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Eine Frage der Vorausplanung

So könnt ihr als Musiker/in von TikTok profitieren und eure Zielgruppe erweitern

Spezial/Schwerpunkt von Sara-Lena Probst
veröffentlicht am 13.12.2022

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So könnt ihr als Musiker/in von TikTok profitieren und eure Zielgruppe erweitern

. © Solen Feyissa via Unsplash

Viele Musiker/innen schauen eifersüchtig von ihren Instagram-Accounts auf die viralen Hits von TikTok-Usern. Sara-Lena Probst von BlackbirdPunk Consulting erklärt in ihrem Gastbeitrag, was so großartig an TikTok ist, dass das Thema nicht mehr aus den Medien verschwindet und erklärt, wie Musiker/innen TikTok sinnvoll nutzen können.

An sich ist TikTok genauso von einem Algorithmus gesteuert wie Instagram oder YouTube. Auch hier hat jeder User einen einzigartigen Feed, der sich sofort an die eigenen Suchanfragen und den Content-Konsum anpasst. Doch funktioniert dieser Algorithmus bisher so akkurat wie kein zweiter – Instagram und Co. versuchen derzeit vergeblich, hier mitzuhalten.

Viele werden sich daher fragen, wie sie erfolgreich bei TikTok starten und so ihre Fans erreichen können? Welche Herangehensweisen lassen sich mit dem alltäglichen Leben als Musiker/in vereinbaren – und vor allem: Wie kann ein TikTok Account langfristig bespielt werden, um somit nachhaltig Reichweite bzw. eine Fanbase auf- und auszubauen?

Besonderheiten der Plattform

Zuallererst ist es wichtig zu verstehen, dass TikTok eine visuelle Plattform ist. Das heißt: Menschen konsumieren hier vornehmlich bildliche Inhalte. Vor allem für Musiker/innen ist das wichtig zu begreifen. Die Musik steht im Hinblick auf die Wahrnehmung an zweiter Stelle.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ihr als TikTok-Nutzer/in eure Musik visuell greifbar machen müsst, um die User in eure eigene Musik-Welt zu locken.

Weiterhin ist es wichtig, sich klarzumachen, dass Menschen auf Social-Media-Kanälen Zeit verbringen, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, unterhalten zu werden und ihr Selbst durch die eigenen Likes oder Comments zu definieren.

Ein eigenes Format

Der große Unterschied von TikTok zu anderen Kanälen ist die Form des Contents. Hier wird ausschließlich sogenannter "Short-Form Video Content" ausgespielt – kurze Videos von unter drei Minuten Länge. Die Vergütung für deine Musik bei TikTok wird danach berechnet, wie oft jemand deinen Song im eigenen Video verwendet hat. 

Weiterhin ist auch die Zielgruppe eine der größten Differenzen zwischen TikTok und anderen Plattformen. Während etwa bei Instagram vor allem die Altersgruppe der "Millennials" vertreten ist (geboren zwischen '81 und '96), benutzen TikTok vor allem Menschen der "Gen Z" (ca. '96-2012).

Lohnt sich TikTok für dich?

Als erstes ist es wichtig zu fragen, wie deine Kommunikationsstrategie als Musiker/in ist. Geht es bei dir eher darum, die neuesten Nachrichten zu verkünden, wie zum Beispiel, dass du ein neues Album herausgebracht hast? Oder möchtest du auch mit deinen Fans interagieren, ohne zwangsweise etwas zu promoten? 

Das sind zwei verschiedene Herangehensweisen. Gehörst du eher der ersten Kategorie an, dann macht ein TikTok-Account nicht wirklich Sinn für dich. Möchtest du dich jedoch mit Fans austauschen und eine fortlaufende Kommunikation unabhängig von einem Release aufbauen, dann bist du bei TikTok richtig.

TikTok bietet durch die vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten mit Fans die Chance einer durchgehenden Promotion der eigenen Musik und des eigenen Namens. Sei es durch die Duett-Funktion oder dadurch, dass die Fans deine Musik für Ihre Videos benutzen. In Zeiten geringer Aufmerksamkeitsspannen auf Seiten der Fans ist es immer gut, im Gedächtnis zu bleiben. 

Die Frage nach der Zielgruppe

Die nächste Fragestellung ist die der Zielgruppenorientierung. Welche Altersgruppe möchtest du mit deiner Musik erreichen? Zielst du auf Millennials ab, dann bist du besser bei Instagram aufgehoben. Sind aber auch Gen Z Fans für dich relevant, dann bist du bei TikTok richtig.

Lies dazu auch die Ergebnisse unserer Umfrage zum Thema Social Media-Promotion!

Sehr viele Musikschaffende starten einen TikTok-Account aus einer Laune heraus oder weil sie denken, jetzt unbedingt einem Trend folgen zu müssen. Trendbewusstsein ist an sich keine schlechte Sache. Nur kann es eben sehr kraftraubend sein, bei einer Plattform zu starten, auf der die eigene Zielgruppe nicht unterwegs ist.

Das Herz von TikTok: Dein Content

Nachdem diese zwei wichtigen Fragen beantwortet sind, kannst du anfangen, deinen Content bei TikTok zu planen. Dabei spielen zwei wichtige Faktoren eine Rolle. Wie viel Zeit hast du – und was sind deine Ressourcen, um Video-Inhalte zu erstellen?

Davon ausgehend kannst du deinen Content Plan mit Themenschwerpunkten oder sogenannten "Content Clustern" füllen. Wie bei allen Social-Media-Kanälen geht es auch bei TikTok um Regelmäßigkeit und Stringenz.

Dir schon vorab Gedanken über mögliche Inhalte zu machen hilft, beim Start gezielt Inhalte zu produzieren. Außerdem musst du dann nicht jedes Mal, wenn du etwas bei TikTok veröffentlichen willst, erneut darüber nachdenken, wann welcher Inhalt Sinn macht.

Schwerpunkt-Content

Beim Thema TikTok-Content gilt folgendes zu beachten: User auf der Plattform sind vor allem für Unterhaltung, kurze Tutorials oder Anleitungen und sogar Lerninhalte zu haben. Deine Inhalte auf diese Schwerpunkte anzupassen, wird dir helfen Follower und Fans bei TikTok zu gewinnen.

So kannst du beispielsweise kurze Tutorials zu deinem liebsten Gitarrenpedal erstellen und anhand deiner eigenen Musik zeigen, wie es am besten eingesetzt werden kann. Oder du kannst dein gesammeltes Wissen über die Musikindustrie in Mini-Lerninhalten an deine Fans weitergeben.

Deine Musik auf TikTok

Ein weiterer wichtiger Schritt ist, deine Musik über deinen digitalen Vertrieb auch für TikTok auszuliefern. Die meisten digitalen Vertriebe liefern heutzutage standardmäßig deine Musik an TikTok aus. Jedoch ist es immer ratsam, das doppelt zu prüfen.

Solltest du einen direkten Kontakt zu einer Ansprechpartnerin bzw. einem Ansprechpartner bei deinem digitalen Vertrieb haben, dann lass sie oder ihn wissen, dass du mit TikTok starten möchtest. Vertriebler/innen sind eine Geheimwaffe der Musikindustrie. Oft können sie dir Tipps und Tricks zeigen, wie du deine Social-Media-Kanäle und deine Inhalte auf Streaming Plattformen optimieren kannst.

Achte bei deiner nächsten Veröffentlichung darauf, dass du bei deinem Vertrieb auch die Auslieferung an TikTok ausgewählt hast. Wichtig zu wissen: Dein Song wird nicht ganz auf TikTok erscheinen, sondern nur als Snippet bzw. kurzer Ausschnitt. Lege diesen am besten bewusst auf die eingängigsten Stellen deines Liedes.

Nun kannst du loslegen! Erstelle ein Video über die TikTok-App und wähle als Musik selbstverständlich deine eigene aus. Rege auch deine Fans dazu an, deine Musik so viel wie möglich für die Erstellung ihrer Inhalte zu nutzen.

Die Vorteile von TikTok

Ein wichtiger Vorteil sind die schon erwähnten Gen Z-Nutzer/innen auf TikTok. Diese haben teilweise andere Werte als vorherige Generationen, etwa in den Bereichen Diversität, Klimawandel und mentale Gesundheit. Musikschaffende, die diese Themen in ihrer Musik ansprechen, werden hier eine verständnisvolle Zielgruppe finden.

Beispielsweise geht die Musikerin Billie Eilish schon in ihren Songs sehr stark auf das Thema mentale Gesundheit ein. In der Kommunikation mit ihren Fans führt sie das Thema fort und setzt sich auch in der Öffentlichkeit, z.B. durch Interviews, für mehr Offenheit gegenüber dem Thema psychische Gesundheit ein.  

Neue Märkte

Neben den schon erwähnten Gen Z-Nutzer/innen auf TikTok ist die Popularität der Plattform in Asien ein großer Vorteil. Die Musikindustrie in Europa kann sehr auf sich konzentriert sein und verliert leicht andere Märkte aus den Augen – gerade zum asiatischen Markt fehlt ihr häufig der Bezug.

Allerdings zählt Asien zu den größten und am schnellsten wachsenden Musikmärkten der Welt. Siehst du etwa bei deiner Spotify for Artists-Übersicht, dass deine Musik (auch) in Asien gehört wird, sollte die Verwendung von TikTok und damit das Ansprechen des asiatischen Marktes bei dir auf der Agenda stehen.

Zwanglos

Ein weiterer Vorteil ist die ungezwungene Art der Videoinhalte auf der Plattform. Vielen Musikschaffenden entspricht es eher, lockere und kurze Videos aufzunehmen als lange über dem perfekten Foto für Instagram zu brüten.

Bei TikTok kannst du ganz du selbst sein und Fans mit in deine Musik-Welt nehmen. Egal ob du ein kurzes Video aus dem Proberaum filmst oder deine aktuelle Tournee dokumentierst – gerade das Leben als Musiker/in bietet viele Anknüpfungspunkte für schnelllebigen und unterhaltsamen Content.

Gemeinsam

Auch die Duett-Funktion bei TikTok ist ein sehr großer Vorteil für Artists: Hier kannst du mit anderen Musiker/innen oder sogar deinen Fans ein Duett aufnehmen. Dies bietet eine Riesenchance auf sogenannte "Cross Channel Promotion"; das gegenseitige Hervorheben beider beteiligter Kanäle.

Während dieses Potential bei Instagram kaum beachtet wird, ist es ein großes Thema bei TikTok. Du kannst das sogar als Marketingstrategie für dein nächstes Release nutzen.

Dabei ist es auch von Vorteil, dass auf TikTok immer nur kurze Ausschnitte aus der Musik angespielt werden. Dadurch kannst du deine Musik anteasern und die Fans auf deine bevorzugte Streaming Plattform locken, damit sie dort den vollständigen Song hören.

Beispiel Arctic Monkeys auf TikTok

Für alle Leser/innen die sich jetzt denken, Gen Z ist ja schön und gut, aber meine Band gibt es schon seit 20 Jahren, wie soll denn meine Musik auf dieser Plattform funktionieren? – denen möchte ich den Fall der Arctic Monkeys als Case Study ans Herz legen.

Die Band aus Sheffield in Großbritannien hat es geschafft, durch TikTok eine ganz neue Zielgruppe zu erreichen. Das Besondere ist, dass die Band gar keinen eigenen Content auf TikTok erstellt hat: Die Lieder wurden lediglich durch den digitalen Vertrieb der Arctic Monkeys ausgespielt und haben sich zu wahren Selbstläufern entwickelt – getragen von Inhalten, die von Nutzer/innen erstellt wurden bzw. werden und die Musik der Arctic Monkeys beinhalten.

Neuer Erfolg mit alten Hits

Hervorzuheben ist hier der Track "505". Das Lied wurde zum ersten Mal 2007 veröffentlicht – also vor 15 Jahren! Doch spricht etwas in dem Song die junge Zielgruppe auf TikTok so sehr an, dass er ein massives Revival erlebt hat. Momentan hat der Song ganze knapp 850 Millionen Streams auf Spotify (zuletzt aufgerufen am 01.11.2022).

Auf der laufenden Tournee hat die Band den Song wieder in die Trackliste aufgenommen und spielt diesen nun vor einem deutlich verjüngten Publikum. "505" zeigt also, wie die User von TikTok in echte Fans bzw. (zahlende) Konzertbesucher/innen konvertiert wurden.

Verwertungsmöglichkeiten für den Backkatalog

Der Fall der Arctic Monkeys illustriert, was für einen Unterschied es machen kann, die eigene Musik auf TikTok verfügbar zu machen. Den Arctic Monkeys kommt sicher zugute, dass es sich um eine etablierte und bekannte Band handelt. Nichtsdestotrotz können auch andere Bands via TikTok ihren Backkatalog, also Musik, die älter als 18 Monate ist, verwerten.

Nur, weil man selbst schon lange als musikschaffende Person unterwegs ist, heißt das nicht, dass man das jüngere Zielpublikum gleich ausschließen muss. Musik an sich ist ein universelles Erlebnis, ganz unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Herkunft. Und der Zugang zu Musik, etwa zufällig via TikTok, gibt auch einem jüngeren Publikum die Chance, Fans zu werden.

Fazit

TikTok wird sicherlich noch einige Jahre bestehen, es ist daher ratsam eine Haltung zu der Social-Media-Plattform für sich und seine Musik zu finden. Die besonderen Vorteile der Plattform mögen für einige den Start sinnvoll erscheinen lassen, während für andere die junge Zielgruppe vielleicht abschreckend wirkt.

Wie jedoch anhand der Arctic Monkeys erkennbar ist, kann eine Verjüngung der Fanbase auch etwas Gutes sein. 

Eines ist jedoch sicher: Ohne stringente Kommunikations-Strategie wird es schwer werden, glaubhaften Content zu generieren. Nutzt TikTok für kurzlebigen, spaß-orientierten Video-Content und baut euch eure eigene Gemeinschaft aus Fans und Musiker/innen auf. Dann werdet ihr langfristig viel Erfolg mit eurem TikTok Account haben!

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Dieser Gast-Artikel wurde von Sara-Lena Probst verfasst, der Gründerin von BlackbirdPunk Consulting – Digital Consulting für die Musikindustrie. 

Unternehmen

BlackbirdPunk Consulting

Sara-Lena Probst

Consulting und Coaching in 12051 Berlin

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