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Studien-Ergebnisse zur Situation der Venues

Spielstätten-Netzwerk "Live DMA": Europas Locations sind beinahe überall auf Subventionen angewiesen

News von Florian Endres
veröffentlicht am 23.08.2016

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Spielstätten-Netzwerk "Live DMA": Europas Locations sind beinahe überall auf Subventionen angewiesen

Die Umfrage der Live DMA Initiative liefert interessante Einblicke in die Lebenswirklichkeit europaeischer Spielstaetten. © Live DMA

Das europäische Spielstätten-Netzwerk Live DMA führte eine Umfrage durch, um die momentane Situation der Spielstätten in Europa zu evaluieren. Auf der PrimaveraPro-Musikkonferenz 2016 wurden die Ergebnisse veröffentlicht.

Das Netzwerk "Linking Initiatives & Venues in Europe (Developing Musical Actions)", kurz auch Live DMA, erhebt seit 2011 in Zusammenarbeit mit diversen national agierenden Musikinitiativen Informationen zur Situation von Spielstätten in ganz Europa.

Das Netzwerk hat es sich mit diesen Studien zum Ziel gemacht, eine internationale Vergleichbarkeit von Venues herzustellen – sowohl untereinander als auch mit anderen gesellschaftlichen Bereichen. Es geht nicht bloß darum, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einzelnen Spielstätten aufzuzeigen, sondern auch darum, eine Öffentlichkeit für die Spielstätten herzustellen, um somit sowohl auf ihre Wichtigkeit als auch auf ihre oftmals prekäre Lage hinzuweisen.

Weil die Studie seit 2011 jedes Jahr durchgeführt wird, ist das Live DMA-Netzwerk außerdem in der Lage, sich abzeichnende Trends und Entwicklungen zu verfolgen. 

Datengrundlage: 435 Spielstätten

Die Daten für die Umfrage werden mithilfe der verschiedenen internationalen Musikinitiativen erhoben, die zum Live DMA Netzwerk gehören. Diese bieten einen direkten Zugang zu den Daten der bei ihnen registrierten Spielstätten, seien es Informationen zur Größe und zur Programmgestaltung, zu den Besucherzahlen, den Angestellten oder den Ein- und Ausgaben. 

Für die vorliegende Umfrage wurden 837 Spielstätten befragt, von denen immerhin 435 antworteten. Damit ergibt sich eine Rückmeldungsquote von 52%. Teilgenommen haben Mitglieder der folgenden Initiativen:

  • Fedelima (Frankreich)
  • Norske Konsertarrangører (Norwegen)
  • Dansk Live (Dänemark)
  • VNPF (Niederlande)
  • PETZI (Schweiz)
  • ACCES (Spanien, ohne Katalonien)
  • ASACC (Katalonien)
  • Club Plasma (Wallonie, Belgien)
  • Clubcircuit (Flandern, Belgien)

Die Daten der deutschen Initiative LiveKomm sind zwar nicht in der Studie enthalten, jedoch wurden manche ihrer selbst durchgeführten Umfragen als Vergleich eingearbeitet.

Kapazität: Im Schnitt 583 Zuschauer

Kennzahlen einer typischen

Kennzahlen einer typischen "Durchschnittslocation"

Aus den gesammelten Daten hat das Live DMA-Netzwerk zuerst die durchschnittliche Kapazität der teilnehmenden Spielstätten berechnet. Diese beläuft sich auf 583 Zuschauer. Dabei liegen 66% der an der Umfrage beteiligten Locations unter dem Kapazitätsdurchschnitt. 

Staffelt man die Venues grob nach ihrer Größe, machen kleine Clubs (0-399 Gäste) mit 46% beinahe die Hälfte der erfassten Veranstaltungsorte aus. Mit etwas Abstand folgen dann mittelgroße Veranstaltungsorte (400-999 Gäste) mit 37%; große Clubs (1000+ Zuschauer) machen etwa 15% der Gesamtzahl aus.

Zuletzt wurde die durchschnittliche Größe von Venues, differenziert nach Ländern, errechnet. Spitzenreiter ist hier Dänemark mit einer Kapazität von 889 Besuchern, dicht gefolgt von Flandern (850 Besucher) und den Niederlanden. Im Mittelfeld befinden sich u.a. die Wallonie (568 Besucher), Frankreich (516 Besucher) und Katalonien (458 Besucher), beim Schlusslicht handelt es sich um Spanien (390 Besucher).

Art der Veranstaltungen: 1/4 setzt rein auf Musik

Im Durchschnitt finden in den teilnehmenden Locations 200 Veranstaltungen nicht-musikalischer Art und 107 musikalische Darbietungen im Jahr statt. 23% der erfassten Venues werden aussschließlich für musikalische Veranstaltungen verwendet. Die Veranstaltungen nicht-musikalischer Art fallen in folgende Kategorien:

  • soziale und bildenden Aktivitäten (53%),
  • Unterstützung künstlerischer Aktivitäten (45%),
  • Angebot von Räumlichkeiten und Equipment für Musiker (43%),
  • Ausstellungen (29%),
  • Theater/Tanz (18%),
  • Multimedia/audiovisuelle Kunst (13%) und
  • filmische Vorführungen (10%).

Internationale Schwankungen

Veranstaltungsarten

Veranstaltungsarten

Neben der Häufigkeit der stattfindenen Veranstaltungen wurden in der Umfrage der Live DMA auch internationale Schwankungen erfasst. So lassen sich in Katalonien und den Niederlanden beispielsweise die meisten Locations finden, die rein auf Live-Musik ausgelegt sind (über 50%). Locations mit einer Ausrichtung auf soziale Veranstaltungen oder Veranstaltungen mit bildendem Wert hingegen sind vor allem in Flandern und Frankreich vertreten (ebenfalls über 50%).

Französische Clubs bieten im internationalen Vergleich auch die meiste Unterstützung für Künstler und Musiker (beide Werte zw. 70% und 100%). Eine solche Förderung bietet ansonsten bloß noch Flandern. Hier bieten knapp 50% der Venues z.B. Proberäume oder Equipment für Musiker an. Die Förderung von Künstlern allgemein liegt hier jedoch auch nur bei 30%.

Im Allgemeinen zeigt sich, dass eine solche Musiker- und Künstlerunterstützung bei den wenigsten Spielstätten auf dem Programm steht. Außerdem ist es auffällig, dass, wenn die Venue Förderangebote bietet, sie sich tendenziell häufiger an Musiker und weniger an Künstler richten.

Fast 30.000 jährliche Gäste im Schnitt

Freier Eintritt in der Minderzahl

Freier Eintritt in der Minderzahl

Im Durchschnitt liegt die Besucherzahl der erfassten Venues bei 26.640 Gästen pro Jahr. Die höchsten Besuchszahlen haben dabei die als "groß" klassifizierten Venues (79.273 Besucher). Mit weitem Abstand dahinter folgen dann mittelgroße Locations mit 21.965 Besuchern und schließlich die kleinen Spielstätten mit 11.359 Besuchern im Jahr.

Die totale Anzahl der in der Statistik erfassten Besuche beläuft sich auf 22.642.417. 78% dieser Besuche sind bezahlte Besuche, 22% davon sind gratis. Diese Zahl teilt sich noch einmal auf in Besucher, die kostenpflichtige Veranstaltungen gratis besuchen (10%) und die Besucher von Events mit freiem Eintritt (12%).

Von den in der Statistik erfassten 89.389 Musik-Events, bei denen insgesamt 189.895 Bands/Künstler auftraten, waren 84% mit bezahltem, 16% mit freiem Eintritt. 

Situation der Angestellten: Herzblut rulez

Die durchschnittliche Location hat 81 Angestellte, die sich wiederum aufteilen in 21% bezahlte Angestellte, 66% freiwillige Helfer und 13% Praktikanten. In ganzen Zahlen wurden in der Umfrage 68.000 arbeitende Personen festgestellt, davon 14.500 bezahlte, 48.500 Freiwillige und 5000 Praktikanten.

Die Verteilungen in Abhängigkeit von der Venue-Größe sehen wiefolgt aus:

  • Große Locations: 61% Freiwillige, 24% Bezahlte und 15% Praktikanten,
  • Mittelgroße Locations: 63% Freiwillige, 24% Bezahlte und 13% Praktikanten,
  • Kleine Locations: 73% aus Freiwillige, 16% Bezahlte und 11% Praktikanten.

Stundenverteilung Vollzeitäquivalent

Unter dem Vollzeitäquivalent versteht man eine Kennzahl, die bei gemischter Personalbelegung mit Teilzeitbeschäftigten angibt, wie viele Stellen rechnerisch belegt wären, wenn die Angestellten lediglich Vollzeit arbeiteten.

Im Rahmen der Umfrage beläuft sich die Anzahl der rechnerischen Vollzeitstellen in den verschiedenen Venues auf durchschnittlich 14. Diese Stellen würden zu 55% bezahlte Angestellte, zu 37% Freiwillige und zu 9% Praktikanten besetzen.

Auch die Verteilung der Angestellten auf Vollzeitstellen in Abhängigkeit von der Venue-Größe wurde noch einmal berechnet. Dabei ergaben sich folgende Zahlen:

  • Große Locations: 23% Freiwillige, 66% Bezahlte, 11% Praktikanten,
  • Mittelgroße Locations: 38% Freiwillige, 53% Festangestellte, 8% Praktikanten,
  • Kleine Locations: 47% Freiwillige, 46% Festangestellte, 7% Praktikanten.

Einnahmen generieren sich zu 25% aus Ticketverkäufen

Der mitunter interessanteste Teil der Erhebung sind sicherlich die Zahlen zu den Einnahmen der Venues. Der Umfragedurchschnitt liegt bei Einnahmen in Höhe von 893.563 € pro Jahr, wobei hiervon 25% aus Ticketverkäufen gewonnen werden, 17% aus dem Verkauf von Essen und Trinken und 41% durch Subventionen. In ganzen Zahlen belaufen sich die in der Statistik erhobenen Einnahmen auf 748 Millionen Euro.

Je größer eine Location, desto höhere Einnahmen erwirtschaftet sie mit Ticketverkäufen und Essen/Trinken. So stammen 34% des Einkommens großer Venues aus Ticketverkäufen, wohingegen mittelgroße Clubs bloß 19% und kleine nur 15% auf diese Weise einnehmen. Essen und Trinken machen bei großen Locations immerhin 20% der Einnahmen aus, bei kleinen noch 16%. Auf dem letzten Platz sind hier die mittelgroßen Locations mit 14%.

Subventionen sind entscheidend

Aufteilung der Einkommenstruktur

Aufteilung der Einkommenstruktur

Neben nicht näher definierten "sonstigen Einnahmen" (24% bei kleinen, 20% bei mittleren und 13% bei großen Locations) bleibt es jedoch traurige Realität, dass Subventionen gerade bei kleineren Locations noch immer den größten Teil der Finanzierung ausmachen. So beläuft sich der Anteil am Einkommen kleiner Venues auf 46%, bei mittleren sogar auf 48%. Lediglich bei großen Venues tragen Subventionen "nur" 33% der Gesamteinnahmen bei – immerhin ein Prozent weniger als die Einnahmen durch Ticketverkäufe.

Natürlich lassen sich internationale Schwankungen des Einkommens der Locations ausmachen. Wie bereits festgestellt gibt es gerade in Frankreich und Flandern eine Menge kleiner Clubs, die sich im sozialen, bildenden und künstlerischen Bereich engagieren – diese sind vor allem abhängig von Subventionen. Den Vergleich führt hier Frankreich an, wo sich Clubs mit 57% durch Subventionen finanzieren.

Am anderen Ende der Liste stehen Spanien und Deutschland. Hier gibt es viele private Clubs, die beinahe vollständig ohne Subventionen auskommen (müssen), sodass in Deutschland bloß 7%, in Spanien sogar nur 3% des Einkommens von Subventionen getragen wird. Hier verteilt es sich dann umso höher auf Ticketverkäufe sowie Essen/Trinken.

Ausgaben

Den Einnahmen stehen Ausgaben von durchschnittlich 903.256€ (ganze Umfrage: 756 Millionen €) gegenüber. Dabei handelt es sich zu 34% um Kosten für das Programm der Spielstätten, die übrigen 66% sind anderweitige Kosten. Diese Verteilung schwankt im internationalen Vergleich kaum.

Die Unterschiede auf Venue-Größe gerechnet sind ebenfalls marginal. Bei kleinen Venues machen die Programmkosten 28% der Ausgaben aus, bei mittelgroßen Venues 34% und bei großen 35%.

Ticketpreise

Zuletzt wurde der durchschnittliche Ticketpreis erhoben, um davon ausgehend nachvollziehen zu können, inwieweit Ticketverkäufe die Programmkosten decken können. Der durchschnittliche Ticketpreis beläuft sich auf 8,49€. Aufgeschlüsselt auf Venues sehen die durchschnittlichen Schwankungen wiefolgt aus: 

  • kleine Venues: 4,55€,
  • mittelgroße Venues: 8,05€,
  • große Venues: 10,12€.

So kommt es auch nicht von ungefähr, dass durch Ticketverkäufe die Programmkosten großer Venues zu 94% gedeckt werden. Bei kleinen Spielstätten sind es lediglich 53%, bei mittleren 54%. Im Durchschnitt können die Programmkosten zu 73% durch Ticketverkäufe wieder ausgeglichen werden.

Im Ländervergleich lassen sich erhebliche Differenzen ausmachen. So decken die Ticketverkäufe in Frankreich nur 37% der Ausgaben. In Belgien sind es immerhin 65%, in Deutschland 87%. Spitzenreiter sind die Niederlande (103%), Katalonien (121%) und Spanien (123%).

Unternehmen

Live Musik Kommission (LiveKomm)

Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.

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