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"Es gibt für alles eine Nische und keine Patentrezepte"

Ralph Christoph über die Neuerfindung der c/o pop und wichtige Trends im Musikbusiness

Interview von Ole Löding
veröffentlicht am 16.04.2019

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Ralph Christoph über die Neuerfindung der c/o pop und wichtige Trends im Musikbusiness

Ralph Christoph. © Lioba Schneider

Anfang Mai findet die mittlerweile 16. Ausgabe des Musikfestivals c/o pop ("Cologne On Pop") statt. Mit Ralph Christoph (Programmleiter der Convention) sprachen wir über die Neuerfindung des Branchenevents, die wichtigsten Fragen für Newcomer und gegenwärtige Trends des Musikbusiness.

In diesem Jahr ist alles neu: Nicht nur wurde der Termin des Kölner c/o pop Festivals (01.05.2019 - 05.05.2019) vom August in den Frühsommer vorgezogen. Zudem wurde das Showcase-Programm in einen neuen Stadtteil verlagert: Das c/o Ehrenfeld wird in etablierten Clubs, aber auch in Büdchen, Shops und Industriefabriken spannende Newcomer präsentieren und die Musikfans in den Kölner Nordwesten locken.

Neben den Shows ist vor allem die c/o pop Convention gerade für Newcomer von besonderem Interesse. Sie hält mit Workshops und Panels wichtige Tipps und Tricks für Nachwuchsmusikerinnen und -musiker bereit: Musiklizenzierung, Rechtsfragen, Social-Media-Marketing und das Vernetzen mit Profis aus der Kreativbranche stehen im Fokus der Konferenz.

Teil der c/o pop ist der seit 2018 von der Bundesregierung geförderte "musichubgermany". Bei diesem geht es darum, den deutschen Musikmarkt zu stärken, indem deutsche Newcomer mit nationalen und internationalen Multiplikatoren zusammengebracht werden, mit der der Absicht, ihnen Zugang zu neuen Labels, neuen Vertriebsmöglichkeiten oder auch neuen Auftrittsmöglichkeiten zu eröffnen.

Viel zu besprechen mit Convention-Leiter Ralph Christoph, der sich in einem Literaturcafé im Herzen Ehrenfelds Zeit für uns nahm.

"Wir arbeiten intensiv mit den regionalen Förderern zusammen"

Backstage PRO: Ihr zieht das Showcase-Festival nach Köln Ehrenfeld, die c/o pop findet zum ersten Mal Anfang Mai statt. Was war der Grund für diese Neuerfindung?

Ralph Christoph: Das Fünfzehnjährige im vergangenen Jahr war noch einmal der Blick darauf, was wir sind und wo wir herkommen, aber es war da schon klar, dass wir die c/o pop neu aufsetzen möchten. Für uns war eindeutig: Wenn wir wachsen wollen, dann müssen wir aus den Sommerferien heraus.

Es hat sich ja in im Vergleich zu 2004 als wir anfingen, extrem viel geändert. Damals waren alle froh, dass wir im Sommer so eine Veranstaltung machten, weil das so eine Saure-Gurken-Zeit war. Mittlerweile ist der ganze Sommer voller Events und das Belgische Viertel, in dem wir waren, ist ausgentrifziert, die Auflagen sind zu hoch geworden. Deshalb gehen wir mit dem Showcase-Festival und einem breiten Rahmenprogramm nach Ehrenfeld, weil es hier die vitalsten Clubs der Stadt gibt, aber auch, weil wir hier besondere Orte wie Dönerläden, Friseure, Yoga-Räume bespielen und entdecken können. Das Bezahlprogramm bleibt über die ganze Stadt verteilt; von der Philharmonie über die Sartory-Säle bis zur neuen Festivalzentrale im Bürgerzentrum Ehrenfeld. Die Showcase-Shows sind jetzt in Ehrenfeld.

Backstage PRO: An welches Level von Professionalität richtet sich das Showcase-Festival denn? Und auch der musichubgermany, den du verantwortest? Kann ich mich als Band an euch wenden und fragen, ob ihr uns irgendwie connecten könnt?

Ralph Christoph: Alle Bands müssen zunächst durch den Filter des Bookers durch. Wir haben x-mal mehr Bewerbungen oder interessante Bands, als wir im Rahmen des c/o pop Festivals bedienen können. Und wir sind ja kein Showcase-Festival, bei dem wir von vornherein sagen: Es können sich Bands dieser oder jener Art bewerben. Wir suchen für die Showcases alle Bands sorgfältig selbst aus, nach bestimmten Kriterien wie beispielsweise dem Verhältnis von lokalen Bands und NRW-Bands zu nationalen Bands. Und wir arbeiten intensiv mit den regionalen Förderern zusammen. Sprich: Hamburg, Berlin oder Bayern bringen auch ihre Bands zum Festival.

Backstage PRO: Heißt im Klartext: Wenn ich als Band ein Tape an euch schicke, kann ich das vergessen.

Ralph Christoph: Ja, ehrlich gesagt schon. So arbeitet aber auch keiner mehr heutzutage. Es ist doch so: In der Regel haben wir die interessanten Bands eh auf dem Schirm. Da müsste es schon mit dem Teufel zugehen, dass wir eine Band, zumindest aus NRW, völlig übersehen. Bundesweit mag das ein bisschen anders sein, aber da gibt es dann auch die Labels, die die Bands picken und pushen. Wenn beispielsweise eine Band wie Die Kerzen, die in diesem Jahr bei uns spielt, bei Staatsakt gesignt ist, dann lässt sich die Band nicht übersehen.

Backstage PRO: Also spielt das Renommee eines Labels oder eines Verlags eine Rolle beim Booking?

Ralph Christoph: Schon, aber es kommt immer auf die Band an. Das Renommee bestimmt sicherlich mit, wie groß oder klein die Location ist, für die wir die Band buchen. Im Line-up der Bezahlkonzerte verpflichten wir ja Bands, bei denen wir davon ausgehen, dass sie Tickets verkaufen. Das muss sich refinanzieren. Im gratis Showcase-Programm ist das anders. Da platzieren wir die Bands, für die wir Fördergelder einsetzen, um sie gezielt zu pushen.

Grundsätzlich gilt, dass eine hohe Professionalität bereits vorhanden sein muss. Wir sind nicht zuständig für Bands, die erst dreimal aufgetreten sind, kein Video oder keinen Tonträger haben. Und das gilt besonders für Förderprogramme wie "Wunderkinder" oder "musichubgermany", bei denen wir die Bands proaktiv international anbieten. Dafür muss die Band eine genaue Vorstellung haben, wo sie hin möchte. Im Sinne von: Die Band hat in den nächsten zwei Jahren das und das vor, eine Tour mit Fokus Italien, ein Album, den oder den Videodreh, die Band hat Booker, Manager, Vertrieb, und dergleichen.

Backstage PRO: Wie wichtig sind denn Streamingzahlen oder Videoabrufe für die Booker bei der Bandauswahl?

Ralph Christoph: Das schauen sich die Booker schon an. Streamingzahlen sind sicherlich nicht bei jeder Band relevant, aber wenn ich sehe, eine Band hat zwar drei Millionen Follower in Kanada, aber in Deutschland zweiundzwanzig, dann kann ich mir ungefähr ausrechnen, ob das hier funktionieren wird oder nicht.

"Ein Dauerbrenner sind Rechtsfragen"

Backstage PRO: Lass uns über die c/o pop Convention sprechen. Ihr erwartet über 1.000 Fachbesucher aus mehr 30 Ländern, darunter Branchenprofis ebenso wie Kreative am Anfang ihres Weges. Was sind Schwerpunktthemen, über die ich mich auf der Konferenz informieren kann und bei denen Newcomer besonderen Informationsbedarf haben?

Ralph Christoph: Auf jeden Fall sind weiterhin Themen der Digitalisierung wichtig: Von Self-Publishing über Self-Promoting zu Self-Marketing und Online-Marketing. Vieles ändert sich ja so schnell. Instagram ist gerade wichtig, während Facebook mehr oder weniger tot ist, aber das muss auch nicht so bleiben. Da ist viel Informationsbedarf.

Ein Dauerbrenner sind in jedem Jahr Rechtsfragen. Die werden auch nicht unkomplizierter durch die Digitalisierung, von der Datenschutzverordnung bis zur Urheberrechtsnovelle. Und als drittes Thema stehen Monetarisierungsquellen auf der Agenda: Gibt es Ideen oder Wege, jenseits von den Dingen, die ich bereits schon machen, die interessant sein könnten? Wie komme ich zum Beispiel an Film-/Fernsehen oder Werbesachen heran? Wie funktioniert das mit den Verlagsrechten oder den Labelrechten? Das sind alles drängende Themen für Künstlerinnen und Künstler.

c/o Pop Convention

c/o Pop Convention, © Anna Jaissle

Backstage PRO: Und Spotify...

Ralph Christoph: Ja, klar. Wie pitche ich meine Musik? Wie steigere ich meine Streamingzahlen? Wie kriege ich mich auf der Plattform präsent? Hierfür haben wir auf der Konferenz als Special eine Spotify Masterclass, bei der es darum geht, all diese Fragen zu beantworten.

Backstage PRO: Immer wieder lese ich, dass Spotify und andere Plattformen zu einem bestimmten Sound zwingen, zum Beispiel mit vielen Drops oder Verzicht auf Songintros. Wie stark muss ich mich als Band mit Zeitgeist und dem Sound, der gerade angesagt ist, beschäftigen, um wahrgenommen zu werden?

Ralph Christoph: Ich glaube, es gibt nach wie vor für alles eine Nische und keine Patentrezepte. Das ist das Gute am digitalen Zeitalter: Jede Nische kann ganz gut wachsen und seine kleine, aber okay große Hörerschaft finden. Natürlich gibt es Megatrends, wie vielleicht augenblicklich Trap und HipHop, Auto-Tune, Auto-Mixing und so weiter. Aber überall da, wo viel Gleichförmigkeit herrscht, gibt es Platz für eine Pflanze, die herausbricht und sich in den Gegenwind dreht.

Das ist aber selbstverständlich kein Novum der Digitalisierung. Neu ist, dass alles schneller geht, dass die Musik viel schneller vom Produzenten zum Konsumenten kommt und sich dadurch auch der Zeitgeist so wahnsinnig schnell ändert. Wer sich also als Seher aufspielt oder meint, den nächsten Trend schon zu kennen, liegt meistens falsch.

"Es gibt keine Patentrezepte"

Backstage PRO: Kritisch gefragt: Besteht in der Notwendigkeit für Bands, sich selbst als Marke zu etablieren, auch eine Gefahr? Gibt es Bands, die bei all der Notwendigkeit von Self-Marketing zu stark darauf setzen, Influencer zu werden, die zufällig auch Musik machen, und dabei vergessen, sich auf die Musik zu konzentrieren?

Ralph Christoph: Gibt es, schon, klar. Aber demgegenüber gibt es auch Künstler, die fahren damit hervorragend. Kelvyn Colt ist zum Beispiel jemand, der als Testimonial für diverse Marken und Brands arbeitet und trotzdem musikalisch sehr erfolgreich seine Zielgruppen bespielt. Es gibt keine Patentrezepte, es muss für dich passen. Dazu gehört auch: Es macht einen Unterschied, ob du Einzelkünstler bist, dein Selbstmarketing komplett alleine steuerst und keine Rücksicht auf deinen Bassisten nehmen musst, oder ob du eine Band bist mit einer komplexen Struktur. Wichtig ist, dass du weißt, wo du hinwillst und was dein Plan ist. Aber dafür musst du gut informiert sein.

Backstage PRO: Danke Ralph für die interessanten Einblicke. Ich bin sehr gespannt auf die neu erfundene c/o Pop.

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