Non-Profi(t) = Non-Commercial?
Konzertgagen im Reality Check: Sechs Tipps, um einen passenden Deal auszuhandeln
August Burns Red live in Sydney. © Frankie Cordoba / Unsplash
Wenn man sich als unbekannte Band einen Namen machen will, kommt man häufig nicht drumherum, erstmal eine ganze Zeit lang Geld zu verlieren – oder zumindest keines zu verdienen! Ich will in diesem Artikel trotzdem einmal schildern, wie man sich vor den ersten großen Geldverlusten schützen und früh angemessene Gagen erreichen kann. Aber Achtung: Ich liefere subjektive Schilderungen, die nicht für jeden Künstler und vor allem nicht jede Stilrichtung gelten müssen!
I. Klein anfangen ist offensichtlich, aber nicht immer selbstverständlich
Haben es Bands, die gerade erst anfangen, gagentechnisch am schwersten? Ich würde sagen nein, denn kaum jemand gründet eine Band, um von Gig 1 an ordentlich Kohle zu machen. Ausnahmen bestätigen die Regeln: Hochzeits-Coverbands oder neue Projekte bereits bekannter Künstler in etwa. Ist jedoch die Erwartungshaltung niedrig, freut man sich eher über jeden Sprit-Fuffi, den der Veranstalter so hergibt!
Als Anfängerband solltet ihr bescheiden bleiben, ohne euren Wert zu schmälern: "Wir spielen auch für nen Kasten Bier" kommt in der Regel zu hobbymäßig rüber – der Veranstalter erwartet dann eben auch einen Kasten Bier von Konzert. Besser ist es, die Band mit einem ordentlichen Anschreiben zu bewerben, sich mit den Gegebenheiten der Veranstaltung oder des Clubs vertraut zu machen und dann selbstsicher, aber realistisch in die Verhandlungen zu gehen.
Die Band sei zwar gerade erst am Anfang, Konzerte wie auf dem XY-Fest der Heimatstadt zeigen aber, dass grandiose Songs gekonnt umgesetzt werden. Damit kein Veranstalter die Katze im Sack kaufen müsse, käme die Band zu einfachen Konditionen gerne vorbei: Schlafplatz, eine warme Mahlzeit und eine Spritpauschale wären sehr freundlich.
In so einem Ton kommt auch eine Anfängerband an Spritgeld, Hotel, Catering etc. Bei Supportslots läuft das ähnlich:
Erwähne ruhig, dass dir klar sei, dass der Headliner bereits den Großteil des Budgets verzehre. Deine Band würde sich als Support gut eignen, daher würdest du sie für einen Anteil am Catering anbieten. Je mehr du darüber Bescheid weißt, was der Veranstalter so zu beachten hat, desto wohler ist er dir im Zweifel gesonnen.
II. Kennt euren Wert für den Veranstalter
Wir Musiker weisen gerne darauf hin, dass sich der Wert einer Band nicht auf 30 Minuten Spielzeit bezieht, sondern auf die Anschaffung und Pflege von Equipment, die endlosen Stunden im Proberaum, den mühsamen Weg vom Anfänger zum Profi-Gitarristen. Es tut mir leid, Freunde, aber sogar Veranstaltern, die selbst Musiker sind, muss das egal sein:
Wenn ich eurer Band einen Gig klarmache, mir dort Mühe gebe mit Werbung, Presse, Technik, Catering und trotzdem nur 5 Leute im Laden stehen, werde ich für meine Stunden auch nicht entschädigt, daher ist es mir dann leider herzlich egal, wie lange ihr geübt habt.
Gut ist es daher, noch einen Mehrwert für den Veranstalter zu erwähnen:
Eure Musik wird besonders von Studenten gehört, derer ja viele in Stadt XY sind; ihr seid eine Partyband für Jung&Alt; ihr passt stilistisch genau in den Laden/zu der Veranstaltung oder ihr habt Freunde/Fans in Stadt XY und könnt eine Zuschauerzahl garantieren, die für den Veranstalter lohnend ist.
Auch wenn das ganze nicht immer zu beweisen ist, fühlt sich jeder Veranstalter ernster genommen, wenn eine Band ihre Hausaufgaben macht. Ebenso gut ist es, auf andere Erfahrungen zu referieren, beispielsweise: "Wir sind Freunde der Band XY und die hatten neulich ein tolles Konzert bei euch". Zeigt dem Veranstalter/In, wie er/sie mit euch verdienen kann.
III. Setzt nicht zu hoch an
Das Problem vieler Musiker ist, dass sie relativ früh hohe Gagen ausrufen, denn sie spielen teures Equipment, müssen einen Van mieten, verpulvern ihr wohlverdientes Wochenende oder müssen mindestens genauso viel verdienen, wie sie es im Day Job getan hätten. Das ist zwar alles korrekt, funktioniert in der realen Welt aber erst ab einem gewissen Status.
Meine Band beispielsweise ist in unserer Szene nicht ganz unbekannt. Wir spielen einige tolle Festivals und Clubshows in ganz Europa. Manche wollen uns unbedingt buchen, zahlen aber leider nicht viel Geld. Manche Gigs wollen wir unbedingt, aber kriegen den Slot nur, wenn wir mit einer niedrigen Spritpauschale zufrieden sind. Beides machen wir, wenn wir können, weil wir heiß aufs Spielen sind und die schlechter dotierten Gigs als Chance sehen. Der Veranstalter, der uns unbedingt haben möchte, aber kein Geld hat, freut sich, dass wir trotzdem kommen und hat vielleicht beim nächsten Mal etwas größeres für uns oder gibt sich so viel Mühe mit der Werbung, dass der Laden voll wird, wir eine tolle Party haben und gut Merch verkaufen. Der Gig auf dem großen Festival, das kleinen Bands wenig bezahlt, weil Zig-Tausende € an die Headliner gehen, wird auch gespielt, denn wir stehen auf einer großen Bühne vor einem noch größeren Publikum.
Es sollte auf keinen Fall die Regel sein, immer "für lau" zu spielen. Die Gratis-Bands zerstören anderen Bands nämlich die Möglichkeit, Supportslots abzugreifen. Aber überhöht euch nicht, denn sonst spielt ihr maximal fünf Konzerte im Jahr.
IV. Legt ein Minimum fest und definiert eure Wunschgage
Wie bekomme ich denn trotzdem die Gage, die ich haben möchte?
Wie oben beschrieben, macht der Ton die Musik. Mit Höflichkeit und einem Mindestmaß an Professionalität erreicht man mehr als mit Bro-Gehabe. Auch das Sichkleinmachen vieler Bands zieht in der Regel bei Veranstaltern nicht. Steht zu dem was ihr tut und sagt es gerade heraus! Zur Professionalität gehört, dass ihr euch selbst ein paar Gedanken dazu macht, welche Gage ihr überhaupt aufrufen wollt.
Sagen wir, eure Kosten, ein Konzert zu spielen (egal wo!) betragen 200 Euro. Busmiete, Zeitaufwand. Ihr spielt ein Konzert außerhalb eurer Heimatstadt und da kommen 100 Euro Spritkosten zusätzlich auf euch zu. Sollte der Veranstalter keinen Schlafplatz stellen, würde ein günstiger Hostel in der Stadt noch einmal 200 Euro kosten. In diesem Szenario kämt ihr also auf 500 Euro, die ihr eigentlich bekommen müsstet, um die Kosten zu decken. Da ihr aber auch Merch drucken möchtet oder für Aufnahmen spart, wären 600 Euro besser.
Schon recht viel, oder?
Geht also auf den Veranstalter in eurer E-Mail zu und sprecht von Konditionen, ohne diese zunächst genau auszuführen und kommt als erstes auf den Schlafplatz zu sprechen. Wir dieser gestellt, werden aus euren 600 Euro gleich 400 Euro. Eigentlich eine vernünftige Bandgage, wenn wir von kleinen Bands ausgehen, was wir mit Blick auf die Community hier ja in den meisten Fällen tun.
Euer Mindestbetrag, um nicht draufzuzahlen, beträgt nach Abzug der Hotelkosten 300 Euro. Sagen wir, das ist euer Minimum, weil ihr auf keinen Fall draufzahlen möchtet.
Ihr fragt aber, wenn es um das Geld geht, nach 500 Euro mit dem Verweis auf Verhandlungsbasis und lasst euch gegebenenfalls auf die 300, die ihr mindestens wollt, herunterhandeln. Der Veranstalter wird euch in den meisten Fällen etwas in der Mitte anbieten, womit ihr ja immer noch leben könnt. Alles über den 300 ist Gewinn.
So funktioniert es meist ganz gut, aber natürlich nicht immer. Die größte Schwierigkeit besteht darin, die Situation einzuschätzen und wie dringend der Veranstalter euch buchen möchte. Wie oben beschrieben wirkt es oft Wunder, wenn ihr ihm entgegenkommt und ihm sozusagen einen "Gefallen" tut, indem ihr für euren Mindestbetrag spielt. Werdet ihr aber mit einem Einzeiler wie "sorry bei uns nur 100 Euro" abgefertigt, hat der Veranstalter kein wirkliches Interesse, denn er legt euch seine Situation nicht einmal dar. Dann ist ein freundliches "Ein anderes Mal!" angebracht. Denn wie bei euch selbst macht auch von der Gegenseite aus der Ton die Musik!
V. Bleibt hart und selbstbewusst
Wie bereits erwähnt, solltet ihr euch zwar nicht scheuen, auch mal eine kleine "Investition" zu tätigen, aber genauso wichtig ist es, euch nicht auf Teufel komm raus unter Wert zu verkaufen. Wer bei 500 Euro ansetzt und auf einem 10% Doordeal landet, genießt definitiv keinen großen Respekt beim Veranstalter! Sollte der Veranstalter euch freundlich darauf hinweisen, dass grundsätzlich keine Festgagen ausgemacht werden, ist das fair und ihr könnt euch dann entscheiden, aber folgendes Szenario ist mir schon sehr oft untergekommen und geht meiner Meinung nach garnicht:
"Was sind die Konditonen für die Band und was rufen die aus?"
"Wir liegen da normalerweise bei 350 Euro + Catering und Schlafplatz für 5 Leute. Funktioniert das für dich?"
"Wir machen nur Doordeal und Schlafplatz gibt es leider nicht."
"Wieviel Prozent? Geht der Schlafplatz auch nicht privat bei einem Freund? Wir fahren an dem Tag 300 Kilometer."
"50/50. Mehr ist nicht drin."
Ist quasi zitiert! Das Problem hier ist, dass der Veranstalter nach dem Preis der Band fragt, obwohl er bereits weiß, dass 50% Doordeal alles ist, was er anbietet. Auch der Ton ist abgehakt und nicht sehr freundlich. Einer tourenden Band keinen Schlafplatz zu bieten ist auch so ein No-Go, denn einen Kumpel mit Couch hat man in der Regel immer. Ich finde, wenn Gage klein ist, sollten die Rahmenbedingungen immerhin stimmen. Wenn die Rahmenbedingungen nicht erfüllt werden, sollte immer eine hohe Gage bzw. ein Buy-Out erfolgen!
VI. Angeben, ohne zu prahlen und gut zusammenarbeiten
In der Musikindustrie prahlt jeder mit dem, was er erreicht hat. Jeder. Egal, wie true man ist, man wird unterbewusst immer mit Stolz von seinen Tourerlebnissen sprechen. Daran ist nichts falsch, daher sollte euch auch gestattet sein, in euren Bewerbungen ein wenig auf dicke Hose zu machen, wenn ihr denn etwas Nennenswertes erreicht habt! Knallt den Leuten in euren Emails ruhig eure Gighistorie vor die Füße, denn je erfahrener ihr seid, desto mehr steigt ihr im Wert!
Veranstalter und Künstler haben immer sehr unterschiedliche Meinungen dazu, wer in diesem Verhältnis eigentlich Dienstleister ist und wer wem einen Gefallen tut. Die Wahrheit ist, dass beide zusammenarbeiten müssen und beide happy werden müssen.
Der Veranstalter ist genauso wenig euer Diener, der froh sein kann, euch bewirten zu dürfen, wie ihr die Hofnarren für seine Abendunterhaltung seid! Je mehr ihr voneinander versteht, desto besser läuft es! Versetzt euch also in deren Situation, aber bleibt eisenhart, wenn ihr an eure Mindestgrenze stoßt.
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