×

Der erzwungene Trend

Theaterleiter Thorsten Schiers und Andy Brings von Double Crush Syndrome über Autokino-Konzerte

Interview von Doktor Nic
veröffentlicht am 14.07.2020

autokino andy brings thorsten schiers coronakrise

Theaterleiter Thorsten Schiers und Andy Brings von Double Crush Syndrome über Autokino-Konzerte

Andy Brings von Double Crush Syndrome beim Autokinokonzert. © Moritz Künster

Es gibt wenige Möglichkeiten, während der Coronakrise Live-Musik zu erleben. Eine Sache, die definitiv ihre Fans und Gegner hat, ist das Autokino-Konzert. Thorsten Schiers (Autokino Deutschland) und Andy Brings von Double Crush Syndrome haben Autokino-Konzerte bereits selbst auf und hinter der Bühne erlebt.

Viele fragen sich, was es heißt, ein Autokino-Konzert zu organisieren und wie sich das Spielen vor Autos für Musiker anfühlt. Thorsten Schiers, Theaterleiter bei Autokino Deutschland, hat in Düsseldorf und Köln Porz bereits drei Konzerte für die Brings organisiert. Das erste Brings-Konzert im April dieses Jahres war gleichzeitig auch das allererste Autokinokonzert in Deutschland.

Der Kritik, dass bei Autokinokonzerten wegen der eingeschränkten Beifahreranzahl zu wenig Leute die Konzerte anschauen können, stehen die Kapazitäten der Kinos gegenüber: "Im April waren 250 Autos beim Konzert, im Mai haben wir schon auf 500 Autos aufgestockt", erinnert sich Schiers. "Heute würden wir bis zu 700 Autos problemlos stellen können".

Openair ohne PA

Autokino Deutschland hat dabei vor allem den Kartenvorverkauf mitorganisiert. Das meiste wird, wie es auch bei "normalen" Konzerten der Fall ist, von einem Veranstalter übernommen. "Lediglich ein Gespräch mit Stadt hat zusätzlich stattfinden müssen", so Schiers.

Auch die Sicherheits- oder Hygienemaßnahmen bleiben die gleichen. "Es durften sich jeweils nur eine Person bei den Männern und Frauen in den WC-Bereich aufhalten. Das hatte natürlich Auswirkungen auf die Kapazität der Veranstaltung", fährt Schiers fort.

Auf der Bühne bekommen die Künstler ihren Monitor-Sound wie sie es gewohnt sind, aber eine Beschallung nach draußen gibt es nicht. "Der Ton ging von der Bühne zur Tontechnik. Von dort wurde es an unseren eigenen UKW-Sender geschickt und ausgestrahlt", erklärt Schiers. "Das eigentliche Konzert lief im Autoradio". Dabei gibt es auch keine Unterschiede, welches Tonsignal der Sender schickt, ob von einem Film oder einem Livekonzert.

Abrocken auf dem Autodach

Ein Künstler, der schon auf der Bühne eines Autokinos vor einem Haufen Karosserien performt hat, ist Andy Brings aus Mühlheim an der Ruhr. Andy ist schon seit Teenagerjahren im Rock'n'Roll Business und wurde als Gitarrist der deutschen Metalband Sodom bekannt. Mit seiner Band Double Crush Syndrome, aber auch als Filmemacher und Solokünstler, steht er fest im Musikbusiness. 

Andy Brings hat bei einem exklusiven Autokinokonzert am Flughafen Essen/Mühlheim folgende Erfahrungen gemacht:

"Zu diesem Zeitpunkt waren offene Cabrios und geöffnete Fenster bereits erlaubt, sodass schon ein allgemeines Soundlevel herrschte. Nach einer Weile saßen die Leute auf ihren Autodächern und haben gefeiert", erzählt Brings. Schauspielern musste er auf die Bühne jedenfalls nicht, um eine Livestimmung zu verbreiten.

Umstrittenes Konzept ist "nur ein kurzfristiges Angebot"

Andy Brings sieht in der Corona-Krise durchaus Chancen, kreative Möglichkeiten auszuspielen, um sich mit seinen Fans zu verbinden. "Man muss sich etwas einfallen lassen. Ich verstehe nicht, wie man stets Dienst nach Vorschrift leisten kann, das muss einen doch selber ankotzen."

Das Konzept der Autokinos ist und bleibt umstritten, alleine schon wegen der Atmosphäre und des Preises. "Autokinokonzerte sind weder etwas für jeden Künstler, noch für jeden Fan. Es funktioniert nur, wenn alle Bock aufeinander haben, die Band in der Lage ist, die Barriere zu durchbrechen, und die Leute ehrlich Spaß haben wollen", sagt Andy Brings. "Es muss aber allen Beteiligten klar sein, dass man hier nur ein kurzfristiges Angebot macht, als Fan-Dienst, in the name of love and Rock'n'Roll."

Auch Autokinoleiter Thorsten Schiers sieht in Autokinokonzerten einen schönen Trend, der aber auch bald wieder vorbei gehen wird und vielleicht auch muss:

"In einer schwierigen Zeit war es eine Möglichkeit, den Menschen etwas Abwechslung zu geben. Wenn die normalen Spielstätten wieder verfügbar sind wird das Konzept wieder in die Schubladen gelegt. Vielleicht wird es ab und zu noch einzelne Konzerte geben, wäre ja schön. Wir sind jedoch ein Autokino und wir zeigen Filme, das machen wir seit Jahrzehnten."

Interessierten Live-Acts gibt Schiers noch folgenden Hinweis: Wenn Bands sich der technischen Verantwortung gewachsen fühlen und vor allem sicher sind, genug Tickets zu verkaufen, könne man sich jederzeit über die Umsetzung eine Konzerts unterhalten.

Ähnliche Themen

Konzerte und Festivals: So sehen Corona-Lockerungen in anderen Ländern aus

Mit Apps gegen das Virus?

Konzerte und Festivals: So sehen Corona-Lockerungen in anderen Ländern aus

veröffentlicht am 08.06.2020

Die Hälfte der Deutschen will auch nach Lockerungen nicht auf Konzerte gehen

Die Angst regiert

Die Hälfte der Deutschen will auch nach Lockerungen nicht auf Konzerte gehen

veröffentlicht am 12.05.2020   3

Newsletter

Abonniere den Backstage PRO-Newsletter und bleibe zu diesem und anderen Themen auf dem Laufenden!