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Copyright vs. Urheberrecht

Urheberrecht und Musik - die wichtigsten Unterschiede zwischen Deutschland und den USA, Teil 1: Songrechte

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 17.05.2022

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Urheberrecht und Musik - die wichtigsten Unterschiede zwischen Deutschland und den USA, Teil 1: Songrechte

Urheberrecht Deutschland USA (2022). © Sasun Bughdaryan via unsplash.com

Deutsches Urheberrecht und US-amerikanisches Copyright wirken auf den ersten Blick sehr ähnlich, doch es gibt fundamentale Unterschiede, die große Auswirkungen auf die Rechtspraxis haben. Teil 1 unserer kleinen Artikelserie beschäftigt sich mit Songrechten.

In den letzten Monaten verkaufte eine kaum noch zu überblickende Zahl von Songwritern und Musikern Rechte an ihren Songs und Kompositionen an Musikverlage. Genauer gesagt veräußerten sie die Rechte, die beim Komponieren von Songs bzw. Musikstücken entstehen, also das Copyright an der Komposition bzw. am Song selbst.

Lukrative Geschäfte

Im Deutschen spricht man häufig von Verlagsrechten, weil diese Rechte bei bekannten Komponisten und Songwritern in der Regel durch einen Musikverlag wahrgenommen werden. Songwriter und Komponisten erhalten Lizenzgebühren, wenn ihre Stücke auf physischen Tonträgern veröffentlicht, in Filmen verwendet, im Radio gespielt, für Werbespots genutzt, gestreamt oder live aufgeführt werden, um nur einige Nutzungsmöglichkeiten zu nennen.

Der Musikverlag sorgt im Idealfall dafür, dass die Songs möglichst häufig von Dritten genutzt werden, wofür Musikverlag und Songwriter Lizenzgebühren kassieren. Wenn Songwriter oder Komponisten ihr Copyright komplett veräußern, erhalten sie einen Einmalbetrag, aber die gesamten Rechte befinden sich fortan in der Hand von Musikverlagen.

Für die Rechte an den Songs berühmter Songwriter wie Bob Dylan oder Bruce Springsteen zahlten Musikverlage mehrere hundert Millionen Dollar. Beobachtern wird aber nicht entgangen sein, dass diese Deals mit Songrechten allesamt im anglo-amerikanischen Rechtssystem geschlossen wurden. Das hat Gründe.

Copyright vs. Urheberrecht

Im deutschen Rechtssystem ist es Urhebern nicht möglich, sein Urheberrecht an einem Werk zu verkaufen oder an andere Personen übertragen. Der Urheber kann Dritten nur beschränkte oder unbegrenzte Nutzungs- und Verwertungsrechte einräumen. Dieser Umstand beruht auf einem fundamentalen Unterschied zwischen dem deutschen Urheberrecht und dem anglo-amerikanischen Copyright Law.

Bereits die jeweiligen Namen weisen auf den Unterschied hin: Das deutsche Urheberrecht schützt "die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst" (§ 1 UrhG). Das US-amerikanische Copyright interessiert sich weniger für die Urheber und stärker für das Recht der Vervielfältigung, das "right to copy". Während das deutsche Urheberrecht also das Produkt kreativer Tätigkeiten schützt, reguliert das US-amerikanische Copyright Law den wirtschaftlichen Aspekt des kreativen Arbeitens.

Fundamentale Unterschiede

Das hat entscheidende Folgen für den Umgang mit Urheberrechten bzw. Copyright. Im  deutschen Recht können nur natürliche Personen (d.h. Menschen) Inhaber des Urheberrechts sein, während im anglo-amerikanischen Rechtsraum Unternehmen problemlos Copyrights besitzen können. Der Grund dafür besteht darin, dass Urheber frei über ihr Copyright verfügen können, namentlich ist es ihnen möglich, es zu verkaufen oder an Dritte weiterzugeben.

Im deutschen Recht kann ein Urheber einem Dritten durch einen Lizenzvertrag lediglich unbegrenzte Nutzungsrechte für die gesamte Schutzdauer einräumen, die bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers gilt. 

Der Komponist einer Werbemelodie oder eines Werbesongs beispielsweise wird in der Regel seinem Auftraggeber ein unbegrenztes Nutzungsrecht gewähren. Warum sollte ein Unternehmen Geld für eine Werbemelodie bezahlen, die es nicht ohne nochmalige Zustimmung des Urhebers einsetzen kann? Aber das Unternehmen kann nicht das Urheberrecht erwerben und damit selbst Urheber werden.

Kein Verkauf des Urheberrechts möglich

Sofern seine Komposition dort registriert ist und er sie nicht durch eine Creative Commons-Lizenz die unentgeltliche Benutzung durch andere erlaubt hat, erhält der Urheber des Stückes Tantiemen von Verwertungsgesellschaften, wenn das Stück beispielsweise im Radio oder Fernsehen gespielt wird. In Deutschland ist diese Verwertungsgesellschaft die GEMA.

Da der Urheber sein Urheberrecht nicht verkaufen kann, muss er auf vertragliche Hilfskonstruktionen zurückgreifen, wenn er sein Urheberrecht zu Geld machen will. So kann er beispielsweise einen Vertrag mit einem Musikverlag schließen und gegen die Zahlung eines Geldbetrags durch den Vertragspartner die Einkünfte aus GEMA-Lizenzierungen abtreten, bis der vom Vertragspartner gezahlte Betrag abgegolten ist (sog. GEMA-Global-Zession). Das ist aber nur bei Musikstücken möglich, die noch nicht vertraglich an einen Musikverlag gebunden sind.

Mega-Deals nur in den USA

Die oben erwähnten Mega-Deals mit Songrechten funktionieren allerdings nur im anglo-amerikanischen Rechtssystem. Die Idee besteht darin, dass riesige Musikverlage mit enormen finanziellen Mitteln die Rechte an Songkatalogen berühmter Songwriter in ihrer Gesamtheit aufkaufen und dann im Verlauf vieler Jahre "auswerten". 

Das bedeutet sie versuchen durch Lizenzierung dieser Songs für Filme, Fernsehen, oder Werbung bzw. durch Streaming, Airplay oder den Verkauf physischer Tonträger diese Kosten wieder hereinholen und irgendwann Gewinn zu erzielen. Auch deutsche Musikverlage verfügen über eine Vielzahl von Verlagsrechten, aber niemals über Urheberrechte, was ihrer Marktmacht automatisch Grenzen setzt. 

Mehr Freiheit in den USA?

Ob das anglo-amerikanische Recht Vorteile gegenüber dem deutschen Recht bietet, lässt sich endlos diskutieren. Häufig kommt es auf den Standpunkt an: Ist es ein Vorteil, dass Musiker ihre Songs oder Kompositionen veräußern können oder schützt die Unmöglichkeit des Verkaufs nicht vor nicht absehbaren Entwicklungen, von denen Songwriter profitieren können.

Man stelle sich vor, ein Songwriter schreibt ein Lied, das erst Jahrzehnte später zum Hit wird oder sich als jahrzehntelanger Dauerbrenner erweist. Im deutschen Urheberrecht profitiert er dauerhaft von seiner Schöpfung, in den USA nur dann, wenn er sein Copyright nicht veräußert hat.

Im Bann der Musikkonzerne

Das deutsche Urheberrecht bietet Kreativen durch seine konservativere, am Urheber orientierte Ausrichtung grundsätzlich weniger Möglichkeiten, aber schützt sie vor Entscheidungen, die sie vielleicht bereuen oder gar nicht absehen können.

Die Möglichkeit, Copyrights von Songwritern zu erwerben, führt nämlich fast unweigerlich dazu, dass das US-Verlagswesen von riesigen Konglomeraten beherrscht wird, in dem die Urheber außer als Verkäufer ihres Copyrights fast gar keine Rolle mehr spielen.

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