Eiszeit
Deutscher Musikrat: Massive Einkommens- und Perspektivverluste in Folge der Corona-Pandemie
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Die am 29. April veröffentlichte Studie "Eiszeit? Studie zum Musikleben vor und in der Corona-Zeit" untersucht umfassend, inwiefern sich der erste und zweite Shutdown im Zuge der Corona-Pandemie auf das Einkommen von Musikerinnen und Musiker auswirkten.
Zudem stellt die Studie dar, wie die finanziellen Corona-Hilfen wahrgenommen wurden und mit welchen Folgen nach der Corona-Pandemie zu rechnen ist. Die Studie greift dabei sowohl auf eine quantitative Umfrage mit knapp 2.900 Beteiligten als auch auf eine qualitative Umfrage mit 39 Personen zurück.
Durchgeführt hat die vom Deutschen Musikrat in Auftrag gegebene Untersuchung das Zentrum für Kulturforschung.
Der erste Shutdown
Den ersten Shutdown konnten laut der Studie zumindest die Angestellten noch ohne größere Schäden überstehen. Vor allem dank dem staatlichen Kurzarbeitergeld hatten Angestellte kaum Einkommenseinbußen zu beklagen.
Selbstständige mussten dahingegen Umsatzeinbrüche von rund 44% im Mittel hinnehmen. Ein Fünftel der Selbstständigen hatte gar einen Umsatzausfall von 100% zu beklagen. Besonders schwer betroffen waren die Selbstständigen, die schwerpunktmäßig im künstlerischen Bereich tätig sind
Dadurch dass einige Spielstätten im Sommer 2020 Lockerungen erfuhren und beispielseise zeitweilig wieder Veranstaltungen austragen durften, konnten sich einige Selbstständige wieder etwas von den wirtschaftlichen Folgen des Shutdowns erholen.
Der zweite Shutdown
Mit dem zweiten Shutdown setzte dann jedoch eine finanzielle Abwärtsspirale ein, die auch durch private und staatliche Hilfen nicht mehr aufzuhalten war. Wieder waren in erster Linie die Selbstständigen betroffen. Während des zweiten Shutdowns stiegen die Umsatzeinbrüche Selbstständiger auf fast 45% im Vergleich zur Ausgangslage.
Auch hier waren vor allem wieder diejenigen mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit betroffen. Selbstständige mit pädagogischen Schwerpunkt kamen am glimpflichsten davon.
Corona-Hilfsangebote
Rund 38% der in der Studie Befragten gaben an, staatliche Hilfeleistungen in Anspruch genommen zu haben. Die übrigen haben entweder keine Anträge gestellt, weil Hilfen nicht notwendig gewesen seien (38,8%), keine Antragsberechtigung vorgelegen habe (42,5%) oder die Antragstellung als zu bürokratisch und komplex empfunden worden sei (6,6%).
An Stelle der staatlichen Hilfen habe viele der Befragten auf Spenden, Ersparnisse oder gar auf Mittel aus der privaten Altersvorsorge zurückgegriffen.
Zukünftiger Mangel an Arbeitskräften
16,4% der Teilnehmer/innen gaben zudem an, den Wechsel in ein anderes Tätigkeitsfeld in Erwägung zu ziehen. 2,2% haben das Musikleben bereits verlassen. Diese Abwanderungsbewegungen könnte zu einem eklatanten Verlust von Know-How führen und einen großen Verlust für die Musikbranche bedeuten, warnt der Deutsche Musikrat.
Darüber hinaus befürchten die Befragten einen gravierenden Fachkräftemangel, da aufgrund der unklaren beruflichen Perspektive mit einem Rückgang von etwa 50% im Nachwuchsbereich gerechnet wird.
Die Folgen
Insgesamt lagen die Umsatzrückgänge bei Selbstständigen im Pandemie-Jahr 2020/2021 bei rund 42%. Nach Berücksichtigung der geleisteten Hilfen verbleibt eine Umsatzminderung von rund 31%.
Für die kommende Zeit wird eine erschwerte Einkommenssituation sowie die Schließung vieler Veranstaltungsorte befürchtet. Die Folgen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der fehlenden Öffnungsperspektive führten bei den Befragten zu Resignation oder sogar zu Depressionen.
Weckruf
In der Studie wird nun gefordert, die öffentliche Förderung des Musiklebens, in Hinblick auf die Schäden die durch die Pandemie entstanden sind, neu zu evaluieren. Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, kommentiert:
"Die Studienergebnisse bieten wirksame Werkzeuge für eine Auseinandersetzung mit den Defiziten und Herausforderungen, mit denen das Musikleben derzeit konfrontiert ist."
Die Bestandsaufnahme aktueller und drohender Verluste im Musikleben sei als Weckruf zum Handeln zu verstehen, damit Deutschland sich "nicht nach der Eiszeit in verkarsteten Kulturlandschaften wiederfindet.“
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