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Von Boom zu Bust

Hipgnosis in Geldnöten: Ist der Boom des Handels mit Songrechten vorbei?

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 16.09.2022

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Hipgnosis in Geldnöten: Ist der Boom des Handels mit Songrechten vorbei?

Hipgnosis-Gründer Merck Mercuriadis im Jahr 2018. © Jill Furmanovsky/rockarchive, CC BY 4.0 , via Wikimedia Commons

Berichten zufolge hat der Hipgnosis Songs Fund sein flüssiges Kapital aufgebraucht und ist nicht in der Lage, weitere Gelder zu beschaffen. Ist der boomende Markt mit Songrechten eine Sache der Vergangenheit?

Der Hipgnosis Songs Fund begann im Jahr 2020 damit, die Rechte an den Songkatalogen hochkarätiger Künstler ganz oder teilweise aufzukaufen. In vielen Fällen erzielten diese Songkataloge Preise von mehreren hundert Millionen US-Dollar. 

Zu den Künstlern und Bands, die ihre Rechte an Hipgnosis verkauften, zählten u.a. die Red Hot Chili Peppers, Neil Young, Justin Timberlake, Barry Manilow, Shakira und die Erben von Leonard Cohen.

Hipgnosis war damit Teil einer Welle an Verkäufen von Songkatalogen berühmter Songwriter an Musikverlage, die in den vergangenen Jahren ständig für Schlagzeilen sorgten. 2021 erreichte die Größenordnung der öffentlich bekannt gewordenen Deals die Summe von 5 Milliarden US-Dollar.

Hipgnosis als Vorreiter

Die großen Musikverlage von Universal, Sony und vor allem BMG beteiligten sich ebenfalls daran, aber Hipgnosis kommt bei diesen Geschäften die Rolle eines Vorreiters zu. 

Das von Merck Mercuriadis gegründete Unternehmen erkannte als erstes das Potential dieses Geschäftsmodells, das darauf setzt, durch die globale Auswertung der Songs sehr viel Geld zu verdienen, was aus ihrer Sicht die hohen Kosten der Käufe rechtfertigte.

Weitere Informationen zu den Hintergründen des Handels mit Songrechten findet ihr in diesem Artikel. Ein weiterer Artikel beleuchtet die rechtlichen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA.

Ende des Kaufrauschs?

Offensichtlich hat aber zumindest die Kaufwelle des Hipgnosis Songs Fund ein vorläufiges Ende genommen, denn die Financial Times berichtet, dass Hipgnosis nicht in der Lage sei, zusätzliches Kapital für Songrechte aufzubringen.

Das überrascht vor allem deshalb, weil der Investmentfond Blackstone im Oktober 2021 die Mehrheit am Hipgnosis Songs Fund übernahm und zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Milliarde Dollar für den Kauf von Songrechten bereitstellte. 

Um Kapital zu beschaffen, verkaufte Mercurdiadis zudem 2021 seine private Management-Gesellschaft an Blackstone. Diese fungiert seitdem unter dem Namen Hipgnosis Songs Management und "berät" den Hipgnosis Song Fund.

Katalogkauf hat seinen Preis

Wie die Financial Times berichtet, versuchte der Hipgnosis Songs Fund angesichts der wachsenden Bruttoverschuldung, die mittlerweile mehr als 550 Millionen Dollar beträgt, frisches Kapital von Aktionären zu beschaffen. 

Das wird aber durch den sinkenden Aktienkurs des Unternehmens ebenso erschwert wie durch die steigenden Zinsen, welche die Kosten für die Tilgung der Schulden in die Höhe treiben.

Inzwischen drängt Blackstone auf "größere finanzielle Disziplin" beim Erwerb von Songrechten und führt genaue Analysen über mögliche Erträge durch, wie die Financial Times in einem zweiten Artikel berichtet.

Ruf geschädigt?

Darüber hinaus weist der Unternehmensbericht des Hipgnosis Song Funds für das vergangene Geschäftsjahr einen erheblichen Anstieg der Ausgaben im Zusammenhang mit nicht zustande gekommenen Kataloggeschäften in Höhe von insgesamt fast 2 Mio. Dollar auf.

Die Financial Times berichtet über die Beschwerden mehrerer Künstler, "dass Mercuriadis es versäumt hat, bereits diskutierte potenzielle Transaktionen abzuschließen". Das schade Mercuriadis' Ruf in einer Branche, in der persönliche Beziehungen hoch geschätzt werden.

Einzelkämpfer unter Druck?

Im Gegensatz zu anderen großen Playern wie Universal, Sony und Warner, die Teil eines Unternehmenkonglomerats sind, handelt es sich bei Hipgnosis im Wesentlichen um einen Einzelkämpfer in Form von Merck Mercuriadis, der zwar über sehr viel Expertise im Musikgeschäft verfügt, aber bei weitem nicht so breit aufgestellt ist wie die Major Labels.

Das wird sich besonders dann als problematisch erweisen, wenn der Eindruck entsteht, dass sich sein Stern aufgrund von unternehmerischen Problemen im Sinken befindet. Aus dem gefeierten Star von gestern kann dann sehr schnell der Unternehmer werden, der sich übernommen hat.

Dividende in Gefahr?

Eine weitere Gefahr droht in Hinblick auf die Dividende, die bislang bei ca. 4,6% lag. Um eine Dividende für das im März 2023 endende Geschäftsjahr in gleicher Höhe zu finanzieren, müsste Hipgnosis seinen Umsatz um 20 % steigern.

Hipgnosis steht daher unter einem mächtigen Erfolgsdruck, weil Anleger das Unternehmen abstrafen würden, wenn die Dividende sinken und sie weniger Geld für ihr Investment erhalten würden. 

Ungeachtet dessen bemüht sich Hipgnosis zufolge darum, den Katalog von Pink Floyd für etwa 500 Millionen Dollar zu erwerben, obwohl u.a. BMG und Warner ebenfalls Gebote abgeben wollen.

Trendwende bei Songrechten?

Es stellt sich die Frage, ob die Finanzprobleme von Hipgnosis das Ergebnis von unternehmerischen Fehlentscheidungen sind oder ob sie das Ende des Booms der Geschäfte mit Songrechten im Allgemeinen einläuten.

Für beide Ansichten lassen sich Argumente finden. In Zeiten steigender Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheit wird es den am Kauf von Songrechten interessierten Unternehmen schwerer fallen, die hohen Summen für den Erwerb aufzubringen, und zwar vor allem dann, wenn sie kreditfinanziert sind. 

Es kann daher durchaus sein, dass der Gipfel im Hinblick auf Songrechte bereits überschritten ist und künftige Deals in Häufigkeit und Umfang nicht an frühere Geschäfte heranreichen werden. 

Irrationale Preise?

Diese Ansicht vertritt kein Geringerer als Hartwig Masuch, CEO von BMG, der der Financial Times gegenüber erklärte: "Die Kosten der vor 12 Monaten abgeschlossenen Deals waren irrational. Das irrationale Verhalten ist inzwischen aus dem Markt verschwunden."

Aus Sicht der Befürworter solcher Deals spricht dagegen, dass die Auswertung älterer Musik weiterhin hohe Erträge verspricht, vor allem wenn sie im globalen Rahmen und über alle gängigen Formate, Streaming-Dienste, Plattformen und sonstige Lizenznehmer (wie Film, TV, Radio und Werbung) erfolgt.

Ein Vertreter der Investmentgesellschaft Newton Investment Management erklärte gegenüber der Financial Times, er erwarte "supernormal returns", was man vielleicht mit "überdurchschnittlichen Erträgen" übersetzen kann.

Eine Person mit viel Einfluss

Dieser Ansicht ist auch Barry Massarsky, der nach dem Bericht der Financial Times an drei Viertel aller Deals mit Songrechten beteiligt ist. Seine Rolle ist besonders spannend, da er doch den Wert der Songkataloge für Investoren (darunter auch für Hipgnosis) bewertet. 

Nach Angaben der Financial Times weigert sich Massarsky aber, die gestiegenen Zinsen in seine Kalkulation einzubeziehen. Würde er das machen, könnten sich zahlreiche Käufe von Songrechten als langfristig nicht rentabel erweisen. 

Der Markt für Songrechte würde mindestens einen starken Einbruch erleben und frühere Höchstpreise ließen sich dann vermutlich nicht mehr erzielen.

Branchenfremde Player

Hinzu kommt, dass der Einstieg branchenfremder Unternehmen in den Markt mit Songrechten an sich nicht unproblematisch ist. Eine Investmentgesellschaft wie Blackstone möchte vor allem Geld verdienen. 

Wenn sich die erhofften Renditen nicht erzielen lassen, könnte Blackstone auf die Idee kommen, die Kataloge zu verkaufen, was der ursprünglichen Absicht von Hipgnosis zuwiderläuft. Vor dieser Entscheidung stünde aber nicht nur Blackstone, sondern auch alle anderen Investmentfirmen, die in den letzten Jahren in den Markt mit Songrechten eingestiegen waren.

Für viele der beteiligten Songwriter und Komponisten wäre das ein dezidiert zweischneidiges Schwert. Zwar hätten sie beim Verkauf richtig Kasse gemacht, aber gegebenenfalls müssten sie damit leben, dass die Rechte an ihren Songs bei Unternehmen oder Personen liegen, die darin nur eine Ware sehen und sie an beliebige Käufer weitergeben.

Ob sie ihre Entscheidung zum Verkauf dann bereuen werden, würde sich zeigen.

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