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Großer Willen und viele kleine Schritte

Jan Thierfelder von JANTE: So finanzieren wir unser Leben mit der Band

Interview von Markus Biedermann
veröffentlicht am 24.06.2022

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Jan Thierfelder von JANTE: So finanzieren wir unser Leben mit der Band

Jan Thierfelder von JANTE. © Yellow Van Photography (Kien Kit Chan)

Es war nie leicht, mit einer Band den Lebensunterhalt zu verdienen. Im Angesicht der Pandemie, der Livemusik-Krise und minimaler Streaming-Einnahmen, stellen sich viele Musiker/innen umso mehr die Frage, wie sie mit Musik eigentlich Geld verdienen können. Jante haben einiges ausprobiert. Manches mit Erfolg. Der Kopf der Band berichtet über seine Erfahrungen und erklärt, was fürs Gelingen notwendig ist.

Backstage PRO: Hallo Jan. Du hast beim letzten Future Music Camp eine Session zu den Finanzierungsmöglichkeiten als Band gehalten, in der du auch die besonderen Herausforderungen durch die Pandemie nennst. Aber ihr hattet ja bereits zuvor ein gewisses Standing erreicht. Das Thema ist also nicht neu für euch?

Jan Thierfelder: Es ist natürlich so, dass wir uns schon vor der Pandemie Gedanken darüber gemacht haben, wie wir das Bandprojekt finanzieren. Es ist ja für jeden jungen Musiker schwierig, da man noch nicht viel Know-how hat. Zum Beispiel sind alleine Studioaufnahmen schon ein großer Kostenpunkt. Unsere erste Platte konnte ich noch aus eigener Tasche bezahlen. Aber dann machten wir bereits unser erstes Crowdfunding – vor Corona. Ich hatte von dieser Möglichkeit gehört und fand es spannend. Klar, wir hatten damals natürlich schon ein paar Fans, zudem Freunde und Familie, die uns unterstützt haben.

Backstage PRO: Wie kam es zu den ersten Fans?

Jan Thierfelder: Das lief bei uns eigentlich fast ausschließlich übers live spielen. Wir sind seit Anfang an eine Live-Band und waren flexibel genug, auf unterschiedliche Booking-Anforderungen zu reagieren. Vom Wohnzimmerkonzert als Duo bis zum Festivalauftritt in voller Besetzung. So haben wir uns eine gewisse Gefolgschaft aufgebaut, die wir dann beim Crowdfunding ansprechen konnten.

Backstage PRO: Das waren anfangs regionale Gigs?

Jan Thierfelder: Überwiegend ja, aber nicht nur. Natürlich kamen verstärkt regionale Anfragen, einfach weil wir da schon ein bisschen bekannter waren. Aber ich wollte gleich mit der ersten Platte eine Deutschland-Tour spielen. 2017 war das. Im Oktober hatte ich angefangen, Mails zu verschicken. November und Dezember vergingen ohne Rückmeldungen, doch peu à peu kam was rein und zack, waren deutschlandweit 25 Konzerte in 30 Tagen fix. Von Hamburg bis München und von Görlitz bis Wiesbaden.

Backstage PRO: Du bist die treibende Kraft, kümmerst dich ums Booking und anderes mehr?

Jan Thierfelder: Jante ist entstanden, weil ich zuvor eine Rockband hatte, bei der ich alles alleine machte und die anderen mitziehen musste. Das hat mir nicht mehr gereicht. Deshalb wollte ich erst ein Soloprojekt gründen, doch dann kam relativ schnell Tim dazu. Er hat sofort Aufgaben übernommen, ohne dass er besonders dazu aufgefordert werden musste. Wir nahmen noch zwei Musiker dazu, aber der Kern der Arbeit liegt bis heute bei uns beiden. Ich bin eher der Planer und kümmere mich um Organisation und Finanzen. Tim übernimmt Sachen wie Design und Mediengestaltung, also alles rund um Website, Merchandise oder auch die Musikvideos.

Backstage PRO: Das heißt eure Kompetenzen habt ihr euch nicht kurzfristig aufgrund der Pandemie drauf geschafft, sondern die nahmt ihr als Startvorteil in die Krisenjahre hinein.

Jan Thierfelder: Wenn man freiberuflich arbeitet, ist es das ganze Leben hindurch so, dass man sich Immer wieder umstellen und mit der Zeit gehen muss. Wir haben von Anfang an versucht, unseren eigenen Weg zu finden. So kam es eben zum Crowdfunding, Patreon und dazu, dass ich auf die Initiative Musik aufmerksam geworden bin. Für mich war jeweils klar: ok, das ist der nächste Schritt. Die Pandemie hat uns nicht von unserem Weg abgebracht, aber wir haben diese Phase genutzt. Beispielsweise haben wir ein dreimonatiges Coaching genommen, um uns zu Themen wie Marketing und Social Media weiterzubilden.

"Man ist auf der Suche nach sich selbst"

Backstage PRO: In deiner Präsentation hast du einige grundlegende Fragen formuliert, die in diesen Bereichen von Bedeutung sind: Was interessiert eigentlich eure Fans? Wofür geben sie überhaupt Geld aus? Welche Inhalte benötigt ihr für eure Kommunikationskanäle? Das ist ja teils gar nicht trivial zu beantworten. Wie geht ihr vor?

Jan Thierfelder: Es ist für uns immer noch nicht leicht. Man ist da ein bisschen auf der Suche nach sich selbst und ich glaube, das hört auch nie auf. Man verändert ja auch seine Musik immer ein bisschen, hat neue Einflüsse. Es ist also ein Prozess. Aber es gibt ein paar Grundwerte, für die man steht und mit denen man sich identifiziert. Diese muss man herausarbeiten. Mit etwas Hilfe von außen gelingt das auch. Immer wenn wir etwas Neues machen, zum Beispiel beim Merchandise, achten wir darauf, dass es zu uns passt.

Backstage PRO: Die Qualität der Musik als Erfolgsfaktor ist bei euch gegeben, weshalb wir euch vor einigen Jahren fürs Popcamp nominiert hatten. Aber es ist ja das eine, regelmäßig im Proberaum schöne Musik zu machen und sich dabei selbst zu feiern. Es ist das andere, wirklich Gigs zu ziehen und zu erreichen, dass der ganze Spaß tatsächlich finanziert wird. Wie hoch schätzt du den notwendigen Aufwand dafür ein?

Jan Thierfelder: Ich würde sagen, das nimmt einen größeren Anteil ein als das Kreieren der Musik. Wir merken das ganz konkret. Beispiel: Wir haben bisher vor allem EPs veröffentlicht. Doch jetzt gehen wir mit der Zeit und setzen verstärkt auf Singles. Wir bringen alle zwei Monate eine Single raus und ich merke schon, dass das extrem schlaucht, vor allem, sobald man das in der geforderten Intensität macht mit allem, was dazugehört an Marketing und so weiter und so fort. Aber man merkt eben auch, dass der Einsatz was bringt.

"Von den schönen Erlebnissen zehrt man"

Backstage PRO: Wie haltet ihr eure Motivation dafür aufrecht? Es gibt ja sicher auch bei euch die typischen Bruchpunkte: Da ackert man sich als Band auf so ein nices Plateau hoch, wo einiges schon gut funktioniert. Doch der Berg, den man für weiteren Erfolg erklimmen muss, wird immer größer – obwohl man die Spitze am Horizont schon kurz gesehen hat.

Jan Thierfelder: Naja, ich wüsste nicht, was ich sonst machen soll (lacht). Klar ist das Musikgeschäft immer ein großes Auf und Ab. Es gibt großartige Momente ebenso wie große Tiefen. Von den schönen Erlebnissen zehrt man. So wie jetzt: wir spielen auf dem Southside. Da geht wieder ein Traum in Erfüllung. So etwas hilft uns dabei im Flow zu bleiben und weiterzumachen, obwohl es manchmal frustrierend ist. Am Ende zahlt es sich einfach durch die besonderen Momente aus, die man erlebt. Nur finanziell ist das nicht immer so.

Backstage PRO: Würdet ihr euch größere Partner an eurer Seite wünschen, wie zum Beispiel ein Major-Label oder eine Booking-Agentur? Oder macht ihr in eurem Tempo und auf eure Art und Weise weiter?

Jan Thierfelder: Das ist eine interessante Frage. Ich würde eine Zusammenarbeit mit Partnern nicht ausschließen, aber man muss genau gucken, wie die Bedingungen sind. Man weiß ja, dass selbst ganz große Labels nicht unbedingt immer das Glück bringen, das man sich erhofft. Ich möchte mich als Künstler frei entfalten können. Aber im Bereich Booking gibt es gewisse Türen, die kann man alleine erst ab einer gewissen Größe öffnen. Und dann hilft es, wenn dich ein Partner mal als Support schickt oder auf ein bestimmtes Festival. Das beschleunigt alles ein bisschen und da hätten wir natürlich nichts dagegen.

Backstage PRO: Wobei solche potenziellen Partner natürlich ein Interesse an Acts haben, die sich selbst schon einen gewissen Status erarbeitet haben. Dazu fällt auf, dass es ja durchaus viele Musiker/innen gibt, die sagen: „Was soll der ganze Hokuspokus? Ich will Musik machen und mit dem ganzen Rest nichts zu tun haben.” Was würdest du darauf antworten?

"Man kann ganz verschiedene Wege ausprobieren"

Jan Thierfelder: Tja, da schließt sich der Kreis…. Es gibt ja das Sprichwort „Entweder man geht mit der Zeit oder man geht mit der Zeit.“ Es ist, glaube ich, für viele Menschen ein Problem – und da schließe ich mich jetzt auch nicht aus – wenn neue Aufgaben hinzukommen. Wir tendieren alle dazu, zu sagen: „Nö, da habe ich keinen Bock drauf. Das ist mir alles zu viel. Da will ich mich jetzt nicht auch noch mit beschäftigen.“ Aber so kommt man nicht weiter. Ich denke es ist besser, sich zu überlegen: Welche Ziele habe ich und wie komme ich dahin? Meistens gibt es doch ganz verschiedene Wege und man kann ausprobieren. Wenn man merkt, auf diese oder jene Art funktioniert es nicht, dann schwenkt man eben auf einen anderen Weg ein. Bei mir ist es so, dass ich oft einfach mal einen Anfang machen muss. Dann komme ich schon rein in die Aufgabe und lerne dazu.

Backstage PRO: So wirst du zunehmend Teil der ganzen Creator Economy. Du machst also nicht mehr nur Musik, sondern Fotos und Reels. Du fährst Social-Media-Kampagnen, produzierst vielleicht noch einen Podcast und drehst aufwändige Musikvideoclips. Du organisierst ein Büro. Ständig bist du gefordert: der nächste Content muss online gehen, die nächste Email geschrieben werden. Du musst deine Fans bei der Stange halten und immer wieder aufs Neue erreichen. Hast du manchmal das Gefühl, dass euch irgendwann der Band-Burnout droht?

Jan Thierfelder: Diese Gefahr ist da und in unserer heutigen Mediengesellschaft sogar relativ groß. Wir sind nicht gefeit davor. Manchmal merke ich, dass ich mich etwas zurücknehmen muss. Denn letztlich lebt man ja hauptsächlich dafür, glücklich zu sein. Sobald das nicht mehr der Fall ist, sollte man das Ganze hinterfragen. Das ist natürlich alles auch ein zweischneidiges Schwert, denn einerseits hat man heute viel mehr Möglichkeiten als noch vor 20-30 Jahren, weil man sich sein Publikum erarbeiten kann, ohne dass irgendjemand dazwischen steht, der einen daran hindern könnte. Andererseits bedeutet es natürlich auch, dass es immer mehr Konkurrenz um eine gleichbleibende oder sogar geringer werdende Aufmerksamkeitsspanne des Publikums gibt. Das muss jeder für sich entscheiden: Wo sind meine Kapazitäten, wo meine Grenzen?

Backstage PRO: Umso wichtiger, dass eine Band wirklich auch als Team funktioniert, oder?

Jan Thierfelder: Genau richtig. Das ist dann eben ein Vorteil, wenn man einen Antrag bei der Initiative Musik einreicht oder ein Crowdfunding machen will. Das ist natürlich Arbeit und man muss sich über viele Dinge Gedanken machen. Aber! Man ist dadurch gezwungen, einen Plan zu machen. Man setzt sich Termine, notiert To Dos und Bedarfe. Und schon steht die Fahrtrichtung. Wer das nicht macht, arbeitet von Song zu Song, von Platte zu Platte und dann fällt dir drei Wochen vor Release ein, was alles fehlt!

"Wenn die Musik nicht stimmt, dann hilft alles nichts"

Backstage PRO: Haben sich während der Pandemie mehr Chancen für euch ergeben, an Förderprogramme wie beispielsweise von der Initiative Musik zu kommen?

Jan Thierfelder: Ja, ich glaube schon. Das Angebot ist unter Musikern mittlerweile auch viel bekannter, weil einfach die Zeit da war, sich darüber zu informieren. Neustart Kultur ist zum Beispiel wahnsinnig attraktiv: Zeitweise gab es eine Förderung in Höhe von 90 Prozent. Für ein Projekt der Größenordnung 30.000 Euro gab es also 27.000 Euro vom Staat dazu. Natürlich ist jetzt der Pool an Bewerbern größer geworden. Aber eben auch die Summen, die ausgeschüttet werden. Die Initiative Musik ist wirklich eine gute Anlaufstelle für alle, die schon ein bisschen weitergekommen sind. Uns hat die Initiative Musik jetzt unsere dritte Platte und die Singles mitfinanziert, was in der Form, wie wir das machen, sonst niemals möglich gewesen wäre.

Backstage PRO: Das heißt doch unterm Strich: Es ist nach wie vor nicht unmöglich, per DIY im weitesten Sinne die eigene Band zu finanzieren. Gibt es drei Punkte, die du als besonders wichtig erachtest für Newcomer, die gerade erst starten?

Jan Thierfelder: An allererster Stelle steht die Musik. Wenn die Musik nicht stimmt, kannst du so viel Werbung und andere Energie reinstecken in einen Song wie du willst, dann hilft alles nichts. Marketing kann nur ein Beschleuniger sein, wenn sowieso schon Potenzial vorhanden ist. Der zweite Punkt: Findet eure Nische und macht euch klar, wer ihr seid, was ihr zu erzählen habt und wen das interessieren könnte. Man muss nämlich nicht das breite Publikum ansprechen. Manchmal sind es die kleinen Themen, die noch niemand anderes besetzt. Man muss ja nicht hunderttausend Fans haben, sondern tausend Richtige. Dann kannst du von deiner Musik leben. Ein dritter Punkt, nun ja… ich will nicht noch einen Kalenderspruch raushauen (lacht).

Backstage PRO: Raus damit!

Jan Thierfelder: Bleibt einfach dran! Es wird Rückschläge geben. Aber wenn man an sich glaubt und für die eigene Musik brennt, dann gibt es sowieso keine Alternative zum Weitermachen. Es gibt keinen Erfolg über Nacht, sondern es ist ein Prozess. Einmal im Radio gespielt zu werden oder einmal auf einem großen Festival zu sein, bringt ja langfristig nichts. Das sind nur kleine Schritte. Aber viele kleine Schritte führen am Ende zum Erfolg.

Backstage PRO: Na, da steckt doch auch Wahrheit drin. Vielen Dank für deine Zeit und weiterhin viel Erfolg mit Jante!

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Personen

Jan Thierfelder

Ausgebildeter Sänger Rock/Pop, Gitarrist aus Leipzig Sänger, Gitarrist bei Jante und ampflite

Artists

Jante

Hier kommt die erste Indie-Folkband auf Deutsch! (Rockmagazine) aus Leipzig

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