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Gegenseitige Vorwürfe

Totale Eskalation: Universal Music entfernt Songs seiner Künstler von TikTok

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 01.02.2024

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Totale Eskalation: Universal Music entfernt Songs seiner Künstler von TikTok

© Olivier Bergeron via Unsplash

Universal Music hat die Musik seiner Künstlerinnen und Künstler komplett von TikTok entfernt, nachdem Lizenzverhandlungen mit dem Kurzvideo-Dienst gescheitert waren. Nun überziehen sich beide Unternehmen mit scharf formulierten Vorwürfen.

Die Folgen der gescheiterten Verhandlungen sind für jeden TikTok-User offensichtlich. Nicht nur kann Musik von Universal nicht mehr für neue Kurzvideos ausgewählt werden, Musik von Universal wurde bei existierenden Videos auch stummgeschaltet und mit Hinweisen versehen, dass die Musik nicht mehr verfügbar sei.

Noch bemerkenswerter als diese Entwicklung sind die scharf formulierten Erklärungen, die beide Unternehmen veröffentlicht haben. Universal veröffentlichte ein Statement, das zahlreiche Vorwürfe gegen TikTok erhebt.

Rundumschlag gegen TikTok

Universal erklärt in dem offenen Brief, in den Verhandlungen mit TikTok über einen neuen Lizenzvertrag drei Prioritäten verfolgt zu haben nämlich "eine angemessene Entlohnung für unsere Künstler und Songwriter, der Schutz menschlicher Künstler vor den schädlichen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz sowie die Online-Sicherheit der Nutzer von TikTok."

In allen drei Aspekten seien die Verhandlungen mit TikTok gescheitert. Bezüglich der Bezahlung von Künstlern und Songwritern habe TikTok lediglich eine Kompensation angeboten, die nur ein Bruchteil der Zahlungen vergleichbarer großer Social Media Plattformen betragen habe.

Trotz seiner riesigen, wachsenden Zahl von Usern, steigenden Werbeeinnahmen und einer wachsenden Bedeutung von Musik auf der Plattform belaufe sich der Anteil von TikToks Lizenzzahlungen am Umsatz von Universal auf lediglich ein Prozent.

Flut von KI-Inhalten

Darüber hinaus flute TikTok seine eigene Plattform mit KI-generiertem Content und fördere die Erstellung von KI-generiertem Content. Gleichzeitig versuche TikTok die Tantiemen für menschliche Künstler zu reduzieren und arbeite damit an der Ersetzung menschlicher Musikschaffender durch KI-Inhalte.

Schließlich unternehme TikTok wenig gegen die große Zahl von Inhalten auf der Plattform, die die Musik der Universal-Künstler unrechtmäßig verwendeten. Auch gegen die Flut von Hassrede, Fanatismus (bigotry), Mobbing und Belästigung auf der Plattform biete TikTok keine Mittel. Sogar das Vorgehen gegen pornographische Deepfakes von Künstlern sei ausgesprochen langwierig und ineffizient.

Einschüchterungsversuche von TikTok

Universal verlangte von TikTok Maßnahmen gegen diese Probleme. Daraufhin habe TikTok versucht, Universal "einzuschüchtern", indem es das Label zur Annahme eines Deals drängte, "der weniger wert war als der vorherige, weit unter dem fairen Marktwert lag und nicht das exponentielle Wachstum der Plattform widerspiegelte."

Um Universal zur Annahme dieses Deals zu zwingen, entfernte TikTok laut Universal "die Musik einiger unserer aufstrebenden Künstler, während es die Musik unserer weltweit populären Stars, die für das Publikumswachstum verantwortlich waren, auf der Plattform ließ."

Universal betont mehrfach in seinem Statement für die Rechte seiner Künstler und deren faire Entlohnung zu kämpfen. Das Label erklärt weiterhin, es unterschätze nicht die Konsequenzen der Entscheidung, die Musik zu entfernen, für Künstler und Fans. Es stellt aber ebenso fest:

"Aber unsere oberste Verantwortung gegenüber unseren Künstlern ist es, für eine neue Vereinbarung zu kämpfen, unter der sie angemessen für ihre Arbeit entschädigt werden, auf einer Plattform, die die menschliche Kreativität respektiert, in einer Umgebung, die für alle sicher ist und effektiv moderiert wird."

Harte Bandagen

Die Weigerung von Universal einen "bad deal" abzuschließen, ist natürlich auch von handfesten wirtschaftlichen Interessen des Labels motiviert – und nicht von einem selbstlosen Kampf für die eigenen Künstler.

Dennoch werfen die Vorwürfe gegenüber TikTok ein Licht auf die harten Bandagen, mit denen das Unternehmen offensichtlich arbeitet und die Universal jetzt zum Abbruch der Verhandlungen motiviert haben.

TikTok wehrt sich

TikTok konterte mit einer weitaus kürzeren Mitteilung, die unterschwellig die Aussage enthält, Universal solle sich doch nicht so anstellen, TikTok als kostenloses Promo-Tool für seine Künstler betrachten und von seinen Tantiemenforderungen abrücken. Inhaltlich ist die Entgegnung jedenfalls erstaunlich dünn. Sie lautet:

"Es ist traurig und enttäuschend, dass Universal Music Group ihre Gier [greed] über die Interessen ihrer Künstler und Songwriter gestellt hat.

Trotz der falschen Darstellung und Rhetorik von Universal hat sich Universal tatsächlich dazu entschieden, sich von der starken Unterstützung einer Plattform mit weit über einer Milliarde Nutzern zurückzuziehen, die als kostenloses Werbe- und Entdeckungsinstrument für ihre Talente dient.

TikTok konnte mit jedem anderen Musiklabel und Verlag 'künstlerorientierte' Vereinbarungen treffen. Offensichtlich sind die eigeninteressierten Handlungen von Universal nicht im besten Interesse der Künstler, Songwriter und Fans."

Einigung in sehr weiter Ferne

Angesichts dieser Vorwürfe erscheint eine baldige Einigung unwahrscheinlich. Wenn man bedenkt, dass Universal das mit Abstand größte Label der Welt ist, sind das keine guten Nachrichten für TikTok.

Die Kurzvideo-Plattform hat vor einigen Monaten schon einmal in Australien damit experimentiert, ohne die Musik der Major Labels auszukommen. Die Ergebnisse waren desaströs. In der Folge schien es zunächst so, als sei TikTok an einer Einigung mit den Major Labels interessiert.

Das zeigte sich auch im Abschluss eines Lizenzvertrags mit Warner. Dass eine Einigung mit Universal nicht möglich war, ist daher etwas erstaunlich. Die gegenseitigen Vorwürfe zeigen, dass das Tischtuch zwischen den beiden Unternehmen für den Augenblick zerschnitten zu sein scheint. Möglicherweise müssen TikTok User noch lange auf Universal-Musik verzichten.

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