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Von Sync-Rechten und Katalog-Deals

"Running Up That Hill" und Stranger Things: Was Kate Bushs später Charterfolg bedeutet

Spezial/Schwerpunkt von Florian Endres
veröffentlicht am 01.07.2022

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"Running Up That Hill" und Stranger Things: Was Kate Bushs später Charterfolg bedeutet

Kate Bush. © Trevor Leighton

Nach der Verwendung in Stranger Things ist Kate Bushs “Running Up That Hill" 2022 zum Nummer 1-Hit geworden – 37 Jahre nach der Veröffentlichung des Stücks. Doch wieso sind alte Stücke derzeit so beliebt – und was bedeutet das für Musiker/innen?

Als Kate Bush im Jahre 1985 "Running Up That Hill (A Deal With God)" als erste Single des Albums "Hounds of Love" auskoppelte, landete der Song im Vereinigten Königreich, dem Heimatland von Kate Bush, auf Platz drei der Charts, ebenso wie auch in Deutschland. In den USA schaffte der Song es in der Eröffnungswoche gerade einmal auf Platz 30 der Billboard Hot 100. 

Auch, wenn der Song seitdem nie so recht aus der Popkultur verschwand;  ein Nummer 1-Erfolg war "Running Up That Hill" nie vergönnt – selbst dann nicht, als der Titel für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London mit neuer Vocal-Spur veröffentlicht wurde. Hier erreichte er gerade einmal Platz sechs der britischen Charts. 

Später Erfolg

2022 erlebte "Running Up That Hill" dann jedoch eine Renaissance: Nachdem der Track in der vierten Folge der aktuellen, vierten Staffel der Netflix-Hype-Serie "Stranger Things" verwendet wurde, stieg der Song mit leichter Verzögerung in der Woche vom 5. Juni 2022 auf Platz drei in den internationalen Charts ein. In der Folgewoche erreichte das Stück dann den ersten Platz. 

Derzeit (1.Juli 2022) ist der Song immerhin noch auf Platz vier der internationalen Charts – Stranger Things hat es also geschafft, ein einigermaßen langfristiges Interesse an "Running Up That Hill" zu generieren – auch im Trailer zum zweiten Teil der vierten Staffel von "Stranger Things" tauchte der Song noch einmal auf. 

Rekordverdächtig

Im Vereinigten Königreich hat Kate Bush mit "Running Up That Hill" damit gleich drei Chart-Rekorde gebrochen: Nicht nur sind 37 Jahre die längste Zeit, die ein Song je gebraucht hat, um die Spitzenposition zu erreichen (der letzte Rekordhalter war Wham! mit "Last Christmas"); sie ist mit 63 Jahren auch die älteste Person mit einem Nummer 1-Hit.

Zusätzlich hat Kate Bush den Rekord gebrochen für die längste vergangene Zeit zwischen zwei Nummer 1-Hits – zwischen ihrem ersten Charthit "Wuthering Heights" und dem späten Erfolg von "Running Up That Hill" vergingen 44 Jahre. 

Ein größerer Trend

Der Fall von "Running Up That Hill" ist insofern ein spannendes Untersuchungsobjekt, als er die gesteigerte (und noch immer steigende) Popularität von sogenannter "Katalogmusik" für Artists und deren Labels in den Vordergrund rückt.

Gemeint sind damit Titel aus dem Backkatalog einer Künstlerin bzw. eines Künstlers, also Stücke, deren Rechte zwar aktuell bei einem Label, einem Musikverlag o.ä. liegen und noch "lieferbar" sind, die aber nicht als Neuerscheinungen vermarktet werden. 

Wenngleich Katalogmusik damit auch einfach Songs von vor wenigen Jahren bezeichnen kann, liegt die aktuelle Bedeutung der Katalogmusik vor allem in Stücken aus den vergangenen Jahrzehnten, insbesondere den 60ern, 70ern und 80ern. Bereits die Existenz einer Serie wie Stranger Things ist mit seiner Verklärung der Popkultur der 80er ein Indiz für das Vermarktungspotential von Nostalgie. 

Deutliche Zahlen

Im Hinblick auf die Musikbranche lässt sich diese Bedeutung von Nostalgie ganz konkret in Zahlen ausdrücken: Laut einer Statistik von MCR Data und Billboard stieg der Musikkonsum insgesamt in den USA im Jahr 2021 zwar an (+11,3% im Jahresvergleich), gleichzeitig sank das Streaming von aktueller Musik (Songs, die in den letzten 18 Monaten veröffentlicht wurden) erstmals seit Beginn der Erfassung im Jahr 2008. 

Der Anteil von Katalogmusik am gesamten Musikkonsum der US-Amerikaner/innen lag 2021 bei 70 Prozent, 2020 waren es noch 65 Prozent. Die 200 populärsten aktuellen Songs machten hingegen nur noch fünf Prozent des Gesamtkonsums aus (2019: 10%). Die Bedeutung von "Oldies" und Klassikern für die Musikindustrie ist damit kaum zu überschätzen. 

Label-Arbeit

In vielerlei Hinsicht steht die gesteigerte Popularität von älteren Musikstücken in engem Zusammenhang mit den Geschäftspraktiken von (Major-)Labels. Hinsichtlich "Running Up That Hill" erklärte beispielsweise Myn Jazeel, Senior Vice President von Rhino UK:

"Es war an der Zeit, dass "Running Up That Hill" endlich die Charts erobert. Dieser phänomenale kulturelle Moment ist das Ergebnis einer engen Kollaboration zwischen Kate und ihrem Team, Netflix und dem Warner Music Sync Team."

Jazeel bezeichnet es als äußerst erfreulich, dass der Song nun einer ganz neuen Hörerschaft eröffnet wird – und betont weiterhin, dass es diese Momente breiter kultureller Relevanz seien, für die sich Rhino für Katalogmusik einsetzen würde. Bei Rhino handelt es sich um ein Sub-Label von Warner, das inzwischen für den Katalog von Kate Bush zuständig ist. 

Sync-Rechte und Kataloghandel

Sync, also das Platzieren von Musik in anderen Medien wie etwa Filmen, Serien, PC-Spielen oder auch Werbung, kann für Labels und Artists eine wichtige Einnahmequelle darstellen – gerade auch in der Pandemie, in der die so wichtigen Einnahmen aus dem Live-Bereich eingebrochen sind.

Die Bedeutung von Sync-Rechten hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen: Filmstudios und Musiklabels beschäftigen eigene "Sync Manager", die Song-Kataloge anbieten, Songs auswählen und sich um das Clearing der Rechte kümmern

Die Arbeit im Sync-Bereich steht dabei in engem Zusammenhang mit dem derzeit ebenfalls boomenden Handel mit Musikrechten: Musikverlage, Labels, aber auch Investmentfirmen wie Hipgnosis, investieren sich an den Musikkatalogen von Stars wie Bob Dylan, Leonard Cohen oder Bruce Springsteen – und erhalten dafür einen Anteil an den oder sogar die vollständigen Tantiemen. 

Effektives Marketing

Sync-Platzierungen etwa in populären Filmen oder Serien bedeutet damit einerseits also das Erschließen einer wichtigen Einnahmequelle. Andererseits wird so u.U. das allgemeine Interesse an einem neu erworbenen Katalog verstärkt, sodass sich im besten Fall auch beispielsweise Reissues besser verkaufen. 

Ein weiteres Beispiel, das die Bedeutung erfolgreicher Sync-Platzierungen verdeutlicht, ist der Film "Guardians Of The Galaxy", dessen Soundtrack aus Songs der 60er und 70er zusammengestellt ist: Nachdem der Film in seinem Trailer "Hooked on a Feeling" von Blue Swede verwendete, stiegen dessen Verkaufszahlen um 700 Prozent.

Mehr noch: Nach der Veröffentlichung von Film und Soundtrack stieg dieser als erster Soundtrack, der ausschließlich aus bereits veröffentlichten Songs besteht, auf Platz 1 der Billboard-Charts ein, wodurch die Einnahmen durch die verwendeten Songs wiederum anstiegen. 

Die Fallstricke der Bequemlichkeit

Gerade die Major-Labels, die auch zu den aktiven Playern beim Handel mit Musikrechten gehören, legen damit eine gewisse Art von Bequemlichkeit im Hinblick auf ihre Musikmarketing an den Tag, die durchaus kritisch zu betrachten ist.

Auf der einen Seite ist es freilich nachvollziehbar, dass der Fokus von Labels auf den Backkatalogen arrivierter Artists liegt – handelt es sich dabei doch um "Schätze", die sich mit strategischem Investments wie eben Sync-Deals zu Geld machen lassen. 

Jedoch wirft diese Strategie die Frage auf, ob die Labels so nicht aktiv dafür sorgen, dass, wie auch die oben genannte Studie zum Musikkonsum zeigt, der Platz für neue Talente zunehmend eingeschränkt wird, und diese sich in einem mit "Klassikern" gesättigten Markt nicht mehr durchsetzen können – ob, anders gesagt, Labels sich trotz des höheren Risikos nicht stärker auf die Förderung junger Musikerinnen und Musiker fokussieren sollten, um so neue Talente zu protegieren.  

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