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Ein Aufruf mit Folgen

Neil Young und Joni Mitchell streiten mit Spotify über Corona-Falschinfos in Joe Rogans Podcast

Spezial/Schwerpunkt von Antonia Freienstein
veröffentlicht am 01.02.2022

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Neil Young und Joni Mitchell streiten mit Spotify über Corona-Falschinfos in Joe Rogans Podcast

Daniel Ek (CEO Spotify). © Spotify

Wie bereits Neil Young entfernt nun auch Joni Mitchell ihre Musik von Spotify. Beide wollen damit gegen die Verbreitung von Falschinformationen über die Corona-Pandemie protestieren. Derweil haben sich auch Spotify und Joe Rogan, dessen Podcast in der Kritik steht, zu Wort gemeldet.

Seit dem Abend des 27. Januars 2022 ist der gesamte Musikkatalog Neil Youngs von Spotify verschwunden. Die Entscheidung, seine Musik nicht mehr auf Spotify zur Verfügung zu stellen, teilte der 75-jährige dem Unternehmen in einem offenen Brief mit. Als Grund gab Young an, nicht mehr länger eine Plattform mit Podcaster Joe Rogan teilen zu wollen. 

Mitchell zieht mit

Young warf Rogan in seinem Brief vor, Falschinformationen in Bezug auf die COVID-19-Pandemie und auf Corona-Impfstoffe zu verbreiten. Er kritisierte Spotify dafür, Rogan eine so große Reichweite zu bieten, und rief weitere Künstlerinnen und Künstler dazu auf, es ihm gleich zu tun. 

Zumindest Folk-Sängerin Joni Mitchell folgt nun dem Beispiel ihres langjährigen Freundes. Am 28. Januar 2022 veröffentlichte die "Big Yellow Taxi"-Sängerin ein Statement auf ihrer Website, in dem sie klar Bezug auf Neil Youngs Position nimmt und ihre Unterstützung ausdrückt: Auch sie wolle aus Protest ihre Musik von Spotify entfernen – die Plattform verbreite Lügen, die Menschenleben kosteten.

Podcast in der Kritik

Auslöser für den Protest von Young und Mitchell ist der Podcast des US-amerikanischen Comedians, Moderators und Ex-UFC-Kämpfers Joe Rogan. Dieser soll in "The Joe Rogan Experience" mehrfach Falschinformationen und Verschwörungserzählungen (nicht nur) bezüglich der Corona-Pandemie verbreitet haben und Gästen eine Plattform gegeben haben, die widerlegte Thesen zu Virus und Impfung vertreten. 

Sowohl Young als auch Mitchell machen in ihren Statements auf einen offenen Brief an Spotify aufmerksam, der von mehr als 200 Wissenschaftlern und Personen aus dem Gesundheitswesen unterzeichnet wurde, und der scharfe Kritik an der Episode 1757 von Rogans Podcast übt. In dieser Folge war der umstrittene Wissenschaftler Robert Malone als Gast bei Rogan, der wegen seiner kontroversen Thesen zu Corona-Impfstoffen bereits von Twitter verbannt wurde. 

Kontroverse Vergleiche und Therapien

Die Unterzeichnenden des offenen Briefes kritisieren, dass Malone laut ihnen widerlegte Theorien hinsichtlich der Corona-Impfung verbreitet haben soll. Besonderes Aufsehen erregte seine Aussage, die Gesellschaft der USA leide unter einer "Massenpsychose" – wie die Deutschen zur Zeit des Nationalsozialismus.

Des Weiteren macht der Brief darauf aufmerksam, dass auch Joe Rogan fragwürdige Äußerungen getätigt hat. So bezeichnete er Impfungen fälschlicherweise als "Gentherapie" und riet jungen Menschen davon ab, sich impfen zu lassen.

Bei seiner eigenen Corona-Erkrankung nahm er Ivermectin ein, das in erster Linie als Entwurmungsmittel in der Veterinärmedizin eingesetzt wird – eine Vorgehensweise, vor der die amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) ausdrücklich warnt, die aber bei Verschwörungstheoretikern insbesondere in den USA ausgesprochen beliebt ist.

Spotifys Verantwortung

In erster Linie kritisieren die Verfasserinnen und Verfasser des Briefes jedoch, dass Spotify durch die Verbreitung von Rogans Podcast falschen Behauptungen eine enorme Reichweite ermöglicht. Dies führe dazu, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wissenschaftsbetrieb unterminiert wird.

Tatsächlich befindet sich Rogans Podcast bereits im zweiten Jahr in Folge auf Platz 1 der "Most Popular Podcasts Globally" und verfügt mit im Durchschnitt rund elf Millionen Hörerinnen und Hörer pro Folge über eine enorme Reichweite – vor allem in den USA.

Ein pikantes Detail ist dabei, dass Spotify 2020 einen hochdotierten Exklusivvertrag – die Rede ist von über 100 Millionen Dollar – mit Rogan über die die Vertriebsrechte seines Podcasts geschlossen hat, um so die eigene Expansion im Spoken Word-Bereich voranzutreiben.

Spotify handelt also keineswegs nur als neutrale Plattform, sondern hat aus finanziellen Gründen ein massives Interesse am Erfolg des Podcasts. Sicherlich auch aus diesem Grund haben sich inzwischen sowohl Spotify als auch Joe Rogan zu Wort gemeldet.

Spotify lenkt ein

So kündigte etwa Spotify-Chef Daniel Ek auf seinem Blog an, Beiträge, die im Bezug zur Corona Pandemie stehen, mit Hinweisen zu versehen, die Hörerinnen und Hörer zu fundierten, wissenschaftlichen Informationen und vertrauenswürdigen Quellen weiterleiten.

Zudem teilte er mit, dass Spotify seine Richtlinien für Content-Schaffende an die Situation anpassen und genauer definieren wird, welche Inhalte als "irreführend" oder sogar "gefährlich" verstanden werden. Diese Entwicklungen sollen im Laufe der nächsten Tage beginnen.

Blick auf den Börsenkurs

Das Unternehmen steht dabei unter beträchtlichem Druck, da sich der Börsenkurs von Spotify schon seit einigen Monaten im Sinkflug befindet. Seit ihrem Höchststand von 260,80 Euro hat die Aktie fast 100 Punkte verloren und notiert aktuell bei 164,65 Euro.

Allerdings hat die Aktie ihre Verluste, die sie in der letzten Woche im Zusammenhang mit Neil Youngs Bekanntgabe erlitten hatte, wieder vollständig wettgemacht.

An der Börse spielt offensichtlich stärker die Sorge um die Wachstumsaussichten der Streaming-Dienste eine Rolle als die Young-Rogan-Kontroverse. Aus vergleichbaren Gründen erlebte die Netflix-Aktie einen noch weitaus stärkeren Einbruch: Ihr Wert halbierte sich zwischenzeitlich fast, bevor er sich leicht erholte.

Die Unternehmensspitze dürfte sich aktuell eher um einen beträchtlichen Imageverlust sorgen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass dieser bei einer fortgesetzten Krise doch noch in Mitleidenschaft gezogen wird.

Rogans Perspektive

Auf seinem Instagram-Kanal äußert sich auch Joe Rogan zu den Vorwürfen gegen ihn. In Form eines knapp 10-minütigen Videos gibt er zu, kein Experte zu sein und somit auch falsch liegen zu können.

Er betont, dass es ihm wichtig ist Fehler zu korrigieren. Dennoch verteidigt er die Wahl seiner Gäste, fügt jedoch hinzu in Zukunft besser zu recherchieren und mehr unterschiedliche Meinungen in seinen Podcast einzubringen. Die Entscheidung Spotifys, Covid-spezifische Inhalte zu kennzeichnen, heißt er ausdrücklich gut.

Die Diskussion ist entbrannt

Neben Neil Young und Joni Mitchell hatten auch Prinz Harry und Herzogin Meghan, die ebenfalls planen, einen Podcast auf der Plattform zu starten, ihre Bedenken geäußert. Nils Lofgren, der u.a. als Mitglied von Bruce Springsteens E-Street-Band bekannt ist, hatte angekündigt, seine Solo-Aufnahmen von Spotify entfernen zu wollen. Ob sich weitere Musiker anschließen, bleibt abzuwarten.

Allerdings hat Neil Young mit seinem lauten Protest beträchtliche Aufmerksamkeit und mindestens einen Teilerfolg erzielt: Die Debatte um Joe Rogan und seine fragwürdigen Corona-Thesen hat weltweite Dimensionen erreicht und sowohl Rogan wie auch Spotify zum Handeln gezwungen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Debatte um den Star-Podcaster weiter entwickelt und inwiefern er seine Ankündigung wahr macht. Egal, wie er sich entscheidet, die Aufmerksamkeit vieler Beobachter wird ihm gewiss sein.

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