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"Beschäftige dich mit der Materie!"

Enno Heymann (Enorm Verlag, Wacken Foundation) über Urheberecht und Verteufelung der GEMA

Interview von Doktor Nic
veröffentlicht am 15.05.2020

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Enno Heymann (Enorm Verlag, Wacken Foundation) über Urheberecht und Verteufelung der GEMA

Enno Heymann (Enorm Verlag, Wacken Foundation). © (privat)

Enno Heymann ist der Kopf von Enorm Music. Neben der Verlagstätigkeit ist er auch als Bandmanager und Kurator der Wacken Foundation tätig und betreut Jugendförderprojekte wie beispielsweise das Wacken Music Camp.

Backstage PRO: Hi Enno. du bist Gründer des Verlags Enorm Music. Worin besteht eure Haupttätigkeit?

Enno Heymann: Ein Verlag ist an der Wahrnehmung von Urheberrechten beteiligt. Jeder, der Werke von Autoren bzw. Urhebern benutzt – also Plattenfirmen, die es vervielfältigen; Radios, die es spielen; Veranstalter, auf deren Bühnen diese Werke dargeboten werden usw. – hat für diese Nutzung eine entsprechende Gebühr zu zahlen.

Die Autoren und der Musikverlag sind Mitglieder in einer Wahrnehmungsgesellschaft; in Deutschland ist dies die GEMA, die entsprechende Verträge mit den Nutzern für ihre Mitglieder – Autoren und Musikverlage – abschließt und die Gebühren kassiert und nach einem, von den Mitgliedern selbst verabschiedeten Verteilungsplan verteilt. Autoren, die uns an der Wahrnehmung der Rechte für bestimmte Titel beteiligen, bekommen dann von uns Verwaltung und Unterstützung dabei, dass die Werke auch entsprechend stattfinden.

Backstage PRO: Das Thema GEMA wird oft kontrovers behandelt – auch unter Musikern. Wie erklärst du dir das und was hast du zu entgegnen?

Enno Heymann: Ja, das weiß ich und ich kann es zum Teil nachvollziehen, wenn ich es auch nicht wirklich verstehe. Die GEMA hat in der Außensicht teilweise einen schlechten Ruf. Das mag an der "mittleren" Vergangenheit liegen oder an Darstellungen, die nicht besonders "trennscharf" wahrgenommen bzw. kommuniziert werden. Die GEMA ist gern mal die "Schuldige". Schlagzeilen, wie "Die GEMA will das Singen im Kindergarten verhindern", oder ist verantwortlich für das "Clubsterben" oder oder.

Backstage PRO: Pauschale Aussagen.

Enno Heymann: Das ist natürlich alles Blödsinn, aber es steht im Raum. Auf der anderen Seite ist da der Autor, der sich mit einer sehr abstrakten Sachlage beschäftigen soll, seinem Urheberrecht und wie er die Nutzung dieses Rechts zu Geld machen kann bzw. was ihm aus der Nutzung zusteht. Er liest, dass "sowieso Nichts beim Autoren ankommt", dass die "Verteilung ungerecht ist" oder nur die sogenannten "ordentlichen Mitglieder" etwas bekommen. Bei aller Bemühung der Transparenz und Hilfe steht halt doch eine gefühlt hohe Berührungsangst im Raum (die es nicht geben muss) und bevor der Autor die überwindet, bläst er halt gern mal ins gleiche Horn.

"Es ist einfacher, alles "scheiße" zu finden"

In der Tat ist es ja auch einfacher, alles "scheiße" zu finden als sich mit der Materie mal auseinanderzusetzen. Der Geldfluss dauert halt länger, dann gibt es Abrechnungen mit Kürzeln (was heißen die? – übrigens: Dreht einfach mal die Abrechnungen um, da stehen die Erklärungen… – Spielst du ein Livekonzert, bekommst du eine Gage. Du kannst die Gage deiner Leistung sofort zuordnen. Verkaufst du ein T-Shirt, hast du direkt mehr in der Merchkasse. Alles ist sichtbar, alles ist verständlich. Bei Geldern, die nicht direkt ausgeschüttet werden, sondern zu bestimmten Terminen oder manchmal auch erst mit 2 – 3 Jahren Verzögerung gezahlt werden, ist diese klare Zuordnung nicht möglich. Es wirkt intransparent und nicht nachvollziehbar. Und damit ist man dann erst mal richtig skeptisch.

Backstage PRO: Diese Skepsis erscheint verständlich.

Enno Heymann: Durchaus, aber verständlich ist dann nicht, sich nicht damit zu beschäftigen. Alle Mitglieder der GEMA können zur Jahreshauptversammlung gehen. Dazu bekommt jeder eine Einladung. Da kann man hingehen, seine Fragen stellen. In den letzten Jahren sind sehr viele junge engagierte Autoren zu den Hauptversammlungen gekommen, als auch junge aktive Musikverlage. Dort könnte man sich austauschen, dort könnte man seine Fragen stellen oder mal im persönlichen Gespräch beim Kaffee mit Leuten reden, die weitere Einblicke in die Materie haben. Ich empfehle, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Viele Autoren lassen da aus "Unwissenheit" oder eben auf Grund diese Berührungsangst "Geld auf der Straße liegen". Das muss nicht sein. Beschäftige dich mit der Materie bevor du verurteilst. 

"Eine prozentuale Beteiligung der Autoren scheint mir durchaus gerecht"

Backstage PRO: Würdest du sagen, dass es sich für jede Band egal welcher Größe lohnen würde, das eigene Material bei der GEMA zu melden?

Enno Heymann: Bands sind ja nicht Mitglied in der GEMA – sondern das sind nur natürliche Personen, also Komponisten. Wenn du 1x im Jahr an Omas Gartenlaube mit deinen Kumpels deine selbstkomponierten Songs spielst, dann ist das kein Thema für dich. Möchtest du ernsthaft Musik machen, auf Tour gehen, spielst vielleicht mehr als 10 Konzert im Jahr, wirst auf Spotify gestreamt… dann solltest du dich mit der Materie beschäftigen, ja.

Backstage PRO: Eine letzte GEMA-Frage, die vor allem Veranstalter interessieren könnte: Während die Tantiemen für Künstler steigen, scheinen aber auch die Preise für Veranstalter zu steigen. Was ist dein Statement dazu?

Enno Heymann: Das ist nicht ganz richtig. Die Tantiemen "steigen" in dem Sinne nicht. Es wird das nach dem Verteilungsplan verteilt, was im "Säckle" ist. Richtig ist, dass das gesamt zu verteilende Ergebnis steigt. Der Veranstalter zahlt inzwischen prozentual vom Kartenumsatz. Eine prozentuale Beteiligung der Autoren scheint mir doch durchaus gerecht zu sein. Kommen 40 Leute, die halt 10 Euro zahlen dann berechnet sich daraus die entsprechende Gebühr, die übrigens jeder auf der Homepage der GEMA einsehen kann.

Der Veranstalter ist auf den Künstler angewiesen, wenn er eine Band auf der Bühne haben möchte, die Band ist auf den Veranstalter angewiesen, wenn sie gebucht werden will und Auftrittsmöglichkeiten bekommen will. So ist es doch erst mal. Es ist ein zwingendes miteinander und kein Gegeneinander. Die Rolle der GEMA ist, das Interesse der Autoren zu vertreten, ohne die es keine Musik geben würde.

Backstage PRO: Wie bist du eigentlich dazu gekommen, diesen Papierkram für Künstler zu erledigen?

Enno Heymann: Ich war selbst mal Musiker und habe mich damals für meine Band damit beschäftigt. Unser erster Kontakt im "Business" war ein Verlag, der uns geholfen hat und an unserer Entwicklung aktiv mitgearbeitet hat. Das hat mich damals irgendwie fasziniert und ich habe mich damit beschäftigt. Ebenso habe ich dann festgestellt, dass viele der Kollegen überhaupt keinen Plan davon haben und es so viel gefährliches Halbwissen bis Unwissen gibt; sozusagen eine Lücke, in der ich für mich die Chance gesehen habe, da aktiv mitzuwirken. Der Papierkram ist ja die eine Sache; das zu erklären und an der Entwicklung der Bands und Autoren mitzuwirken, das ist die andere Sache, und das ist durchaus sehr kreativ mit einer Form von Beteiligung, mit der sich eigentlich kaum ein Autor auseinandersetzen möchte. Ich halte das für eine gute Kombi.

"Die Lage für kleine und mittlere Bands ist schwierig"

Backstage PRO: Du bist auch als Manager tätig und Mitglied der Wacken Foundation – dementsprechend eingespannt in die Business-Seite der Musikbranche. Wie schätzt du den deutschen Livemarkt derzeit für kleinere Bands ein?

Enno Heymann: Die Lage für kleine und mittlere Bands ist schwierig. Es gibt verhältnismäßig wenig Auftrittsmöglichkeiten und wenig Raum, sich zu entwickeln. Auf Touren muss man sich teilweise einkaufen. Das muss man sich leisten können.

Die gesamten Rahmenbedingungen für Veranstalter – und nicht nur, weil die GEMA was will –, werden sicherlich nicht einfacher. Auflagen, Sicherheit, steigende Gagen der "ganz Großen" erschweren sicherlich die Aufbauarbeit und Risikobereitschaft. Man muss aber auch sagen, dass der Besucher vielleicht nicht mehr so gerne experimentiert. "Bevor ich irgendwas probiere und 5 Euro auf den Tisch lege, lege ich doch lieber nen Hunni hin und schau mir XY Band an, die im Stadion spielt"… Am Ende ein schwierig zu durchbrechender "Teufelskreis".

Backstage PRO: Es heißt ja oft, dass auf Festivals und Tourneen nur die etablierten Künstler Tickets verkaufen, während kleine Bands es immer schwerer haben, groß zu werden. Wie schätzt du diese Entwicklung im Vergleich zu früher ein?

Enno Heymann: Früher, was auch immer früher ist, war mal mehr Geld im Topf. Labels haben mehr Tonträger verkauft, konnten sich auch mal das ein oder andere Aufbauthema leisten oder hatten "Geduld" über drei Alben, bis sich mal was bewegt hat. Mehr Geld, ihre Künstler auf Touren zu unterstützen. Das ist heute alles sehr viel direkter und schneller geworden, ohne jetzt die Digitalisierung zu verfluchen. Dafür gibt es dadurch andere Möglichkeiten für Bands, sich einer riesen Öffentlichkeit zu präsentieren, die es halt "früher" nicht gab. Fluch und Segen!

"Gib deinen Traum nicht auf, aber beschäftige dich mit allen Facetten"

Backstage PRO: Wie wichtig ist deiner Meinung nach die Nachwuchsförderung in der deutschen Musikwelt?

Enno Heymann: Ich denke, dass die Nachwuchsförderung da unterstützen muss, wo die Mechanismen des Marktes halt nicht mehr greifen. Wenn Tonträgerhersteller sich nicht mehr die Menge an Touren leisten können, dann muss man überlegen, wie man da punktuell gegensteuern kann. Gerade für Nachwuchsbands ist die beste Schule natürlich die Bühne. Da kann und muss man reifen. Nachwuchsförderung ist aber auch in früheren Stadien sinnvoll, überhaupt Interesse für das Spielen in einer Band und an kreativer Arbeit zu wecken; Berührungsängste abzubauen und einfach "Bock auf mehr" zu machen. Ein breiter Kanon an Aufgaben und Lücken. Es gibt viele gute Ansätze und viele Institutionen, die da ansetzen.

Backstage PRO: Was würdest du Menschen raten, die eine Karriere im Musikbusiness in Erwägung ziehen?

Enno Heymann: Ich habe vor Kurzem das Buch "Fische die auf Bäume klettern" (Fitzek) gehört…. Das hat mich leicht zum Umdenken verleitet. Vorher hätte ich gesagt: "Lern was Anständiges und wenn es irgendwann mal für die Musik reicht, wirst du es schon merken". Vielleicht würde ich jetzt sagen:

"Wenn du es unbedingt willst, dann gib deinen Traum nicht auf, aber beschäftige dich mit allen Facetten dieser Karriere". Es reicht nicht, einfach nur gut zu sein oder Talent zu haben. Es gehört verdammt viel dazu und neben deiner künstlerischen Tätigkeit (leider) auch ein großer Teil Business. Auch damit solltest du dich beschäftigen, um deinem Traum zumindest näher zu kommen.

Backstage PRO: Vielen Dank, Enno

Hinweis: Das Interview führten wir vor der dramatischen Zuspitzung der Coronakrise, so dass diese noch nicht Thema unseres Gesprächs werden konnte.

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