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Eine Spritze für die Live-Kultur

Pandemiegerechte Open-Air-Konzerte boomen dank staatlicher Förderung

Spezial/Schwerpunkt von Karla the Fox
veröffentlicht am 15.06.2021

coronakrise liveszene Öffnungsperspektiven

Pandemiegerechte Open-Air-Konzerte boomen dank staatlicher Förderung

© Rudi Brand

Seitdem die Inzidenzwerte sinken, können Konzerte unter strengen Auflagen wieder stattfinden. Da die Besucherzahlen begrenzt sind, sind die Veranstalterinnen und Veranstalter auf staatliche Unterstützung angewiesen. Aber lohnt sich dieses Konzept für Veranstalter/innen und Gäste?

Welche Veranstaltungen derzeit überhaupt erlaubt sind, hängt von Bundesland und Inzidenzwert ab. Daher gilt es, sich über die aktuellen Fakten zu informieren: In welchem Rahmen sind Open-Air-Events in deinem Bundesland bei einem bestimmten Inzidenzwert zugelassen?

Zwei Beispiele für aktuelle Regelungen

In Nordrhein-Westfalen liegt die 7-Tage-Inzidenz aktuell beispielsweise bei weniger als 35. Das bedeutet, dass "Veranstaltungen außen und innen, Theater, Opern, Kinos mit bis zu 1.000 Personen, Sitzplan und Test" erlaubt sind. Ab dem 1. September sollen beim gleichen Wert Musikfestivals mit bis zu 1.000 Besucher/innen, Test und Hygienekonzept möglich sein.

In Berlin gibt es seit dem 4. Juni ähnliche Regeln. Hier sind Veranstaltungen im Freien mit bis zu 500 Personen erlaubt. Wenn über 250 Gäste anwesend sind, müssen sie einen negativen Corona-Test vorlegen. Außerdem müssen Hygienevorschriften eingehalten werden und die Kontaktdaten müssen aufgenommen werden. 

Keine Chance auf Großveranstaltungen

Festivals mit mehrere tausend Besucherinnen und Besuchern werden in diesem Sommer also noch nicht möglich sein. Dabei ist allerdings auch zu beachten, dass sich die Regeln ständig ändern und bei sinkenden Infektionszahlen größere Veranstaltungen erlaubt werden könnten.

Dennoch lohnen sich diese Konzerte aus finanzieller Sicht nicht. Es können nicht genügend Tickets verkauft werden, damit die Events rentabel sind. Um dennoch Konzerte stattfinden zu lassen, greifen die Veranstaltenden auf staatliche Hilfen zurück.

Unterstützung durch Neustart Kultur

Bereits im letzten Sommer hat die Bundesregierung das Hilfsprogramm Neustart Kultur ins Leben gerufen. Rund 1 Milliarden Euro waren von Beginn an eingeplant, um Musik, Kunst und Medien in der Pandemie zu fördern.

Anfang 2021 wurde das Programm verlängert und das Budget auf 2 Milliarden Euro aufgestockt. Die Fördermaßnahmen für Live-Events waren von Anfang an darauf ausgerichtet, pandemiegerechte Veranstaltungen trotz fehlender Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Die Auszahlung von Hilfen erfolgt daher erst, sobald ein Event konkret geplant ist. 

Neuer Sonderfonds für Kulturveranstaltungen

Ganz frisch freigegeben wurde der Sonderfond für Kulturveranstaltungen. Das Bundeskabinett hat 2,5 Milliarden Euro eingeplant, um Kulturveranstaltung nach der Pandemie zu ermöglichen. Die Gelder sollen die Verluste ausgleichen, die durch die Corona-Schutzmaßnahmen entstehen. Sie können auch von Kinos oder Theaterhäusern beantragt werden, eben allen Kultureinrichtungen, die vor Live-Publikum stattfinden.

Das Budget soll aufgeteilt werden. Ein Teil fließt in die "Wirtschaftlichkeitshilfe für kleinere Veranstaltungen, die unter Beachtung Corona-bedingter Hygienebestimmungen der Länder mit reduziertem Publikum stattfinden."

Mit dieser können nach der Veranstaltung Einnahmen aufgestockt werden, die sonst durch weitere verkaufte Tickets entstanden wären. Die Hilfe steht ab dem 1. Juli zur Verfügung. Ab dem 1. August sollen Events mit bis zu 2.000 Personen gefördert werden.

Der zweite Teil ist eine Art Versicherung. Es soll eine "Ausfallabsicherung für größere Kulturveranstaltungen" werden, die ab dem 1. September geplant sind. Sie greift, wenn ein ab September angesetztes Event pandemiebedingt doch wieder verschoben oder abgesagt werden muss.

Weitere Details und eine Möglichkeit zur Registrierung eigener Events gibt es ab dem 15.06.2021 hier. Für Fragen zur Antragstellung wird es eine Hotline geben.

Gute Nachrichten, aber...

Das sind gute Nachrichten. Dennoch ist zu bedenken, dass die Versicherung und die Auszahlung erst im Nachhinein greifen. Es bleibt ein bestimmtes Risiko, zum Beispiel, dass das eigene Event nicht förderberechtigt ist oder dass die Auszahlung nicht stattfindet, da nicht alle Regeln eingehalten wurden.

Eine genaue Planung und die strenge Durchsetzung der Maßnahmen sind zudem verpflichtend, was natürlich wiederum Kosten erzeugt.

Staatliche Hilfe mit breiten Auswirkungen

Schon jetzt zeigt sich aber, dass viele Angebote dankbar angenommen werden. Künstler/innen und Veranstalter/innen können überhaupt wieder Einnahmen generieren und ihren Beruf wieder ausführen. Auch die gesamte Eventbranche profitiert, von Ton- und Lichttechniker/innen über Bühnenbauer/innen und Stagehands. 

Dazu gibt es indirekte Gewinner: Die Gastrobranche profitiert ebenso von Veranstaltungen, auf denen Gäste essen und trinken wie die Getränke- und Lebensmittelbranche. 

Das Kulturangebot sorgt außerdem für eine bessere Stimmung in der breiten Bevölkerung. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können sich mit den beschränkten Angeboten wieder langsam an die "Normalität" gewöhnen und unterschiedliche Sicherheitskonzepte testen.

Auch die Bereitschaft, sich impfen und testen zu lassen, steigt durch die Bedingungen der Events. Wenn die Infektionszahlen niedrig bleiben, können auch im Herbst mehr Konzerte stattfinden, wodurch die Einnahmen schrittweise im Verlauf des Jahres steigen würden.

Konzertreihen auf Deutschlandtour

Wohin man auch in Deutschland blickt, überall sind pandemiegerechte Open Air-Konzerte geplant. Waren 2020 noch Konzerte im Autokinos verbreitet, sind diese für 2021 weniger geplant. Kein Wunder, es ist ja auch viel schöner, unter freiem Himmel Musik zu hören und nicht als Übertragung im Autoradio. 

Daher wurden die Open Air-Konzepte des Jahres 2021 für den aktuellen Sommer deutlich ausgeweitet. Ein Beispiel ist das Strandkorb Open Air. Letztes Jahr gab es die Konzertreihe nur in Mönchengladbach, dieses Jahr findet sie an nicht weniger als 16 Orten in ganz Deutschland statt.

Das Konzept: Man sitzt immer zu zweit in Strandkörben, Getränke werden gebracht und die Besucher sind auf "Inseln" aufgeteilt. Sie treffen also insgesamt nur auf einen Teil der Gäste. Ein ähnliches Konzept verfolgen die Picknick-Konzerte, die in 14 Städten gastieren werden

Open Air-Konzerte überall in Deutschland

Auch lokale Konzertreihen finden statt, einige davon neu, einige davon in neuem Format. In Hamburg findet das traditionelle Stadtpark Open Air statt, in Mannheim verwandelt sich das Zeltfestival Rhein-Neckar zu einem reinen Open Air-Event und in Frankfurt bietet die Sommerwiese vor der Jahrhunderthalle Musik abseits des Mainstreams. 

Hannover hat ebenfalls große Pläne für den Open-Air-Sommer: Das KOMMRAUS Festival im Ricklinger Bad. An 45 Tagen sollen über 60 Veranstaltungen stattfinden. Neben Konzerten soll es auch Workshops und gesellschaftliche Diskussionen geben. 

Das ist nicht die einzige Veranstaltungsreihe in der niedersächsichen Landeshauptstatt. Außerdem gibt es dort noch die Back On Stage-Konzertreihe auf der Gilde Parkbühne.

Dass sich die Förderung nicht auf Konzerte beschränkt, zeigt das Beispiel aus Thüringen. Dort werden sechs kommunale Festivals von Neustart Kultur unterstützt.

Von Festivals zu Konzertreihen

Darüber hinaus werden viele kleine Festivals und Open-Air-Konzerte stattfinden. Sehr früh fanden Events statt, die das Schwarze Leipzig veranstaltet hat, nachdem das Wave-Gotik-Treffen abgesagt wurde.

Die Veranstalter haben auf die Test- und Maskenpflicht gesetzt. Die Freude der Besucher war groß, denn für die Schwarze Szene ist es am Pfingstwochenende Tradition, nach Leipzig zu reisen.

Ähnliches wird sich im Sommer an vielen Orten überall in Deutschland abspielen. Statt großer Massenfestivals gibt es pandemiegerechte Konzertreihen, wie sie beispielsweise das Open Flair Festival in Eschwege, das Taubertal Festival in Rothenburg und das Juicy Beats Festival in Dortmund veranstalten werden.

Nur deutsche Acts

Auffällig ist, dass die Line-ups fast nur aus deutschen oder in Deutschland ansässigen Künstlern und Bands bestehen.

Die internationalen Reisebeschränkungen machen die Verpflichtung ausländischer Acts sogar innerhalb der EU zu einem gewissen Wagnis. Acts aus Übersee sind fast gänzlich außen vor.

Wie müssen die Hygienekonzepte aussehen?

Egal, ob ein Open-Air-Konzert staatlich gefördert werden soll oder nicht – noch müssen sich alle Events an Regel halten. Dafür muss vorab ein Hygienekonzept eingereicht werden.

Es gibt Richtlinien, die auf den Seiten der Städte und Länder nachgelesen werden können. Die IHK stellt Formulare bereit, in denen Veranstalter eintragen können, durch welche Maßnahmen die Regeln eingehalten werden. Auch Veranstalterorganisationen stellen Hygienekonzepte bereit.

Zentrale Aspekte der Hygienekonzepte

  • Bei Sitzplätzen, vor allem im Innenbereich, eine Aufstellung der Sitze im Schachbrettmuster
  • Generell fest zugewiesene Sitzplätze, zum Beispiel Tische in der Außengastro
  • Trennung von Bereichen durch Markierungen am Boden
  • Getrennte Eingänge je Bereich
  • Maskenpflicht auf dem Weg zur Theke oder zur Toilette
  • Lieferung von Essen und Trinken an den Platz
  • Bargeldlose Bezahlung
  • Belüftungsanlage (bei geschlossenen Räumen)
  • Desinfektionsmittel bereitstellen
  • Personalisierte Tickets und Angabe von Kontaktdaten
  • Wer Symptome hat, muss daheimbleiben, auch Mitarbeiter
  • Vorlage eines Tests oder Nachweis der Impfung oder Genesung

Es gilt sich daher bei der Gemeinde zu informieren, welche Hygienevorgaben es gibt. Besucher von Veranstaltungen können sich beispielsweise auf den Seiten der Veranstalter über die geltenden Regeln informieren.

Grund zur Vorfreude

Wann es wieder Open-Air-Festivals mit mehreren zehn- oder gar hunderttausend Besuchern geben wird, kann aktuell niemand sagen. Vieles wird von der allgemeinen Entwicklung der Pandemie abhängen, die aktuell niemand vorhersagen kann.

Die Konzertplanung verlangt den Veranstalter ein gehöriges Maß an Flexibilität ab. Die Open Air-Konzertreihen des Sommers 2021 sind jedenfalls nur durch staatliche Hilfen denkbar.

Jetzt müssen nur noch die Gäste kommen. Aktuell sieht es so aus, als würden die Angebote angekommen, weil die Menschen geradezu nach Kulturveranstaltungen dürsten. 

Mit steigender Impfquote und sinkenden Infektionszahlen sind die Aussichten auf ein wenig Open Air-Feeling im Sommer gar nicht schlecht. Das hilft nicht nur den Besucherinnen und Besuchern, sondern auch Veranstaltenden, Musiker/innen, Dienstleistenden und damit uns allen.

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