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Vorwurf des Subventionsbetrugs

Veranstaltungstechniker erhält Corona-Soforthilfe – und eine Vorladung der Polizei | Bericht

Spezial/Schwerpunkt von Christian Grube
veröffentlicht am 27.10.2020

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Veranstaltungstechniker erhält Corona-Soforthilfe – und eine Vorladung der Polizei | Bericht

Veranstaltungstechniker mit Vorwurf des Subventionsbetrugs konfrontiert. © niu niu / Unsplash

Die vom Bund im Frühjahr schnell auf den Weg gebrachte Corona-Soforthilfe sollte die Not vieler kleiner Firmen und Solo-Selbstständiger mindern. Für einen Antragsteller aus der Nähe von Leipzig entwickelte sich die Hilfe aber zum Albtraum.

Die Coronavirus-Pandemie hat die Veranstaltungsbranche fast komplett zum Erliegen gemacht. Während des Lockdowns wurden alle Veranstaltungen abgesagt – und auch nach den Lockerungen im Sommer bewegt sich der Veranstaltungsmarkt auf einem sehr niedrigen Niveau.

Für viele Veranstalter, Künstler und Freischaffende ist diese Situation der finanzielle Super-GAU. So ging es auch dem selbstständigen Veranstaltungstechniker Sebastian Groschopp aus der Nähe von Leipzig. 

Schnelle Hilfe mit unerwarteteten Konsequenzen

Groschopp ging es im März 2020 wie nahezu allen Selbstständigen in der Veranstaltungsbranche. Plötzlich war sein prall gefülltes Auftragsbuch leer und er beantragte Corona-Soforthilfe des Bundes bei der sächsischen Aufbaubank. Der Antrag war schnell bearbeitet und das Geld floss.

Als Groschopp den Antrag stellte, rechnete er nicht damit, dass sich einige Monate später die Kriminalpolizei bei ihm melden würde.

Tatvorwurf: Subventionsbetrug

Am 4. September 2020 erhielt Groschopp aus dem mit Wirtschaftskriminalität befassten Kommissariat 31 der Leipziger Polizei eine Vorladung zur Vernehmung als Beschuldigter. Tatvorwurf: Subventionsbetrug. Groschopp habe bei seinem Antrag auf Corona-Soforthilfe bewusst falsche Angaben gemacht. Eine wirtschaftliche Notlage sei nicht erkennbar gewesen.

Der Brief machte den Unternehmer perplex. Er musste das Schreiben mehrfach lesen, um zu begreifen, was man ihm vorwirft, erzählt der Veranstaltungstechniker im Gespräch mit Backstage PRO. Er sei sich keiner Schuld bewusst.

Die Verwirrung wich später der Wut. Eine nicht vorhandene Notlage würde ihm vorgeworfen, obwohl er einen vollständigen Umsatzeinbruch erlebe: "Alle Jobs und Aufträge waren von jetzt auf gleich weg."

Vielfältige Gründe für einen Verdacht

Wir haben bei der Leipziger Staatsanwaltschaft nachgefragt. Zum Fall von Sebastian Groschopp darf Pressesprecherin Dr. Andrea Salz keine Angaben machen und verweist auf die Schutzrechte der Persönlichkeit. "Allein schon die Bestätigung, dass ein Ermittlungsverfahren gegen bestimmte Personen geführt wird, kann unter Verletzung der ebenfalls grundgesetzlich geschützten Unschuldsvermutung zu einer öffentlichen Vorverurteilung führen."

Seitdem er die Vorladung erhalten hat, beschäftigt Groschopp die Frage. "Wie sind die auf mich gekommen?"

"Die ganz große Mehrzahl der Verfahren wegen Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit dem unberechtigten Bezug von Corona-Hilfen beruht nach Meldungen gemäß § 43 Abs. 1 Geldwäschegesetz auf Informationen der Zentralstelle für Finanztransaktionen (Financial Intelligence Unit – FIU – der Generalzolldirektion) an das LKA Sachsen", erklärt Dr. Salz.

Die Staatsanwaltschaften erhalten die Fälle von den Landeskriminalämtern zur Vorlage. Strafanzeigen können bei begründeten Fällen aber auch durch die Kreditinstitute oder Förderbanken erfolgen. Der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) rät jedem Betroffenen, bei seiner Bank nachzufragen, ob, und wenn ja, warum sie Anzeige erstattet hat.

Die Staatsanwältin fährt fort: "Ein Verdachtsfall kann darin begründet sein, dass aus dem Konto, auf das die Überweisung erfolgte, keine gewerblichen Aktivitäten hervorgehen oder es sich etwa um ein Privatkonto handelt und kein Gewerbe auf den Kontoinhaber angemeldet ist. Es ist ebenfalls möglich, das das Konto bereits als Pfändungsschutzkonto (sog. P-Konto) geführt wurde. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass sich das Unternehmen bereits zuvor in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand und die Fördervoraussetzungen nicht erfüllte."

Ein Automatismus?

Sebastian Groschopp ist sich hier keiner Schuld bewusst – zumal die "nicht vorhandene Notlage" seiner Ansicht nach durch "ein staatlich verordnetes Berufsverbot" bedingt war. "Der gesamte Konzertsommer, Festivals, die Fußball-Europameisterschaft fielen ja komplett ins Wasser." Erst mit Hilfe eines Anwalts konnte er Akteneinsicht beantragen.

Die Ermittlungsbehörden legen ihm zur Last, dass er sein Kontokorrentlimit (Dispo) nicht vollständig ausgenutzt habe und weiterhin Geldeingänge auf seinem Konto stattfanden. Dies waren laut Groschopp vor allem steuerliche Angelegenheiten, die Soforthilfe und Überweisungen von seinem Privatkonto.

Liegt hier ein Automatismus vor? Melden die Finanzinstitute automatisch zweifelhafte Vorgänge?

Die Staatsanwaltschaft verneint dies: "Voraussetzung für Ermittlungsmaßnahmen ist der Anfangsverdacht einer verfolgbaren Straftat. Der Anfangsverdacht muss schon in konkreten Tatsachen bestehen. Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus und können daher auch nicht Grundlage strafrechtlicher Ermittlungen sein. Auch auf Strafanzeigen hin, die noch keinen konkreten Anfangsverdacht begründen, kommt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht."

Die Staatsanwaltschaft ist am Zug

Wie geht es jetzt für Sebastian Groschopp weiter? "Mein Anwalt und ich haben eine Stellungnahme bei der Staatsanwaltschaft abgegeben. Die sind jetzt am Zug. Es gibt hier drei Möglichkeiten. Entweder das Verfahren wird eingestellt, ich bekomme einen Strafbefehl oder man zieht gleich vor das Gericht."

Sollte er rechtmäßig verurteilt werden, droht ihm eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Wenn das Gericht eine Leichtfertigkeit erkennt, dann steht neben der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren im Raum. Der Veranstaltungstechniker möchte nicht kampflos aufgeben, denn er fühlt sich zu Unrecht beschuldigt.

Kein Einzelfall

Handelt es sich um einen Einzelfall? Offenbar nicht. Allein beim Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) in München, der ein ausführliches Interview mit Sebastian Groschopp publiziert hat, haben sich bis jetzt branchenübergreifend sieben Personen aus ganz Deutschland gemeldet. Bei der Staatsanwaltschaft Leipzig sind 51 Fälle wegen Subventionsbetruges in Bearbeitung.

Beim VGSD ist man alarmiert und vermutet, dass hier Methoden, die eigentlich zur Terrorismusabwehr gedacht sind, gegen Solo-Selbstständige eingesetzt werden. "Es trifft diejenigen, die durch die Coronakrise besonders gebeutelt sind, doppelt und dreifach", erklärt der Pressesprecher des Verbandes, Dr. Andreas Lutz.

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