Infektionsherd London
Schlechte Aussichten für Großveranstaltungen? 2000 Corona-Infektionen nach EM-Spiel
Das Wembley Stadion 2016. © Mitch Rosen via Unsplash
Die Europameisterschaft 2020 war für viele schottische Fußballfans ein langewartetes Ereignis: Es war das erste größere Turnier für Schottland seit 23 Jahren. Neben Spielen gegen Kroatien und Tschechien trat Schottland auch gegen England an.
Dies hat nun eine negative Konsequenz: Im Umfeld des Spiels im Londoner Wembley Stadium am 18. Juni könnten fast 2.000 Infektionen mit dem Coronavirus entstanden sein.
Ansammlungen in London
Laut Public Health Scotland machten Schottland-Fans, die nach London reisten, zwei Drittel der 1,991 Fälle aus. Schon vor Beginn des Spiels war die Sorge um erhöhte Ansteckungen groß, da die Delta-Variante des Virus in Großbritannien inzwischen dominant ist.
Schottland erhielt aufgrund der Corona-Beschränkungen nur 2.600 Tickets für das Spiel in Wembley. Der Zutritt zum Spiel erforderte zudem einen negativen Corona-Test beziehungsweise einen Impfnachweis.
Allerdings wird angenommen, dass um die zehntausend schottische Fans ohne Ticket nach London reisten, trotz Warnungen der schottischen Regierung, dies nicht zu tun. Viele versammelten sich in großen Gruppen im Zentrum in London. Nur am Leicester Square wurden die Fans nach der Halbzeit von der Polizei zum Weiterziehen aufgefordert. Für diese Schlachtenbummler galten die Test- und Impfanforderungen natürlich nicht.
Anstieg der Corona-Fallzahlen
Am 30. Juni wurden 3.887 Corona-Fälle in Schottland gemeldet – 2000 davon scheinen mit dem Spiel im Zusammenhang zu stehen. Es ist nicht möglich, den Zusammenhang mit vollständiger Sicherheit zu beweisen, da man kaum nachverfolgen kann, wo genau die Menschen mit dem Virus in Kontakt gekommen sind.
Allerdings steigt in Schottland der Anteil der infizierten Männer, die inzwischen 90 Prozent der Corona-Fälle ausmachen. Zudem steigt auch die Anzahl der Infizierten im Alter zwischen zwanzig und 40 Jahren. Zudem hatte Public Health Scotland angegeben, positive Corona-Fälle zu kennzeichnen, wenn die getestete Person entweder an einer von der Euro 2020 organisierten Veranstaltung teilnahm oder in der Fan-Zone in Glasgow war.
Zusätzlich gekennzeichnet wurden positiv Getestete, die an einer Zusammenkunft teilnahmen, um das Spiel anzuschauen, beispielsweise in einem Pub oder einer Hausparty. Der Bericht der Public Health ergibt, dass 1,294 von den 1,991 Infizierten nach London gereist waren. Davon waren 397 Infizierte wirklich beim Spiel, hatten also Tickets.
Wenig Infektionen bei anderen Spielen
Eine relativ kleine Zahl an Infektionen wurde bei der Fanzone in Glasgow sowie bei den beiden Heimspielen Schottlands in Glasgow gemeldet. Nur 55 positiv Getestete waren in der Fanzone, 38 positiv Geteste wurden nach dem Spiel zwischen Schottland und Kroatien gemeldet, 37 positiv Getestete beim Spiel gegen Tschechien.
Das kann darauf hindeuten, dass besonders Reisen von Fans im Zusammenhang mit besonders emotionalen, als bedeutsam empfundenen Spielen ein Risiko darstellen, und zwar vor allem dann, wenn sie unreguliert sind.
Viele Ansteckungen oder wenige?
Die Zahlen sind außerdem bemerkenswert, weil erst kürzlich der Bericht des britischen Event Research Programme (ERP) veröffentlicht wurde. Er widmet sich der Untersuchung von Großevents in Zeiten des Corona-Virus und soll Vorschläge entwickeln, wie diese wieder infektionssicher gestaltet werden können.
Dazu wurden neun Testevents ausgewählt, die in der ersten Phase des Projekts bereits durchgeführt und analysiert wurden. Demnach traten bei den 58.000 Teilnehmern insgesamt nur 28 Corona-Fälle auf, was im Widerspruch zu den schottischen Zahlen zu stehen scheint.
Begründen lässt sich dies möglicherweise damit, dass die meisten positiv Getesteten Schottlandfands sich bereits vor dem Spiel in London infiziert haben könnten. Eine andere mögliche Ursache sind die unregulierten und unkontrollierten Reisen im Zusammenhang mit dem Spiel.
Dunkelheit ins Licht könnte die zweite Reihe an Testevents des ERP bringen, die auch Spiele der Gruppenphase der EURO 2020 im Wembley-Stadion enthält. Daten hierzu werden aktuell noch von Wissenschaftlern ausgewertet und analysiert.
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