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Wozu ein Musikverlag? – Teil 2

Brauchst du einen Musikverlag oder nicht und welche Rolle spielt das Urteil zur Verlagsbeteiligung?

Tipps für Musiker und Bands von Mario Rembold
veröffentlicht am 10.10.2017

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Brauchst du einen Musikverlag oder nicht und welche Rolle spielt das Urteil zur Verlagsbeteiligung?

© Mario Rembold

Im ersten Teil haben wir euch erklärt, was ein Musikverlag heutzutage macht. In Teil 2 geht es um den eigenen Verlag – den man womöglich gar nicht braucht. Außerdem fragen wir, ob das Gerichtsurteil zur Verlagsbeteiligung unzufriedenen Autoren hilft oder im Gegenteil Rechtsunsicherheit schafft.

Einleitung | Teil 1 jetzt lesen | Teil 3: 6-Punkte-Checkliste

Der eigene Musikverlag

Der Chanson-Komponist Rainer Bielfeldt schreibt nicht nur Musik für Künstler wie Tim Fischer, sondern er hat sogar seinen eigenen Verlag: den Rainer Bielfeldt Musikverlag. Einen wesentlichen Teil der Arbeitszeit füllt dabei der bereits erwähnte "Papierkram" aus:

"Das Monitoring der GEMA-Abrechnungen nehme ich sehr genau", betont Bielfeldt, "die überprüfe ich bis in den letzten Winkel und nehme die aus verschiedensten Gründen sehr häufig notwendigen Reklamationen vor." Die Arbeit beginnt mit der Werksanmeldung bei der GEMA, später reicht Bielfeldt auch Setlisten der Veranstaltungen ein, wenn er weiß, dass dort bei ihm verlegten Werke gespielt wurden. Denn nicht jeder Veranstalter füllt diese Listen gewissenhaft aus – zum Nachteil der Songautoren. "Bei den Liedern für Tim Fischer beispielsweise können sich die verlegten Autoren sicher sein, dass wirklich jede Aufführung gemeldet und vergütet wird", versichert Bielfeldt.

Doch viele seiner eigenen Kompositionen sind komplett ohne Verlag veröffentlicht. Das scheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Schließlich sieht es im Booklet doch schick aus, wenn hinter dem "published by" eine Firma mit dem eigenen Namen im Titel steht. Bielfeldt widerspricht:

"Niemand sollte seine Werke allein deshalb selbst verlegen, weil es so schön professionell klingt!"

Ausgerechnet die Werke, die er allein geschrieben hat, erscheinen nicht im Rainer Bielfeldt Musikverlag. "Wenn ich allein Autor bin, verlege ich die Werke sowieso nicht, das würde keine Vorteile bringen", verweist Bielfeldt auf die Tatsache, dass er die Arbeit ohnehin selbst erledigt. Dazu, so berichtet er, hätte er noch den Nachteil, dass er für das Werk durch den Verlagsanteil weniger Wertungspunkte durch die GEMA erhalte. Unterm Strich käme dann eine geringere GEMA-Ausschüttung für ihn heraus.

Den eigenen Verlag unterhält Bielfeldt aus einem anderen Grund: Viele seiner Kompositionen lässt er von anderen Autoren betexten oder vertont deren Songideen. In einigen Fällen produziert Bielfeldt dann selbst Demos und bietet die Stücke einem Interpreten an. So war es etwa beim aktuellen Album "Absolut!" von Tim Fischer. Obwohl Bielfeldt das Album produziert hat und Fischer bei Konzerten begleitet, sei das kein Selbstläufer, stellt er klar. "Sonst wäre mein Anteil an eigenen Liedern bei den Shows und auf der CD auch größer."

Hier agiert der "Verleger" Bielfeldt also als Vermittler zwischen Songtextdichtern und Interpreten und geht auch in Vorleistung, wenn er Demo-Aufnahmen produziert – zu Songs, die womöglich abgelehnt werden. "Meine Mitautoren bitte ich aber nur dann um Verlagsrechte, wenn es auch gerechtfertigt ist", so Bielfeldt.

Dem Verlag die lange Nase machen

Ein Musikverlag kann dem Autor also in vielen Fällen unter die Arme greifen und sollte dann fairerweise auch etwas vom GEMA-Kuchen abbekommen. Die GEMA hat daher seit jeher eine Verlagsbeteiligung von vornherein in ihren Berechnungen der Ausschüttungsanteile berücksichtigt. Genau diese Praxis ist nun aber in Frage gestellt, zuletzt im November 2016 durch die Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Aktenzeichen 24 U 96/14):

Die Kläger hatten argumentiert, dass mit einem GEMA-Wahrnehmungsvertrag die Autoren ihre Rechte bei der GEMA einbringen. Somit dürfe die GEMA nicht einfach Anteile eines Werks an einen Verlag ausschütten. Die GEMA hatte dazu erklärt, sie halte die Entscheidung für falsch. Schließlich schütte man ja nur dann einen Anteil an einen Verlag aus, wenn der Autor eine entsprechende Vereinbarung mit dem Verlag getroffen habe. Bei nicht verlegten Werken geht die gesamte Vergütung an die Autoren.

Dem Gerichtsurteil nach scheint es, als könnten Autoren ihrem Verlag jetzt eins auswischen und vergangene Ausschüttungen rückabwickeln lassen – damit dieser Verlagsanteil auf das eigene Konto fließt. Davor aber warnt Markus Rennhack: "Eine lange Nase können Urheber ihren Verlagen nur ziehen, wenn die Verträge nicht wirksam die Rechte übertragen haben!" Anders gesagt: In der Regel hat ein Autor ja vor der Werksanmeldung einen Vertrag mit seinem Verlag geschlossen. Standardmäßig sind diese Verträge so formuliert, dass die Anteile nach dem Verteilungsschlüssel der GEMA an den Verlag gehen. Ob diese Rechteübertragung wirksam ist oder nicht, müsste dann erstmal wieder ein Anwalt und im schlimmsten Fall ein Gericht prüfen.

Wer sich jetzt also auf eigene Faust Verlagsgeld zurückholt oder künftig auf die komplette Auszahlung durch die GEMA besteht, der muss dann mit Forderungen durch seinen Verlag rechnen; der Verlag wird sich dabei auf den abgeschlossenen Vertrag berufen, dem der Autor ja zugestimmt hatte. Rennhack ärgert sich, dass das aktuelle Urteil letztlich eine große Rechtsunsicherheit schaffe, wo vorher einfache Spielregeln galten. Vieles könne auch für den Autor sehr viel komplizierter werden, falls der auf eine Rückabwicklung besteht. "Worst-Case-Szenario ist ein bestehender Managementvertrag, der den Urheber verpflichtet, 20 Prozent der als Einkommen zu wertenden Summe abzugeben", nennt er ein Beispiel, das für einige Songschreiber greifen könnte, die selbst auftreten und über einen Manager vermittelt werden. Normalerweise errechnet sich der Anteil für den Manager nur aus dem Geld, das direkt an den Künstler geht. Bekommt der Künstler aber zusätzlich auch diesen Verlagsanteil, wäre das zunächst eine weitere Einnahme, die auf die Provision für das Management angerechnet wird. Und dann müsste der Autor zusätzlich noch den Verlagsvertrag erfüllen und würde unterm Strich weniger Geld herausbekommen.

Unzufrieden mit dem Verlag

In vielen Fällen wird man sich also selbst ins Knie schießen, wenn man dieses Urteil zum Anlass nimmt, Verlagsanteile zurückzufordern oder künftig für sich in Anspruch zu nehmen. Rennhack meint, dass dieses Urteil nicht mal den Autoren hilft, die von unseriösen Musikverlagen zum Verlegen gezwungen wurden. "Die Urheber, die einen echten moralischen Grund haben, ihrem Verlag den Rücken zu kehren, werden das aus Gründen der Abhängigkeit ohnehin nicht tun", ist er sicher.

Dort, wo zwischen Autor und Verlag wirklich etwas im Argen liegt, sollte man nicht auf diese Weise auseinandergehen, rät Rennhack:

"Es ist doch besser, einen Streit direkt miteinander und nicht über Dritte zu klären."

Den Klägern sei es beim Berliner Urteil nicht darum gegangen, die Autorenrechte zu stärken, mutmaßt Rennhack. "Das politische Ziel war, die GEMA zu spalten." Letztlich bedeutet dieses Urteil also nur, dass jeder Autor selbst mit seinem Verlag eine Beteiligung aushandeln müsste – ohne die GEMA im Rücken, in der ja vorwiegend Urheber stimmberechtigt sind. Es dürfte also in vielen Fällen ratsam sein, der alten Abrechnungspraxis über die GEMA zuzustimmen. Somit führt das aktuelle Urteil letztlich vor allem zu mehr Bürokratie, weil die GEMA sich diese Verlagsbeteiligung jetzt explizit von den betroffenen Autoren bestätigen lassen muss.

Wo bleibt die Ausschüttung?

Geht es um Unzufriedenheit mit dem Verlag, müssen wir an dieser Stelle noch mal auf Sentric Music zurückkommen. Wie bereits erwähnt gab es hierzu ja kritische Rückmeldungen von Musikern in den Kommentaren zum Interview mit Christina Otto-Sauer. Neben den bereits diskutierten Missverständnissen zur Zusammenarbeit mit einem Musikverlag als GEMA-freier Autor hatten wir noch mit einem weiteren Musiker direkten Kontakt, der unzufrieden mit Sentric war:

2014 habe er den Vertrag mit dem Musikverlag abgeschlossen, bis Februar 2016 aber keine Ausschüttung bekommen. Sentric wirbt mit einer Kündigungsfrist von nur einem Monat, und diese hatte der Autor dann auch in Anspruch genommen und ist zu einem anderen Verlag gewechselt. Trotzdem seien die Werke auch nach der Kündigung teilweise noch unter Sentric Music bei Verwertungsgesellschaften gemeldet gewesen. Außerdem habe es Abweichungen bei den Schreibweisen der Songautoren gegeben.

Christina Otto-Sauer weist darauf hin, dass Abrechnungen bis zu 18 Monate dauern könnten. Dass die Autorennamen zum Teil in der Schreibweise abweichen, komme gelegentlich vor, weil es bei den Verwertungsgesellschaften viele Fehlerquellen gebe. "Eine eindeutige Zuordnung kann dort nur passieren wenn man Mitglied einer Verwertungsgesellschaft ist", so Otto-Sauer. Dann nämlich sind die Urheber über eindeutige Identifikationsnummern registriert.

Ob Sentric nachträglich doch noch an den betroffenen Autor Beträge aus dem Vertragszeitraum nachzahlen wird, wissen wir nicht. Zumindest für Auftritte innerhalb Deutschlands sollte die Abrechnung eigentlich schneller vonstatten gehen und sich definitiv nicht über fast drei Jahre hinziehen. Es scheint jedenfalls schwer nachvollziehbar, dass in dieser Zeit überhaupt keine Einnahmen generiert worden sind.

Otto-Sauer betont jedoch, dass man bei Sentric rund 90.000 Urheber betreue. Somit kann man natürlich nicht aus einigen Fällen, in denen etwas schiefläuft, allgemeingültige Rückschlüsse ziehen. Außerdem weist Otto-Sauer darauf hin, dass Sentric bei den 2017 Music Week Awards als Publisher of the year nominiert waren – mit nur acht weiteren Verlagen, darunter auch Namen wie BMG und Sony/ATV Music Publishing. Wir freuen uns, wenn es in diesem Fall noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommt und bringen dann an dieser Stelle gern ein Update.

Passt's? Oder nicht?

Definitiv sollte man sich aber vorher überlegen, ob ein bestimmter Verlag für die eigenen individuellen Ansprüche passt oder nicht. So betonte Christina Otto-Sauer in unserem damaligen Interview, dass Sentric die Verwaltungskosten durch leistungsstarke selbst entwickelte IT-Systeme geringhalte. Für einige Autoren mag das passen, in anderen Fällen braucht es womöglich mehr Betreuung, als es automatisierte Eingabemasken und ausgefeilte Algorithmen sicherstellen können. Dann aber wird der Verlag wohl auch einen höheren Anteil für sich selbst einbehalten als Sentric, die ja mit nur 20 Prozent eine sehr niedrige Verlagsbeteiligung für sich berechnen.

"Ich denke, am wichtigsten ist es für alle Bands oder Künstler, sich Gedanken über ihre Rechte zu machen und zu informieren"

…, resümmiert Otto-Sauer. Dabei dürfe man Sentric und andere Verlage ebenso wie die GEMA gern kritisch hinterfragen. Aber, so fügt sie hinzu, auch die Clubs oder Veranstalter, die nur GEMA-freie Bands spielen, solle man dann nicht von der Kritik ausnehmen.

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Einleitung | Wir geben Überblick über Thema und Artikel.

Teil 1 jetzt lesen | Wir erklären, was ein Musikverlag heutzutage macht. Markus Rennhack von Kick the Flame berichtet über grundsätzliche Aufgaben und legt dar, warum ein Autor mit verlegten Werken auch in der GEMA sein sollte.

Teil 3 lesen | Das Wichtigste fassen wir für euch in einer übersichtlichen Sechs-Punkte-Checkliste zusammen.

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