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"Denkt groß!"

Vocalcoach Robin D. (Nico Santos, Andreas Gabalier) über Chancen für Musiker in der Corona-Krise

Interview von Aurora Lu
veröffentlicht am 05.05.2020

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Vocalcoach Robin D. (Nico Santos, Andreas Gabalier) über Chancen für Musiker in der Corona-Krise

Robin D. © Robin D. Vocalacademy

Die Gigs fallen weg, Aufträge werden abgesagt. Es ist kein Geheimnis, dass für viele Musiker daraus eine finanzielle und mentale Krise folgt. Aber birgt die Corona-Krise auch Chancen für Musiker? Darüber sprechen wir mit Robin D., Vocal- und Success-Coach von Sängern wie Nico Santos und Andreas Gabalier.

Seine Klienten sind Grammy- und Echo-Gewinner und haben weltweit hunderte Millionen Tonträger verkauft. In der Corona-Zeit schaltet Robin D. seit einiger Zeit regelmäßig Livestreams auf Instagram und Facebook, in denen er Musikern und Künstlern Tipps gibt, mit der Krise umzugehen. Wie dieser entgegenzuwirken ist und welche Möglichkeiten die weltweite Pandemie bietet, erfahren wir von Robin D. im Gespräch. 

Backstage PRO: Was ist in dieser Zeit der größte Fehler, den man als Musiker machen kann?

Robin D: Sich totstellen und den Kopf in den Sand stecken. Das machen viele, weil sie mit der Situation erstmal nicht umgehen können, was auch verständlich ist. Gleichzeitig bietet diese Situation aber enorme Chancen. Um die zu sehen, muss man aber den Kopf aus dem Sand rausziehen.

Backstage PRO: Was für Chancen sind das?

Robin D: Man darf sich neu orientieren! Mittlerweile ist es technisch möglich, ein Konzert zu geben, bei dem das Publikum zwar zu Hause sitzt, man als Musiker/in aber trotzdem Geld damit verdienen kann. Bezahldienste machen das möglich. Viele Musiker haben es bisher allerdings nur geschafft, Wohnzimmer-Konzerte über Instagram & Co. abzuhalten, ohne dabei Geld zu erwirtschaften. Die Mentalität "Musik kostet nichts“ fördern wir, wenn wir als Künstler die Corona-Pandemie als Vorwand nutzen, um Gratis-Konzerte zu geben. Und das ist nicht der Wohltätigkeit der Künstler geschuldet, sondern ihrer Bequemlichkeit.

"Wir müssen einen Mehrwert schaffen"

Backstage PRO: Was müssen Musiker jetzt also anders machen?

Robin D: Sie müssen einen Mehrwert schaffen. Und diese Krise führt eben dazu, dass die "Starken“ überleben und die "Schwachen“ nicht. Das ist in der Wirtschaft so und das ist auch in der Kunstszene nicht anders. Aktiv sein und sich fortbilden sind hier gefragt. Das ist für einen Musiker, der (noch) keine große Karriere hat, ein elementar wichtiges Kriterium. Ich muss mir als Künstler überlegen, wie ich mein Angebot digitalisieren kann.

Was in Zukunft ein essentieller Bestandteil einer Karriere sein wird, ist: online ein Angebot zu haben! Dazu kann auch zählen, dass ich mich als Sänger beispielsweise zum Vocalcoach ausbilden lasse, mir ein zweites Standbein aufbaue und damit ein Online-Business starte. Dabei sind zwei Faktoren am wichtigsten – erstens: lernen, schnell zu entscheiden und umzusetzen; zweitens: nur von den Besten lernen. Alles andere bringt langfristig keine Ergebnisse.

Backstage PRO: Wenn ich jetzt als Künstler finanzielle Schwierigkeiten bekomme und ich keine finanziellen Polster habe, was sagt mir das?

Robin D: Dann hast du das falsch gemacht, was viele kleine Unternehmer auch falsch machen: Du hast von Anfang an zu klein gedacht. Und das ist das, was ich in meinem Coaching predige – denkt groß! Du kannst etwa als Sänger, auch ohne berühmt zu sein, im hohen vierstelligen Bereich monatlich verdienen. Nur musst du wissen, wie! Und wenn du das nicht weißt, musst du dir Hilfe holen über einen Mentor, Coach oder über eine Ausbildung. Viele Musiker haben ein Defizit im wirtschaftlichen Denken. Dieser Bereich ist also zu priorisieren.

"Nur schöne Musik machen zu wollen, ist an der Realität vorbeigedacht."

Backstage PRO: Was sagst du denen, die momentan am Verzweifeln oder sogar Jammern sind?

Robin D: "Komm, Kopf hoch. Schau nach vorne. Es gibt viele Chancen.“ Ich würde sie ein bis drei Mal auffordern, die Chancen zu sehen. Aber ab dem dritten Mal würde ich mich von diesen Menschen trennen. Ich würde nichts mehr zu ihnen sagen. Wenn du dich ständig mit diesen Menschen beschäftigst, ziehen sie dich runter. Als Musiker die Verantwortung für mein Business abzugeben, um nur schöne Musik machen zu wollen, ist an der Realität vorbeigedacht.

Backstage PRO: In dieser Zeit vermissen viele Musiker dennoch die Bühne, trotz der Livestreams auf Social Media…

Robin D: Das ist natürlich nachvollziehbar. Allerdings sollte ich mich als Musiker in diesem Fall fragen: "Was ist eigentlich meine Mission?“ Und aus meiner Sicht stehen viele Musiker auf der Bühne, um etwas zu bekommen. Der Ansatz, warum du auf die Bühne gehst, sollte aber sein, etwas zu geben. Wenn du mit dieser Idee auf die Bühne gehst, dann wirst du auch kein Problem damit haben, alleine in deine Handykamera rein zu singen.

"Ärmel hochkrempeln!"

Backstage PRO: Was führt uns Musikern diese Krise sonst noch vor Augen?

Robin D: Die Krise zeigt uns vor allem, was für Chancen wir haben. Wir müssen uns damit abfinden, dass sich unser Leben und unser Business verändern wird. Es besteht die Möglichkeit, dass sehr lange keine riesigen Konzerte mehr stattfinden werden, sondern nur noch riesige Livestreams, in denen Ed Sheeran dann vor drei Millionen Haushalten singt und trotzdem seine gewohnte Gage erhält. Wenn ich das so wahrnehme, sehe ich die Krise als Chance. Wer darauf wartet, dass alles wieder so wird, wie es mal war, der wartet vergebens. Es gilt, jetzt die Ärmel hochzukrempeln, sich nach neuen Wegen umzuschauen und das Beste daraus zu machen. Wir leben nun mal im Zeitalter der Digitalisierung. Wenn wir als Künstler tätig sein wollen, müssen wir die Zeichen der Zeit erkennen und versuchen, die technischen Möglichkeiten auch in unserem Bereich zu nutzen.

Backstage PRO: Wie sind wir denn für die nächste potenzielle Krise besser gewappnet?

Robin D: Wenn du auf die nächste Krise vorbereitet sein willst, musst du wirtschaftlich ein gewisses Polster schaffen, damit du solche Zeiten überstehen kannst. Wenn zum Beispiel einen Monat lang die Gigs wegfallen, solltest du nicht zahlungsunfähig sein dürfen. Letzten Endes ist es wichtig, dein Werkzeug zu schärfen. Du musst jetzt als Musiker besser werden; ein Musiker mit mehr wirtschaftlichem Know-how, der weiß, wie er Geld verdient und es auch behält. Und jetzt haben wir mehr Zeit als je zuvor.

Backstage PRO: Danke für deine Zeit, Robin.

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