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Provokation live

Band kritisiert niedrige Gagen bei Kulturfestival und sorgt für Eklat in Österreich

Spezial/Schwerpunkt von Backstage PRO
veröffentlicht am 27.08.2021

kulturpolitik liveszene gage musikereinkommen

Bei der Feier "100 Jahre Burgenland" ergriff Cari Cari-Sänger Alexander Köck das Wort, um öffentlich die niedrige Bezahlung seiner Kolleginnen und Kollegen zu kritisieren. Generalintendant Alfons Haider reagierte sichtbar angegriffen und auch der Landeshauptmann schaltete sich sein.

Am 14. August fand in der Friedensburg Schlaining die Eröffnungsfeier der Jubiläumsausstellung zur Geschichte des Burgenlandes statt, das 1921 als Bundesland der neugegründeten Republik Österreich konstituiert wurde.

Öffentliche Kritik

Während der Live-Sendung des ORF nutzte der Sänger des Indie-Pop-Duos Cari Cari die Gelegenheit, um die 400 geladenen Ehrengäste sowie die Fernsehzuschauer darauf aufmerksam zu machen, dass die Musikerinnen und Musiker des jungen Orchesters eine Gage von lediglich 30 Euro pro Person erhielten.

Alfons Haider, der Generalintendant der Kulturbetriebe im Burgenland, der erst wenige Tage zuvor die Gehälter der Musiker bei den Seefestspielen in Mörbisch rechtfertigen musste, reagiert sichtlich angegriffen auf die Kritik und begründete die niedrigen Gagen damit, dass die Musiker ihr Studium noch nicht abgeschlossen hätten. Schließlich nahm sogar Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) Stellung.

Im Namen der anderen

Als "stolze Burgenländer" freuten sich Alexander Köck und Stephanie Widmer besonders darüber, bei der Jubliäumsfeier dabei zu sein. Es sei für den Musiker jedoch eine Herzensangelegenheit, die Gage der Orchestermusiker öffentlich zu thematisieren:

"Ich finde das in einem Kulturland Burgenland, bei '100 Jahre Burgenland', in einem sozialdemokratischen Land beschämend, ich finde es besonders beschämend nach Corona, und noch beschämender finde ich es, wenn man weiß, dass während Corona genug Geld dafür da ist, dass es zwei Intendanten bei den Seefestspielen Mörbisch gibt."

Ferner verglich Köck die Gagen bei der Feier mit Auftrittsgagen im Ausland und gab zu, dass seine Band aufgrund der Gagen selbst beinahe nicht auf der Bühne erschienen wäre. Anstatt abzusagen, entschloss sich der Österreicher jedoch dafür, die Umstände anzusprechen. Perplexes Publikumsgelächter und leiser Applaus begleiteten die unerwartete Ansprache.

Ein emotionales Wortgefecht

Intendant Alfons Haider eilte mit einem Mikrofon vor die Bühne und wollte die angeblich falschen Aussagen von Köck korrigieren, was ihm aber nicht gelang. Nicht zuletzt verteidigte Haider seine eigene Position: Statt zwei Indendanten gebe es bei den Seefestspielen Mörbisch nur einen Intendanten und zudem einen künstlerischen Direktor.

"Sie stellen hier alle hin als Leichtverbrecher. Morgen steht in der Zeitung: 'Burgenland zahlt nur 30 Euro pro Abend'", bekundetete er sein Unbehagen. Außerdem sei die 30-Euro-Gage dadurch gerechtfertig, dass die Studiererenden der Konservatorien ihr Studium noch nicht abgeschlossen hätten. Die Feierlichkeiten seien zudem nicht der richtige Ort für derartige Diskussionen. 

Der Landeshauptmann tritt auf

Im weiteren Verlauf des Abends trat Landeshauptmann (Ministerpräsident) Hans Peter Doskozil auf die Bühne und betonte mit bedachter Wortwahl die Notwendigkeit eines differenzierten Austauschs:

"Ich möchte alle erinnern, dass wir vor der Friedensburg stehen, dass das Burgenland durch das große Gemeinsame gewachsen ist. Es ist vielleicht unangenehm, eine andere Meinung zu hören, es war vielleicht störend, aber trotzdem – deshalb stehen wir auch hier, deshalb feiern wir die 100 Jahre, deshalb schauen wir auch zurück."

Daraufhin versprach Doskozil, der Angelegenheit persönlich nachzugehen.

Ein Vorfall mit Geschichte

Ein Grund für Haiders stürmische Reaktion könnten der Zwischenfall bei den Seefestspielen in Möbisch sein: Am Donnerstag, dem 12. August, spielten die Darsteller der West Side Story-Inszenierung unter Protest.

Beim Schlussapplaus der letzten Show wiesen sie darauf hin, nicht ordnungsgemäß für die Extra-Vorstellungen vergütet worden zu sein und kündigten an, einen Anwalt einzuschalten.

Fehler eingestehen

Einige Tage nach dem Vorfall veröffentlichte Haider auf seiner Facebook-Seite einen Post, der als Entschuldigung verstanden werden soll: "Einen Fehler einzugestehen ist nicht immer einfach", gesteht er gegenüber seinen Followern und reagierte damit auf die Kritik, er habe die jungen Musikerinnen und Musiker mit seinen Aussagen herabgewürdigt.

Die Meinungen in den Kommentaren bleiben allerdings gespalten. Auch die Konfrontation bei dem Eröffnungskonzert wird unterschiedlich gewertet. Während einige dem Indendanten Größe zusprechen, fordern andere seinen Rücktritt

Das Nachspiel

In einer offiziellen Stellungnahme erklärte Doskozil: "Für die Kultur Burgenland ist es selbstverständlich, künstlerisches Engagement und Leistung entsprechend zu honorieren und gebührende Wertschätzung entgegenzubringen. Alle Auftritte wurden auf Basis gemeinsam vereinbarter Verträge fixiert und darüber hinaus individuelle Unkostenbeiträge geleistet."

Das Büro des Landeshauptmanns könne Köcks Aussage über die Höhe der Gage nicht nachvollziehen. Die tatsächliche Summe liege wesentlich höher, aber eine genaue Summe wollten die Verantwortlichen nicht nennen, wie Der Standard berichtet.

Obwohl Alexander Köck explizit keinen Diskurs über Kulturförderung im Allgemeinen anregen wollte, erklärte Doskozils Büro, dass die Ausbildungsstätten der aufgetretenen Studierenden eine Förderung vom Land in Höhe von sieben Millionen Euro erhielten. Es handelt sich dabei um das Haydn-Konservatorium in Eisenstadt und die Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz, Expositur Oberschützen.

Ein ungelöstes Problem

Die österreichische Gewerkschaft younion fordert als Konsequenz der Affäre eine "gerechte Abgeltung" für Musiker. Der Eklat bei der Eröffnungsfeier habe gezeigt, "wie prekär die Arbeitsverhältnisse für Musikerinnen und Musiker in Österreich wirklich sind. 30 Euro Lohn für Musiker sind beschämend." Es sei Zeit, die angekündigte Fair Pay-Regelung durchzusetzen, denn das Problem bestehe in ganz Österreich.

Und nicht nur dort. Mangelnde oder fast fehlende Vergütung für Musiker ist ein Problem überall auf der Welt. Verschiedene Initiativen fordern faire Bezahlung von Musikern – in Deutschland und überall auf der Welt. Das Problem steht hierzulande definitiv auf der Agenda der Politik: Die Initiative Musik verlangt "branchenübliche Gagen" für von ihr im Rahmen von Neustart Kultur geförderten Veranstaltungen. Das ist fraglos ein Schritt in die richtige Richtung, aber mehr auch nicht. 

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