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Alexander Schröder von Redfield Records über Erfolg als Label und die Coronakrise

Interview von Doktor Nic
veröffentlicht am 23.06.2020

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Alexander Schröder von Redfield Records über Erfolg als Label und die Coronakrise

Alexander Schröder von Redfield Records im Interview. © Quelle: Redfield Records

Redfield Records aus Melle bei Osnabrück ist das Label, das dabei mithalf, Bands wie Eskimo Callboy oder We Butter The Bread With Butter groß zu machen. Wir sprachen mit Alexander Schröder, dem Kopf des Unternehmens, über seine Sicht auf das Musikbusiness und die Auswirkungen der Coronakrise auf die Branche.

Backstage PRO: Hallo Alex.. Du bist der Chef von Redfield Records. Deine Vita hat dich in den Journalismus, in die PR und ins Merchandising gebracht. Was war so für dich der Startschuss in eine Karriere in der Musikbranche?

Alexander Schröder: Tatsächlich war für mich früh klar, dass ich mich für einen Beruf in der Sport- oder Musikbranche entscheiden möchte. Nachdem ich in meiner Schulzeit leistungsorientiert als Handballtrainer und -spieler sehr aktiv war und das Abitur mit Sport-Leistungskurs abgeschlossen hatte, wollte ich in der Musikbranche Erfahrungen sammeln. Parallel hatte ich auf lokaler Ebene in meinem Heimatort auch schon Konzerte und Festivals organisiert und war gut in der regionalen Musikszene vernetzt. Bei Starkult Promotion in Düsseldorf bin ich dann sehr schnell in die nationale bzw. internationale Musikbranche eingestiegen und habe dort den Bereich Online- und Radiopromotion verantwortet. Alles was ich nebenbei und später in den von dir genannten Bereichen gemacht habe, hatte immer auch einen Musikbezug und hilft natürlich kolossal dabei, diese Bereiche in der täglichen Arbeit zu verstehen.

Backstage PRO: Wie kam das bei dir zustande, dieses Gefühl "ich will jetzt mit Musik zu tun haben!"? Man ist ja zumeist Musik-Fan, klar, aber die Bereitschaft, in der Unterhaltungs- oder Eventbranche zu arbeiten, ist ja nicht bei jedem gegeben. Wie viel Entertainer steckt in dir?

Alexander Schröder: Wie viel Entertainer in mir steckt, das muss jemand anderes beurteilen. Aber ich glaube schon, dass ich andere Menschen für bestimmte Dinge begeistern kann – wenn mich selbst etwas begeistert.

Da ich schon relativ früh immer derjenige war, der vieles organisiert hatte und ja wie bereits erwähnt Konzerte und Festivals auf lokaler Ebene organisiert hatte, war das für mich einfach der nächste logische Schritt. Die Möglichkeit, immer wieder musikalisch aufregende Inhalte zu erleben, treibt mich seitdem an, der vermeintliche "Glamour-Faktor" war mir dabei nie wirklich wichtig. Als ich allerdings zum Beispiel Solomon Burke, den "King of Soul’n‘Rock" mit Anfang 20 persönlich treffen konnte, war das allerdings ein herausragendes Erlebnis. Eine beeindruckende Persönlichkeit mit einem unfassbaren Charisma.

"Es ist spannend zu erfahren, wie bestimmte Mechanismen funktionieren, um einen Künstler konzeptionell zu formen, ohne ihn zu verbiegen"

Backstage PRO: Wo denkst du liegen die Eigenarten der alternativen Musik in Sachen Business? Verglichen jetzt mit dem, was man aus dem Pop oder Mainstream HipHop zumindest mitbekommt.

Alexander Schröder: Zuerst einmal muss man feststellen, dass man immer aus den wenig vorhandenen finanziellen Mitteln viel machen muss. Aber das war eigentlich schon immer so bei allem, was ich getan habe und spiegelt ja auch immer die Arbeit in der Indie-Branche wider. 

Ansonsten hat man in einer Nische natürlich immer bessere Chancen, schneller wahrgenommen zu werden und Künstler aufzubauen, gerade wenn man die Mechanismen und Szene kennt. Tatsächlich kann ich gar nicht so viel zum Pop und Hip-Hop sagen bzw. bin da zu wenig drin. Umso schöner, wenn ich mir das durch meine Podcast-Gäste nach und nach erschließen kann. So war zum Beispiel das Interview mit Karin Heinrich total beeindruckend. Sie war einer der ersten Frauen in Führungsposition in der deutschen Musikbranche, hat später u.a. Roger Cicero entdeckt und ihn von Anfang an gemanagt und aufgebaut. Es ist sehr spannend zu erfahren, wie bestimmte Mechanismen funktionieren können und wie man entgegen der weitläufigen Ansicht, einen Künstler konzeptionell formen kann, aber dabei eben nicht verbiegt.

Backstage PRO: Denkst du, Lenken eines Künstlers in diese oder jene Richtung ist bis zu einem gewissen Grad notwendig oder zumindest förderlich? Hattest du schon Klienten, deren Vision mit der deinen überhaupt nicht zusammengepasst hat?

Alexander Schröder: Wie gesagt, es geht uns ja nicht darum, die Künstler zu verbiegen, sondern eher den Weg noch einmal zu fokussieren. Wenn ein Künstler seine Band oder Musik nicht in maximal 2-3 Sätzen beschreiben kann, dann fehlt es ihm an etwas Grundlegenden – und da muss man ran, wenn man professionell arbeiten und Erfolg haben will.

Selbstverständlich gibt es immer Beziehungen, in denen man keine gemeinsame Vision entwickeln kann oder die einfach nicht zusammenpassen. In der Regel fragen wir solche Inhalte vor einer potentiellen Zusammenarbeit allerdings auch genau ab und entscheiden dann, ob eine Kooperation überhaupt Sinn ergibt – für beide Seiten versteht sich.

Ansonsten macht es wahrscheinlich in jedem Bereich Sinn, sich quasi externe Hilfe zu holen, die dann die richtigen Fragen stellt, berät und coacht. Ob es notwendig ist oder ob man es zulassen möchte, muss jeder selber für sich entscheiden, aber in der Regel erleben wir bei unseren Künstlern eine spürbare Klarheit und Verbesserung im eigenen Auftritt, Selbstbewusstsein und Image, was sich letztendlich auch im Erfolg messen lässt.

"Mehr denn je geht es darum, eine gute Geschichte zu erzählen."

Backstage PRO: Was sind die Herausforderungen der Gegenwart an ein Record Label? Physische Verkäufe aber auch PR sind ja nicht mehr das, was sie einmal waren und zwar schon vor der Coronakrise.

 Alexander Schröder: Die Arbeit als Label sowie die Erlösströme werden immer kleinteiliger und man muss die komplette Bandbreite der Klaviatur beherrschen oder sich zumindest in allen Teilbereichen auskennen. Letztendlich befindet sich ja jedes Business ständig im Wandel. Die Herausforderung nehmen wir gerne an, denn sie bietet Raum für positive Veränderungen und somit auch zahlreiche Chancen. Dass die physischen Verkäufe zurückgehen, sehen wir nur teilweise bei unseren Veröffentlichungen. Gleichzeitig steigen die Streamingerlöse, so dass wir gar nicht unbedingt von einem Umsatzrückgang sprechen können. 

Während die klassischen "Gatekeeper-Funktionen” eines Labels wie die Bereitstellung einer Vertriebsstruktur, Finanzierungen oder weitläufige Promotionleistungen demokratisiert oder unwichtig werden, vertreten wir die Meinung, dass man als Label heutzutage modern und flexibel agieren muss. Wir sind zum Beispiel enger konzeptioneller, kreativer aber auch zahlengetriebener, analytischer Partner für unsere Künstler, von Social Media über Produktion bis hin zum Online oder Content Marketing. Und natürlich verfügen wir weiterhin über ein starkes Netzwerk, das wir gerne mit in die Zusammenarbeit einbringen.

Backstage PRO: New Media usw. bieten deiner Meinung nach also neue Chancen?

Alexander Schröder: Selbstverständlich! Aber ganz so einfach ist das ja auch nicht, denn jedes Medium funktioniert anders und besitzt andere Eigenarten. Die muss man schnell adaptieren, verstehen und bespielen können. Und natürlich ist es auch eine Chance unabhängiger zu werden und direkter seine Fans zu erreichen; als Künstler genauso wie ein Label. Wir schauen uns alles genau an und entscheiden dann, ob und wie wir diese Kanäle bespielen können und wollen.

Backstage PRO: Welche neuen Formen von PR und Promotion nutzt du? Podcasts und Playlists sind ja gerade die großen Ps in der Promo…

Alexander Schröder: Wir setzen stark auf Content Marketing, egal auf welchem Kanal. Der Mix macht es doch aus, zumal jeder Kanal seine ganz eigenen Mechanismen, Vor- und Nachteile besitzt. Jeder Künstler und jedes Unternehmen haben die große Chance, das eigene Bild in der Öffentlichkeit selber zu formen. Eigenen Content zu erstellen, ist nahezu kostenlos oder zumindest preiswert und er kann schnell und flexibel hergestellt werden. 

Mehr denn je geht es darum, eine gute Geschichte zu erzählen. Wenn du eine spannende Story erzählen kannst, ist die Form der Kommunikation dabei unter Umständen auch eher zweitrangig.

"Die Krise beschleunigt die Entwicklung von Zukunftsthemen"

Backstage PRO: Wie spürst du bei Redfield Records die Veränderungen durch Corona? Würdest du sagen, dass die Krise bestimmte rückläufige Mechanismen eher beschleunigt? Oder welchen neuen Herausforderungen stellen sich Label und Künstler?

Alexander Schröder: Tatsächlich sind wir unsere Jahresplanung für 2020 schon im Vorfeld sehr ruhig angegangen, so dass wir glücklicherweise aktuell nicht von großen finanziellen Risiken oder Verschiebungen betroffen sind. Trotzdem sehe ich natürlich die großen Probleme, die insbesondere die Akteure der Livebranche betreffen, die Künstler und weitergelagert auch andere Branchen, wie zum Beispiel die Verlagsbranche, die unter Umständen eher zeitversetzt Probleme bekommen kann.

Ich habe mich zu Beginn der Krise sehr stark mit unseren Partnern und in unserem Netzwerk ausgetauscht und versuche auch weiterhin dranzubleiben, um zu schauen, wie die jeweilige Lage gerade ist und wo wir Unterstützung leisten können. Daraus entstand dann die Idee einer Spezialwoche im Redfield Podcast, in der ich in einer täglichen Folge mit diversen Akteuren der Musikbranche spreche, gute Ideen vorstelle oder die gegenwärtige Situation abbilde.

Backstage PRO: Welche Veränderungen erwartest du durch die Krise?

Alexander Schröder: Die Krise beschleunigt mit Sicherheit die Entwicklung von Zukunftsthemen, nicht nur in der Musikbranche. Livestreams sind aktuell die nahezu einige Antwort vieler Künstler, ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass solch ein Event zukünftig genauso zum Promotion- und Marketingmix einer Albumkampagne gehören kann wie die obligatorische Releaseshow.

In Sachen Vertriebsstruktur – insbesondere stationär – sowie in der Medienlandschaft vermag ich derzeit noch keine genaue Prognose treffen, aber es ist zu befürchten, dass einige Player hier auf der Strecke bleiben werden. Inwieweit der Grund letztendlich am wackeligen Geschäftsmodell oder tatsächlich der ausbleibenden Kaufkraft oder Verkaufsmöglichkeit liegt, muss man sich dann jeweils im Einzelfall anschauen.

Backstage PRO: Eine letzte Corona-Frage: "Selbstständigkeit heute" – was ist dein persönlicher Ratschlag, nicht finanziell, aber wie man sich gerade geschickt anstellen sollte, um im Musikbusiness Gas geben zu können?

Alexander Schröder: Einfach machen und nicht warten. Während viele verzweifelt und ohne jegliche Erfahrung nach einem Einstieg in Form eines Praktikums suchen, gibt es immer die Möglichkeit selber aktiv zu werden. So viele der heutigen Akteure in der Musikbranche haben früh Konzerte veranstaltet, Fanzines oder Blogs gestartet, sind als Merchandiser bei Bands mitgefahren oder haben sich anderweitig eingebracht. Aktuell gibt es zum Beispiel immer mehr gut gemachte Podcasts wie zum Beispiel "The Band Show" oder das "Talk Assumption", die sich mit dem Musikbusiness beschäftigen, was eine echte Bereicherung ist.

Diese Erfahrungen, eine stete Neugier und gleichzeitige Demut sind meiner Meinung nach nie verkehrt, wenn man im Musikbusiness starten und sich so sein Netzwerk aufbauen will.

Backstage PRO: Vielen Dank für deine Zeit!

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