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Praxisbericht

Warum die Überbrückungshilfen des Bundes nicht nur für Musiker und Künstler ein Flop sind

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 13.11.2020

coronakrise kulturpolitik steuern

Warum die Überbrückungshilfen des Bundes nicht nur für Musiker und Künstler ein Flop sind

Überbrückungshilfen floppen. © thevisualsyouneed / 123RF

Viele Künstler und Musikschaffende hofften auf effektive Unterstützung, als die Überbrückungshilfen im Juni 2020 beschlossen wurden. Warum die Hoffnungen sich nicht erfüllt haben, zeigt der Besuch in der AST Steuerberatungsgesellschaft in Ludwigshafen.

Die sog. Überbrückungshilfe unterscheidet sich grundlegend von der Corona-Soforthilfe, die der Bundestag Ende März 2020 auf den Weg gebracht hat.

Die Soforthilfe sollte Umsatzeinbrüche von kleinen und mittleren Unternehmen bzw. von Soloselbständigen und Freiberuflern in den Monaten April und Mai kompensieren. Das Ziel der Überbrückungshilfen I + II bestand hingegen darin, von der Coronakrise schwer betroffene Unternehmen in den Monaten Juni bis Dezember 2020 zu entlasten.

Wie sind die Erfahrungen in der Praxis?

Die Überbrückungshilfe konnte und kann im Gegensatz zur Soforthilfe nur von "prüfenden Dritten" wie Steuerberatern, Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern beantragt werden, die diese Aufgabe natürlich nicht umsonst erledigen.

Welche Auswirkungen hat das aber in der Praxis? Welche Erfahrungen machen die Beschäftigten in Steuerberatungsgesellschaften, die die Überbrückungshilfe für ihre Mandanten beantragten und beantragen?

Hohe Hürden

“Die Überbrückungshilfe war von Anfang an zu streng konzipiert”, sagt Fynn Meyer, der als ausgebildeter Steuerfachangestellter und jetziger Masterstudent bei der Steuerberatungsgesellschaft AST unter anderem auch für die Bearbeitung und Beantragung der Hilfen zuständig ist.

“Der Staat hat gemerkt, dass mit der Corona-Soforthilfe viel Missbrauch betrieben wurde. Als Reaktion hat er die Hürden für die Überbrückungshilfe unfassbar hoch gesetzt. Es ist finanziell gesehen ein riesiges Paket, aber niemand kann es sich holen”, kommentiert Meyer.

Tatsächlich hatten Betroffene bis Anfang Oktober lediglich Hilfen von 1,7 Milliarden Euro beantragt (nicht erhalten!) – und das bei einem Gesamtvolumen der Überbrückungshilfe von 25 Milliarden Euro.

Steuerberater in der Zwickmühle

Das hat offensichtliche Gründe: Betroffene Unternehmen mussten bei der ersten Überbrückungshilfe für die Monate Juni bis August einen Umsatzeinbruch von mindestens 40% im Vergleich zum Vorjahresmonat nachweisen, was dazu führte, dass viele die Hilfe gar nicht erst erhielten. Bei der Überbrückungshilfe II, die für die Monate September bis Dezember 2020 vorgesehen ist, wurde diese Schwelle daher auf 30% reduziert.

“Bei einem Umsatzausfall von 25 % traut der Staat den Unternehmen anscheinend zu, diesen Einbruch selbst zu schultern”, kommentiert Meyer. “In Wirklichkeit befinden sich aber auch diese Unternehmen in einer bedrohlichen Schieflage, aber als Steuerberater muss man hilflos zusehen und kann dem Mandanten nicht helfen. Das entspricht nicht dem Selbstbild der Branche”.

Kaum Hilfe für Kunst und Kultur

Für heftige Kritik sorgte und sorgt immer noch der Umstand, dass die Überbrückungshilfe nur für bestimmte Betriebsausgaben verwendet werden kann. Das verursachte viel Frust bei Soloselbständigen und Freiberuflern, die nur wenige Betriebsausgaben haben, weil sie kein Büro unterhalten, da sie für ihre Jobs durch die Republik reisen.

Zu dieser Gruppe zählen Musiker und andere Künstler, aber auch Tontechniker, Beleuchter, Bühnenbauer und viele weitere Beschäftigte der Kultur- und Eventbranche. Insgesamt ist die Überbrückungshilfe für Unternehmen der “old economy” konzipiert und nicht für eine Dienstleistungsgesellschaft, erklärt Meyer. “Kunst und Kultur fallen aus dem Programm ein wenig raus.”

Ein Programm für die “old economy”

Am ehesten nützen die Überbrückungshilfen Unternehmen mit einem Betrieb und hohen Fixkosten. “Aber eigentlich profitiert niemand wirklich. Selbst wenn 80% der Fixkosten vom Staat bezahlt werden, muss das Unternehmen ja immer noch 20% selbst bezahlen”, erläutert Meyer.

Zu den förderfähigen Fixkosten zählen beispielsweise Miete, Nebenkosten (Elektrizität, Wasser, Internet, Telefon), Zinszahlungen sowie Erhaltungsaufwendungen wie Reinigung und Wartung. Wareneinkäufe oder Investitionen in neues Anlagegut werden hingegen nicht gefördert.

Zu den Verlierern zählen auch diejenigen, die zu Beginn der Krise erst einmal zögerten: “Wer die Corona-Soforthilfe erst im Mai beantragt hat, so dass deren Auszahlung erst im Juni oder Juli erfolgte, musste feststellen, dass die Soforthilfe auf die Überbrückungshilfe angerechnet wird. Man kann in einem Fördermonat nicht beides erhalten. Das hat für viel Ernüchterung gesorgt”, kommentiert Meyer.

Am Ende wird geprüft

Antragssteller müssen sich zudem bewusst sein, dass Zahlungen im Rahmen der Überbrückungshilfe versteuert werden müssen. Die Schlussabrechnung muss bis Ende 2021 mit Nachweisen eingereicht werden, wobei auch Rückforderungen möglich sind. Steuerberater müssen die Plausibilität der Angaben versichern, haften aber nur bei grobem Verschulden.

Die Frage zu klären, ob sich die Beantragung der Überbrückungshilfen überhaupt für einen Mandanten lohnt, sei ein “unglaublicher Balanceakt”, so Meyer. Die Steuerberater verlangen für ihre Leistungen natürlich Gebühren, stünden aber dabei vor der Frage, wie viel Geld sie von Mandanten verlangen können, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden.

Erwartungen und Realität

Zudem müssen sie sich mit den oft turmhohen Erwartungen der Mandanten auseinandersetzen. Viele haben die Erwartung, Hilfe in Höhe der möglichen Höchstbeträge zu erhalten, übersehen dabei aber wichtige Details, beispielsweise in Hinblick auf die Staffelung nach Beschäftigten.

“Bei Unternehmen bis zu fünf Beschäftigten beträgt der maximale Erstattungsbetrag 9.000 Euro für drei Monate, bei Unternehmen bis zu zehn Beschäftigten 15.000 Euro für drei Monate”, heißt es in den offiziellen Eckpunkten des Bundeswirtschaftsministeriums.

Nur Vollzeitbeschäftigte gelten allerdings als “ein Beschäftigter” im Sinne der Überbrückungshilfen. Ein Arbeitnehmer, der bis zu 30 Stunden pro Woche arbeitet, zählt nur mit dem Faktor 0,75.

Nicht jeder Beschäftigte zählt voll

Wenn ein Unternehmen sechs Teilzeitangestellte beschäftigt, erreicht es nicht die Schwelle der “bis zu zehn Beschäftigten” und kann daher nicht maximal 15.000 Euro, sondern nur 9.000 Euro erhalten. “Vielen Mandanten ist das nicht klar und es ist unsere Aufgabe, es ihnen zu vermitteln.”

Allerdings ist der Staat Unternehmen mit Sonderregelungen Unternehmen entgegengekommen, die einen stark saisonal schwankenden Bedarf an Arbeitskräften haben. Neben der Gastronomie betrifft das auch die Musik- und Eventbranche, deren Bedarf an Beschäftigten in der Festivalsaison weitaus größer ist als im Winter.

Weiterentwicklung der Überbrückungshilfe

Der Bund verspricht, dass in der dritten Runde vieles besser werden soll. Die aktuelle Überbrückungshilfe II gilt bis Dezember. Für die ersten Monate des Jahres 2021 soll sie dann verlängert und die Konditionen verbessert werden. Dazu wird ein Nachfolgemodell unter dem Namen "Überbrückungshilfe III" entwickelt, das insbesondere besser auf die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft zugeschnitten sein soll.

Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung bei der Neugestaltung aus vergangenen Fehlern lernt.

Auf die Steuerberatungsgesellschaften kommt dann wieder viel Arbeit zu: „Eine Anfrage beim Steuerberater, ob sich die Beantragung der aktuell gültigen Überbrückungshilfe lohnt, ist jedem Unternehmer oder Selbstständigen zu empfehlen“ erklärt Fynn Meyer zum Abschluss.

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