten das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Livemusikszene in Köln gestärkt?

Stefan Bohne: Ich bin zurückhaltend, von Erfolgen zu reden. Es ist natürlich unser Ziel und erste Fortschritte sind in Ansätzen erkennbar. Die Kommunalpolitik hat großes Interesse an unseren Forderungen gezeigt, weshalb wir beispielsweise regelmäßige Treffen auf der Ebene der einzelnen Bezirke abhalten. Dort sitzen die Bezirksbürgermeister, die Vertreter der Parteien, der KlubKomm und einzelne Clubbesitzer oder Gastronomen und diskutieren über spezielle Probleme der einzelnen Viertel.

Backstage PRO: Was sind die dringlichsten Probleme?

Stefan Bohne: Das bekannteste Problem betrifft den Brüsseler Platz. Mitten in der Stadt versammeln sich am Wochenende bei gutem Wetter bis zu dreitausend Leute. Das hat einen riesengroßen Konflikt mit den Anwohnern ausgelöst. Durch den Versuch, dort zu vermitteln, bevor die jeweiligen Lager einfach aufeinander losgehen, hat die Kommunikation mit der Stadtverwaltung eine neue Qualität erlangt. Wir machen Stück für Stück Fortschritte.

Backstage PRO: Städte verändern sich kontinuierlich und bereits bestehende Veranstaltungsorte können durch Neubauten oder neu zugezogene Anwohner schnell in eine existenzgefährdende Lage geraten. Ist es sinnvoll, einen Bestandsschutz zu schaffen, um möglicherweise seit Jahrzehnten existierende Clubs zu schützen?

"Eine Großstadt ist keine Familienwohnzone"

Stefan Bohne: Das macht auf jeden Fall Sinn, da die seit Jahrzehnten bestehenden Veranstaltungsorte wie das Gloria oder der Stadtgarten natürlich auch den Charakter von Köln ausmachen und einen beträchtlichen Wirtschaftsfaktor darstellen. Niemand kann eine Großstadt wollen, in der alles soweit befriedet wird, bis die Stadt zu einer großen Familienwohnzone geworden ist, die kein Mensch mehr besucht. Eine Metropole wie Köln lockt mit ihren kulturellen Möglichkeiten Besucher an und dazu zählt natürlich auch laute Musik.

Backstage PRO: Das sehen die Anwohner vermutlich anders.

Stefan Bohne: Die Anwohner fühlen sich zunächst einfach nur gestört. Die Bauämter orientieren sich an ihren Vorschriften und treffen manchmal recht kurzsichtige Entscheidungen. Dort setzt unsere Arbeit an. Wenn man einen Konfliktort wie den Brüsseler Platz wirklich nicht befrieden kann, dann muss die Kreativwirtschaft gemeinsam mit der Stadt überlegen, ob es nicht andere, geeignetere Plätze gibt, wo sich Menschen versammeln können. Wir denken ja nicht an wüste Partys, sondern wir empfinden solche Plätze als generationen- und genreübergreifende kulturelle Begegnungsstätten.

Backstage PRO: Aber wie kann man das Problem vor Ort lösen?

"Langsam machen sich Erfolge bemerkbar"

Stefan Bohne: Das funktioniert nur, indem man auf Kommunikation besteht und beharrt. Die Fronten sind sehr verhärtet, besonders die Anwohner sind wahnsinnig verkrampft und gereizt. Wir haben Bemühungen unterstützt, die Anwohner mit den Gastronomen zusammenzubringen, aber auch den Verantwortlichen der Kirche St. Michael, die ja auch gastronomische Leistungen in diesem Bereich anbieten. Wir haben versucht, gegenseitiges Verständnis zu schaffen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, damit die Anwohner, dem lebendigen und bunten Treiben auf dem Brüsseler Platz toleranter entgegentreten. Man rüttelt damit am Feindbild, an der Vorstellung des anderen, der nur böses will. Auch das Ordnungsamt versucht inzwischen den Platz nicht einfach nur zu säubern, sondern ist um Kommunikation mit den Gästen und Anwohnern bemüht.

Backstage PRO: Wie verträgt sich das mit dem Bild von Köln, das Außenstehende haben?

Stefan Bohne: Köln ist eine lebendige, rheinländische Karnevalshochburg, wo man in Kneipen geht und miteinander auf Augenhöhe quatschen kann, ohne erst einmal mühsam soziale Differenzen zu überwinden. Es muss gelingen, die jeweiligen Interessen zu überwinden und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass alle Betroffenen eigentlich dasselbe wollen.

"Ich fühle mich durch die Mitglieder gestärkt"

Backstage PRO: Das ist natürlich eine sehr mühsame Arbeit, die wiederum sehr viel Energie und Kraft kostet. Sind sie der Auffassung, dass die Mitglieder der KlubKomm ihnen als Vorsitzenden den Rücken stärken?

Stefan Bohne: Ich fühle mich auf jeden Fall durch die Mitglieder gestärkt. Die Mitglieder sehen natürlich auch die Möglichkeiten mit der Stadtverwaltung ins Gespräch zu kommen oder auch gemeinsam zu handeln. Ich fühle mich auch gestärkt, wenn die KlubKomm mit ihrem Engagement nicht nur gelobt wird, wenn es gut läuft, sondern wenn unsere Arbeit auch bei Misserfolgen anerkannt wird und wir nicht als die Bösen abgestempelt werden. Langsam machen sich Erfolge dieser ehrenamtlichen Arbeit bemerkbar, aber man muss mit allen Beteiligten sehr viel kommunizieren. Es ist ein langer Weg.

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