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BGH hält Klage eines Musikers auf Entschädigung wegen Corona-Maßnahmen nicht für aussichtslos

News von Backstage PRO
veröffentlicht am 01.08.2023

coronakrise kulturpolitik

BGH hält Klage eines Musikers auf Entschädigung wegen Corona-Maßnahmen nicht für aussichtslos

© Anastasiia Chepinska via Unsplash

Ein Berufsmusiker fordert vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Entschädigung für durch Corona-Auftrittsverbot erlittene Einnahmeeinbußen. Der BGH betrachtet die Klage offensichtlich nicht als aussichtslos.

Geklagt hatte Martin Kilger, Betreiber einer im Allgäu ansässigen Produktionsfirma für Musik und Film und Leiter einer Band. 

Zwischen März und Juli 2020 wurden wegen Corona fünf geplante Auftritte im Südwesten Deutschlands abgesagt. Für den dadurch eingetretenen Verdienstausfall fordert er vom Land Baden-Württemberg 8.300 Euro Entschädigung.

Nicht aussichtslos 

In den Vorinstanzen war Martin Kilger gescheitert, auch in Bayern, dem Sitz seiner Musik- und Filmproduktionsfirma. Nun darf sich der Berufsmusiker trotzdem Hoffnungen machen, denn der 3. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe machte deutlich, dass die Auftrittsverbote während des Lockdowns durchaus einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen könnten.

Persönlich wären Kilger keine Auftritte untersagt worden, jedoch hätte ein allgemeines Veranstaltungsverbot den gleichen Effekt. Der Senat wird nun prüfen, ob die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gerechtfertigt oder rechtswidrig waren. 

Peter Wessels, der Anwalt von Kilger vor dem BGH ist der Auffassung, man müsse bei der Entschädigung zwischen Berufsgruppen gewichten. Er kommentiert diese Entwicklung laut dpa wie folgt: "Künstler leben vom Kontakt zum Publikum, vom Auftragsflow – und nicht selten von der Hand in den Mund."

Diese Fälle seien anders zu beurteilen, als die Corona-Einbußen eines Handwerksbetriebes oder eines Hotels, die normalerweise deutlich höhere Rücklagen hätten. Von Künstlern zu verlangen, dass sie mehr als zwei Monate ohne Einnahmen seien, gehe an deren Lebensrealität völlig vorbei. "Hier muss eine Grenze gezogen werden", erklärt Wessels.

Waren die Hilfen ausreichend?

Die BGH-Anwältin des Landes Baden-Württemberg argumentierte, der Musiker habe Corona-Soforthilfen erhalten. Außerdem seien die Förderungen immer wieder angepasst worden. 

Kilger hingegen gibt an, dass er die 9.000 Euro Soforthilfe teilweise habe zurückzahlen müssen und dass diese von Anfang an keine angemessene Entschädigung gewesen wären. Zahlreiche Künstler seien durch Corona "unter die Räder gekommen und kaputt gegangen". Er wolle, dass die Folgen von der Gesellschaft anerkannt und die Künstler entschädigt würden.

Grundrechtsrelevante Fragen

Das Urteil des BGH wird Anfang August 2023 erwartet. Sollte Kilger mit seiner Klage scheitern, könnte der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Dieses würde prüfen, ob der Staat aufgrund der coronabedingten Eingriffe in Eigentumsrecht und Berufsfreiheit eine Entschädigung leisten müsste. 

Während "normale" Unternehmen durch zahlreiche Coronahilfen durch die sog. Überbrückungshilfe mehr oder weniger gut unterstützt wurden, waren es gerade Soloselbstständige (darunter zahlreiche freischaffende Künstler), die durch die Corona-Maßnahmen unverhältnismäßig hart getroffen wurden.

Erst die Neustarthilfe des Jahres brachte Anfang 2021 eine gewisse Entlastung, aber während des gesamten Jahres 2020 erhielten Soloselbständige nur wenige Hilfen – abgesehen von der Corona-Soforthilfe, die 3000 Euro über drei Monate betrug. 

Der BGH und auch das Bundesverfassungsgericht wird die Frage zu klären haben, ob die Hilfen  für Künstler angesichts der massiven Eingriffe in Eigentumsrecht und Berufsfreiheit ausreichen. Auf die Antwort auf diese sehr komplexen Fragen darf man gespannt sein.

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