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"Der Autobahnbau ist absurd"

Lutz Leichsenring über die Folgen des Ausbaus der A100 für Berliner Clubs und seinen Abschied als Sprecher der Clubcommission

Interview von Daniel Nagel
veröffentlicht am 15.09.2023

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Lutz Leichsenring über die Folgen des Ausbaus der A100 für Berliner Clubs und seinen Abschied als Sprecher der Clubcommission

Lutz Leichsenring. © Lutz Leichsenring

Die Berliner Clubszene ist die größte und vielfältigste in Deutschland, aber wie anderswo ist sie ständigen Bedrohungen ausgesetzt, aktuell beispielsweise durch den geplanten Weiterbau der Stadtautobahn A 100. Darüber sprachen wir mit Lutz Leichsenring, dem Sprecher der Clubcommission Berlin, der uns außerdem verriet, dass er nach 15 Jahren Abschied nehmen wird.

Backstage PRO: Lutz, du bist seit vielen Jahren Sprecher der Clubcommission Berlin. Aber was ist die Clubcommission überhaupt?

Lutz Leichsenring: Die Clubcommission ist eines der ältesten – wenn nicht sogar das älteste – lokale Netzwerk für Clubkultur. Wir wurden vor knapp 25 Jahren gegründet, damals eher als Lobby einzelner Clubs. Heute sind wir eine Interessensvertretung für die gesamte Szene. Wir erhalten für viele Projekte öffentliche Gelder und beschäftigen inzwischen 20 Mitarbeiter/innen.

Backstage PRO: Wie ist die Clubcommission organisatorisch strukturiert?

Lutz Leichsenring: Die Clubcommission besteht aus einem ehrenamtlichen Vorstand, dessen Teil ich seit 14 Jahren bin. Wir treffen uns regelmäßig und befassen uns eher konzeptuell mit verschiedenen Projekten, d.h. wir versuchen mit Sachverstand eine Marschrichtung vorzugeben, während das Büro eher operativ agiert.

Backstage PRO: Wie genau finanziert ihr euch?

Lutz Leichsenring: Zum einen sind wir ein Verein und erhalten Mitgliedsbeiträge unserer über 350 Mitglieder. Zum anderen führen wir Projekte mit beispielsweise der Kulturverwaltung, der Wirtschaftsverwaltung oder während Corona auch mit der Gesundheitsverwaltung durch. Dazu arbeiten wir lokal eng mit verschiedenen Bezirken zusammen.

Backstage PRO: Ihr erhaltet hauptsächlich Finanzierung für spezielle Projekte?

Lutz Leichsenring: Genau. In Berlin haben wir außerdem die Besonderheit, dass wir als Teil unserer Arbeit die Schaffung des Musicboard Berlin gefordert und dieses erhalten zu haben. Dort sitzen wir im Beirat. Das Musicboard finanziert neben der Künstlerförderung auch einen großen Teil unserer Arbeit.

Backstage PRO: Ihr kümmert euch natürlich seit vielen Jahren um die Interessen der Berliner Clubs. Aktuell gibt es einen Konflikt um den Bau der Stadtautobahn A 100, insbesondere um den Bau des Abschnittes 17 zwischen der Anschlussstelle Treptower Park und dem Ostkreuz. Sollte weitergebaut werden, würde das für viele Clubs das Aus bedeuten. Wer ist betroffen?

Lutz Leichsenring: Insgesamt wären im Bereich zwischen Treptower Park und Ostkreuz fünf Clubs betroffen. Das ://about blank, ein linker Technoclub, der als Kollektiv geführt wird und einen eigenen Betriebsrat hat. Das ://about blank ist ein sehr basisdemokratisch geführter Club, der eine Art Einzelstellung in der Stadt hat.

Die Renate ist ein Veteran in der Clubszene, der in einem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus errichtet wurde und sich durch viele kleine Räume auszeichnet, was insbesondere für kleinere Kollektive oder unbekanntere Künstler/innen attraktiv ist.

Die Zukunft ist ein sehr kleiner Club, der glücklicherweise bereits einen neuen Ort gefunden hat und neben die Renate umziehen wird. Die Besonderheit der Zukunft ist die Vermischung von Club- und Filmkultur, denn der Club zeigt viele Art-Filme.

Die Else liegt in einmaliger Lage direkt am Fluss unter der Elsenbrücke. Der Club Ost ist eher eine Eventlocation mit großem Außen- und Innenbereich direkt am Wasser, der von der Clubszene ähnlich wie ein Festival bespielt wird.

Backstage PRO: Läuft der Ausbau wie geplant, soll der Ausbau der A 100 danach vom Ostkreuz bis zur Frankfurter Allee weitergeführt werden. Was würde das für die Clubszene bedeuten?

Lutz Leichsenring: Dann müssten 21 weitere Kulturorte und soziokulturelle Orte der Straße weichen.

Backstage PRO: Weiter westliche liegende Veranstaltungsorte wie der Festsaal Kreuzberg oder die Arena Berlin sind nicht betroffen?

Lutz Leichsenring: Nein, wobei die Clubs neben der Arena, wie die Clubs Birgit und Æden, auf der sogenannten Lohmühle, ein anderes Problem haben. Die gehört einem privaten Eigentümer, der dort gerne Wohnbauten errichten möchte. Gerade geht das allerdings nicht, weil auf dem gleichen Gelände die Cemex steht, der weltweit größte Konzern für Zement, der auch für die Autobahn Zement liefert. Mit Ende der Autobahn könnte das Thema aber wieder zur Debatte stehen.

Backstage PRO: Ein Autobahnausbau im innerstädtischen Bereich ist eine ziemlich teure Angelegenheit.

Lutz Leichsenring: Kürzlich war zu lesen, dass der 17. Abschnitt der Autobahn laut neuer Kalkulation mindestens 1,5 Milliarden Euro kosten wird. Das heißt, jeder Meter Autobahn kostet 200.000 Euro. Die Autobahn wird ja vom Bund gebaut, insofern wird der Bau mit Bundesmitteln finanziert.

Backstage PRO: Wie steht der Berliner Senat zum Ausbau?

Lutz Leichsenring: Es würde helfen, wenn die Berliner Politik geschlossen dagegen stehen würde, aber die aktuelle Koalition hat sich neutral positioniert. Die SPD war dagegen und die CDU dafür, daher herrscht eine Art Pattsituation, die uns allen nicht hilft. Ich bin aber froh, dass Kultursenator Joe Chialo, der auch der CDU angehört, öffentlich Sympathie für die Clubs bekundet. Er will sich auch um Worst-Case-Szenarien kümmern – und das ist schonmal wichtig.

Backstage PRO: Welche Alternativen gibt es denn für die betroffenen Clubs?

Lutz Leichsenring: Naheliegende Alternativen gibt es nicht. Außerdem ist der Autobahnverlauf ja noch nicht ganz klar. Das wäre Teil der Detailplanung, sollte der Bau wirklich fortgesetzt werden. Es ist zum Beispiel noch nicht klar, ob das ://about blank wirklich weg muss, da der Ort eigentlich nur als Abstellplatz für Baufahrzeuge eingeplant ist. Daher wäre es absurd, deshalb das ganze Gebäude abzureißen. Dennoch brauchen wir natürlich Pläne für solche Szenarien.

Backstage PRO: Die Debatte erinnert eigentlich an die 1950er- oder 1960er-Jahre.

Lutz Leichsenring: Genau. Man kann es sich heute gar nicht vorstellen, aber auch der Oranienplatz in Kreuzberg sollte ursprünglich ein Autobahnkreuz werden. Hausbesetzer verhinderten damals die bereits sehr konkreten Pläne, wir wollen dasselbe schaffen.

Backstage PRO: Seitdem herrscht ja ein anderes Bewusstsein für die Folgen, könnte man meinen.

Lutz Leichsenring: In ein paar Jahren will ich jedenfalls nicht derjenige sein, der gefragt wird, warum wir mitten in der Klimakrise eine sechsspurige Autobahn quer durch Berlin gebaut haben, während andere Städte genau das Gegenteil machen. Diese Absurdität zeigen auch die Zahlen zu den Auswirkungen des 49-Euro-Tickets. Der Autoverkehr in Deutschland ist um 10 Prozent gesunken, in Berlin sogar um 14 Prozent.

Lutz Leichsenring Protest A 100

Lutz Leichsenring Protest A 100, © privat

Backstage PRO: Die Situation ist aber ja noch komplizierter. Die Clubs stehen ja nicht nur wegen der Autobahn auf dem Spiel, sondern sie verfügen ja auch nur über temporäre Pachtverträge, da sie ja auf Gelände errichtet wurden, wo die Autobahn verlaufen soll. Einige Politiker überlegen daher, ob man Wohnhäuser an Stelle der Clubs bauen könnte, falls die A100 nicht weitergebaut wird.

Lutz Leichsenring: Es gehört zur Diskussion, sich über diesen Kiez Gedanken zu machen und eine Vision zu entwickeln, die die breite Gesellschaft mit einbezieht. 

Aktuell sind die meisten Clubflächen bis auf die Renate entweder Landes- oder Bezirksbesitz. Die Clubs können überleben, wenn die Stadt und die Gesellschaft das möchten. Die Signale, die wir aus der Politik erhalten, sind, dass man die Clubs eigentlich erhalten möchte.

Backstage PRO: Also kein Wohnungsbau?

Lutz Leichsenring: Man kann durchaus erwarten, dass dort in Zukunft dichter gebaut wird. Das eine schließt das andere nicht aus, an vielen Orten in Berlin stehen Wohngebäude und Clubs dicht beieinander. Mit Technologien wie Noise-Cancelling-Soundsystemen lässt sich viel machen, um die Beschallung sowohl im Innen- wie auch im Außenbereich so einzustellen, dass es nicht zu Störungen kommt.

Backstage PRO: Zuletzt hatten wir ein Interview mit Robert Gaa, dem Night Mayor in Mannheim. Als positives Beispiel im Bereich Schallschutz nannte er Clubs im Bereich des Flutgrabens in Berlin, die genau solche Noise-Cancelling-Systeme eingebaut haben. Die Finanzierung erfolgte über den Schallschutzfonds, den ihr ja auch verwaltet.

Lutz Leichsenring: Genau, wir haben in verschiedenen Clubs wie dem Club der Visionäre, der Birgit und dem Æden Soundsysteme installiert, die sehr zentriert auf die Tanzfläche strahlen. So ein System kostet um die 100.000 Euro und wurde durch den Schallschutzfonds je mit bis zu 60 Prozent bezuschusst.

Backstage PRO: Dieser Schallschutzfonds wird von der Clubcommission verwaltet. Wie genau funktioniert er?

Lutz Leichsenring: Das ist ein zweistufiger Prozess. Es gibt klare Kriterien, wer Zugriff auf diesen Fond hat, beispielsweise muss man eine bestimmte Anzahl an Live-Musik-Veranstaltungen im Jahr machen und eine gewisse Länge des Mietvertrags vorweisen können. Außerdem muss das Programm des letzten Jahres dokumentiert werden, genauso wie die Tatsache, dass aktuell Konflikte um die Lautstärke bestehen – die Investition soll sich ja auch lohnen.

Erfüllt ein Club die Voraussetzungen, finanzieren wir im ersten Schritt ein Gutachten, das feststellt, was zu tun ist, um den Schall einzudämmen. Im zweiten Schritt muss ein Antrag für diese Baumaßnahmen gestellt werden. Dann entscheidet eine Jury, ob wirklich alle Kriterien für den Zuschuss erfüllt werden. Bekommt ein Club den Zuschuss, kann dieser bis zu 60 Prozent der Gesamtkosten betragen, maximal aber 100.000 Euro.

Backstage PRO: Wie funktionieren die Noise-Cancelling-Soundsysteme?

Lutz Leichsenring: Ganz simpel erklärt gibt es am Boden Bassboxen, hinter die dasselbe Soundsystem mit demselben Bass geschaltet ist, aber um eine Millisekunde versetzt. So löscht der eine Bass den anderen aus. Die Installation sorgt damit dafür, dass sich der Bass nur in eine Richtung ausbreiten kann. Das ganze kann durch Schallschutztüren, Dämmung oder vibrierende Tanzflächen ergänzt werden, die das Gefühl des Basses verstärken, selbst wenn die Musik eigentlich leiser ist.

Backstage PRO: Du hast das Thema Mental Health angesprochen. Worum geht es bei diesem Projekt?

Lutz Leichsenring: Es handelt sich um ein Projekt mit dem Bundesgesundheitsministerium, das noch ganz am Anfang steht. Es geht in erster Linie um "Nighttime Workers", also Menschen, die zu ungesunden Zeiten im Nachtleben arbeiten, in einem Umfeld, in dem sehr viel getrunken und konsumiert wird. Das sind in Berlin immerhin 10.000 Menschen, ausgenommen die DJs.

Wir beschäftigen uns mit allem, was mit Mental Health und Problemen, die aus diesem Arbeitsumfeld entstehen, zu tun hat. Wir arbeiten mit Krankenkassen zusammen, um Aufklärung und Beratungsangebote für beispielsweise Suchtproblematik anzubieten. Gerade während Corona ist das Thema Mental Health sehr in den Vordergrund gerückt.

Backstage PRO: Außerdem habt ihr Awareness-Projekte. Das ist in den Medien gerade ein sehr aktuelles Thema. Worum geht es da?

Lutz Leichsenring: Die Awareness-Akademie ist dadurch entstanden, dass wir gemerkt haben, dass man bei diesem Thema nicht die "one-size-fits-all-Methodik" anwenden kann. Jede Szene, jeder Laden, jedes Publikum und jedes Musikgenre hat seine eigenen Schwierigkeiten mit Übergriffen, Fehlverhalten und mit unterrepräsentierten oder marginalisierten Gruppen. Wenige weiblich gelesene Personen im Line-Up, rein männliche Führungsebene – da gibt es einen ganzen Strauß an Themen rund um Awareness. Als progressiver Teil der Gesellschaft will die Clubszene ein Bewusstsein dafür schaffen.

Backstage PRO: Wie geht ihr das an?

Lutz Leichsenring: Wir haben die Awareness-Akademie ins Leben gerufen. Das ist eine Plattform, auf der Trainings zu dem Thema stattfinden, die Teilnehmende dann in der eigenen Szene anwenden können. Es gibt Netzwerktreffen, Weiterbildungen, Input, Checklisten, Guides – alles was man braucht, um die Dinge zu verbessern.

Backstage PRO: Wenn man über Clubs spricht, stellt sich oft die Frage, dass man gar nicht genau weiß, über was man genau redet – insbesondere in den Anfängen der Clubcommission oder anderen Vereinen. Deshalb habt ihr das Clubkataster erstellt. Was ist das?

Lutz Leichsenring: Das Clubkataster ist aus der "Creative Footprint" Studie entstanden, die ich 2017 gemeinsam mit einem Harvard Professor entwickelt habe und die inzwischen auch in Städten wie New York, Tokio, Stockholm, Montreal und aktuell auch Sydney durchgeführt wurde. Die Studie ist eine neue Möglichkeit, um ein Bild eines kulturellen Bereichs zu erhalten, ohne auf ökonomische Zahlen zu schauen.

Zuvor hat man nur die wirtschaftlichen Zahlen in Betracht gezogen, aber jeder, der sich in der Szene auskennt, weiß, dass nicht unbedingt diejenigen mit dem größten Umsatz die innovativsten sind. Teilweise finden die coolsten, angesagtesten Veranstaltungen sogar illegal statt und tragen gar nicht zu dieser ökonomischen Betrachtung bei.

Deshalb war es uns wichtig, eine Studie durchzuführen, die darlegt, wo diese Räume in der Stadt sind, was dort passiert, wie experimentierfreudig oder wie mainstreamig diese Räume genutzt werden, wie groß und gut angebunden sie sind, welche marginalisierten Gruppen diese Räume nutzen, und so weiter.

Daraus ist dann das Clubkataster entstanden. Es bietet ein dauerhaftes Monitoring darüber, wo verschiedene Baumaßnahmen in der Stadt stattfinden und wo es zu Konfliktsituationen kommen könnte. Wir wollen nicht nach gefallenen Entscheidungen mit einem Bagger überrascht werden, sondern schon Jahre vorher Bauentwicklungsplanungen sehen und Interventionen starten können.

Backstage PRO: Würdest du sagen, dass dadurch die Informationen über den aktuellen Zustand der Clubszene verlässlicher sind?

Lutz Leichsenring: Für die Arbeit der Clubcommission ist das natürlich wichtig, die Szene ist schließlich sehr groß und wir müssen einen Überblick wahren. Ursprünglich dachten wir, auch die Stadt könnte damit arbeiten, aber das funktioniert leider nicht. Aber wir als Organisation haben Zugriff darauf und wir lassen auch öffentliche Daten in die Datenbank einspielen. Das bedeutet, wir sehen, wo solche Bauprojekte sind, und können früh reagieren.

Backstage PRO: In jeder Großstadt ist die Frage nach geeigneten Räumen und Flächen für kulturelle Events sowohl outdoor als auch indoor ein großes Thema. Wie stellt sich aus deiner Sicht die Situation in Berlin dar? Wie geht ihr damit um?

Lutz Leichsenring: In den letzten Jahren hat sich in dieser Hinsicht einiges geändert. Ich sehe Grund zum Optimismus. Zum einen gibt es durch die Möglichkeit des Homeoffices weniger Nachfrage nach großen Büroflächen. Zum anderen sehen wir das Wegsterben des innerstädtischen Einzelhandels.

Gerade gibt es in Berlin die Diskussion darum, die Galeries Lafayette in der Friedrichstraße in die Landeszentralbibliothek umzuwandeln. Das ist zwar ein öffentlich gefördertes Projekt, zeigt aber die Tendenz, dass wir uns zunehmend mit diesen Retailflächen beschäftigen können, die nicht mehr so nachgefragt werden.

Es liegt auch im Interesse der Stadt, dass zumindest der verbleibende Einzelhandel weiterhin gut frequentiert wird. Das kann man nicht nur mit einer Speisegastronomie auffangen, dazu gehören auch Veranstaltungsflächen.

Backstage PRO: Mit anderen Worten: Das Einzelhandelssterben in Innenstädten hat auch positive Seiten, denn es schafft potenziellen Platz für Kultur.

Lutz Leichsenring: Genau. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir eine Clubcommission oder einen Nachtbürgermeister in jeder Stadt haben. Irgendjemand muss mit am Tisch sitzen, wenn es um diesen Dialog geht. Außerdem muss man dafür sorgen, dass es nicht nur um temporäre Flächen geht, sondern um dauerhafte Projekte.

Backstage PRO: Bei der Clubcommission arbeitest du ehrenamtlich. Was machst du, wenn du nicht gerade für die Clubcommission das Wort ergreifst?

Lutz Leichsenring: Hauptberuflich bin ich Gründer von VibeLab. Das ist eine Beratung, die sich auf das Thema Nachtkultur spezialisiert hat. Einer meiner Geschäftspartner ist der ehemalige Nachtbürgermeister von Amsterdam, meine andere Partnerin sitzt in Sydney, kümmert sich dort um die Electronic Music Conferenz und nimmt in der örtlichen Musik- und Clubszene eine ähnliche Rolle ein wie ich in Berlin.

Aktuell sind wir in verschiedenen Städten der Welt tätig und bauen dort Dialoge und Konzepte auf, arbeiten mit der Stadtverwaltung zusammen und führen Studien durch.

Vor kurzem haben wir eine Studie in Montreal abgeschlossen und arbeiten gerade an einer neuen in Nashville. Wir führen Nighttime-Strategien für verschiedene Städte durch und arbeiten sehr stark daran, unser Wissen, das wir in unseren Städten aufgebaut haben, dort einzusetzen, um dieser Community eine Plattform zu schaffen.

Backstage PRO: Wie geht es der Clubkultur in Berlin? Aus verschiedenen Städten in Deutschland hört man zu diesem Thema sehr unterschiedliche Dinge.

Lutz Leichsenring: Wir machen regelmäßige Befragungen, in denen wir über aktuelle Herausforderungen sprechen; die nächste wird aber erst wieder am Ende des Sommers stattfinden. Aktuell können wir uns nur auf die letzten Ergebnisse von vor 3 oder 4 Monaten berufen. Die waren ziemlich ernüchternd. Energiepreise, Inflation, erhöhte Personalkosten wegen des gestiegenen Mindestlohns, mangelndes Personal, Umsatzrückgang, weniger Tourismus – da kam einiges auf einmal.

Backstage PRO: Und wie ist die Lage jetzt?

Lutz Leichsenring: Wir können nur hoffen, dass die nächste Befragung zeigt, dass der Sommer positive Auswirkungen auf die Szene hatte. Wir wissen aber auch, dass es in dieser Jahreszeit meistens einen sehr guten Monat gibt, gefolgt von einem Sommerloch. Das trifft manche Clubs härter als andere, die vielleicht einen schönen Außenbereich haben.

Im letzten Jahr war der Sommer trotz wenigen Touristen für Nach-Corona-Verhältnisse sehr gut, nur die Konzertclubs hatten größere Schwierigkeiten, da das Touring-Geschäft sehr viel Zeit braucht, um richtig ins Rollen zu kommen. Eine abschließende Einschätzung zu treffen ist derzeit schwer.

Backstage PRO: Gibt es noch etwas, das wir vergessen haben?

Lutz Leichsenring: Eine Sache habe ich noch. Aktuell befinde ich mich in meiner letzten Amtszeit im Vorstand der Clubcommission Berlin. Nach 15 Jahren werde ich mich verabschieden; in den nächsten Monaten wird es deshalb einen größeren Wechsel geben. Ganz weg werde ich natürlich nicht sein, aber nach so viel Zeit ist es vielleicht mal ganz gut, dem Verein ein neues Gesicht zu geben.

Backstage PRO: Dann wünschen wir Dir viel Glück für die nächsten Aufgaben, die sicher nicht lange auf sich warten lassen werden. Vielen Dank für das Interview!

Locations

about blank

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Markgrafendamm 24c, 10245 Berlin

Wilde Renate

Wilde Renate

Alt-Stralau 70, 10245 Berlin

ELSE

ELSE

An den Treptowers 10, 12435 Berlin

ZUKUNFT // Ostkreuz

ZUKUNFT // Ostkreuz

Alt-Stralau 68, 10245 Berlin

Birgit

Birgit

Schleusenufer 3, 10997 Berlin

Club der Visionäre

Am Flutgraben 1, 12435 Berlin

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