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Die Krise dauert an

Veranstaltungsbranche leidet unter massiven Kostensteigerungen

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 19.07.2022

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Veranstaltungsbranche leidet unter massiven Kostensteigerungen

Die Produktionskosten für Veranstaltungen wie Technik und Bühnenbau sind besonders stark gestiegen. © Rudi Brand

Die Veranstaltungswirtschaft leidet unter hohen Kostensteigerungen, fehlenden Kapazitäten bei Dienstleistern und Personal sowie steigenden Preisen für Energie und Nahrung. Das zeigt eine neue Studie, die der Verband forward (fwd:) vorstellte.

Die Krise der Veranstaltungswirtschaft ist allgegenwärtig und sorgte im Sommer 2022 bereits für die Absage von Festivals, Tourneen und Messen. Bisher fehlten aber Zahlen, um die Preissteigerungen zu beziffern und die Dramatik der Entwicklung aufzuzeigen.

Eine neue Studie mit dem Titel "Kosten-Entwicklung Event/Messe 2022" liefert nun zumindest näherungsweise genauerer Angaben. Die Studie [Link zum PDF] wurde von der Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft fwd: in Kooperation mit dem R.I.F.E.L. Research Institute for Exhibition and Live-Communication durchgeführt. 

Drastische Steigerungen

Die durchschnittliche Steigerung der Kosten von Events im Jahr 2022 beträgt laut der Studie im Vergleich zu 2019 nicht weniger als 45 Prozent. Größere Events bzw. Messen sind dabei um 41 Prozent teurer geworden, kleine sogar um 49 Prozent.

Die Studie enthält verschiedene Modellrechnungen für Events mit 250, 600 und 1500 Gästen. Veranstaltungen bis zu 250 Personen sind im Vergleich zu 2019 im Durchschnitt um 58 Prozent teurer geworden, Events mit 600 Personen um 55 Prozent und Veranstaltungen mit bis zu 1.500 Personen um 46 Prozent.

Höhere Ausgaben in allen Bereichen

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Kosten in allen Bereichen gestiegen sind, besonders stark jedoch in Hinblick auf Produktionskosten, also etwa Ausgaben für die Location, Technik, Auf- und Abbau sowie Catering. Diese haben sich bei Events mit 250 und 600 Personen fast verdoppelt; im Falle von Events mit 1500 Personen sind sie um 78 Prozent gestiegen.

Die Ausgaben für Inhalte (also Künstler, Redner, Moderatoren oder Filme) stiegen in den drei Jahren um etwa ein Drittel, während die Ausgaben für Personaldienstleistungen (wie Security, Organisation, Fahrer, Hostessen) bei Events mit 1500 Personen ebenfalls um ein Drittel wuchsen, bei kleineren Events jedoch um ca. 45 Prozent.

Bei Messen ist der Anstieg der Kosten etwas weniger ausgeprägt, aber auch sie sind im Jahr 2022 ungefähr ein Drittel teuer als noch 2019.

Fachkräftemangel und Umsatzeinbruch

Die Ursachen der Preiserhöhungen sind vielfältig. Die Studie stellt eine stark gewachsene Nachfrage nach Veranstaltungen fest, die aber mit einer rückläufigen Zahl von Dienstleistern kollidiert, die zur Durchführung der Veranstaltung benötigt werden.

So verzeichneten Unternehmen der Veranstaltungsbranche im Jahr 2021 nach Ergebnissen der LiveCom Alliance European Industry Survey einen Umsatzrückgang um 68,4 Prozent und einen Mitarbeiter-Schwund von 54,5 Prozent.

Viele Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft mussten wegen der pandemischen Restriktionen aufgeben oder ihren Mitarbeiterbestand reduzieren, so dass aktuell die Kapazitäten fehlen, um die hohe Nachfrage nach Veranstaltungen zu befriedigen. Die gesunkene Zahl an Dienstleistungsunternehmen bedingt auch eine Materialknappheit – zum Beispiel von Toilettenwagen.

Das Fehlen benötigter Fachkräfte ist ein weiteres Problem. Die Studie bestätigt, was viele Veranstalter aus eigener Erfahrung bereits wissen: Der Markt für Servicekräfte wie Caterer, Aufbauhelfer für Messestände oder Stagehands für Bühnenbauten ist quasi leergefegt. Die drastischen Konsequenzen des Fachkräftemangels zeigten sich u.a. an der Absage des PULS Open Air – hier gab es schlicht nicht genug Security-Personal, um den reibungslosen Ablauf des Events zu garantieren.

Die verbliebenen Arbeitskräfte sind wiederum nur unter deutlich erhöhten Kosten verfügbar. So erfreulich das für die in diesem Bereich tätigen Arbeitskräfte sein mag, es steigert natürlich die Kosten der Veranstalter weiter – eine dramatische Entwicklung auch vor dem Hintergrund, dass gerade Nachholkonzerte aus den letzten Jahren zu den Vor-Corona-Preisen stattfinden, und die Einnahmen die gestiegenen Kosten so häufig nicht decken.

Verkürzung des Eventjahres

Aufgrund der Sorge vor pandemischen Einschränkungen im Herbst 2022 hat sich der Zeitraum für Live-Events von April bis ungefähr Oktober/November verkürzt. In den 7-8 Monaten (statt wie vor Corona 12 Monaten) besteht nun eine deutlich erhöhte Nachfrage an Agenturen, Technik, Catering und Locations, die auf die bereits erwähnten geschrumpften Kapazitäten trifft.

Die gestiegene Nachfrage gilt nicht nur für Konzerte, Messen, sondern auch für Firmenevents und Messen, da diese sich ebenfalls zwischen April und Oktober ballen. In den Sommermonaten 2022 werden beispielsweise knapp doppelt so viele Messen wie 2019 stattfinden.

Unternehmen setzen seit Ende der meisten Corona-Maßnahmen zudem verstärkt auf Mitarbeiter- und Führungskräfte-Events, um den informellen Austausch zu befördern und die Bindung an den Arbeitgeber zu erhöhen –  besonders da Online-Konferenzen und Home Office sich voraussichtlich als dauerhafte Institutionen der Arbeitswelt erweisen werden.

Mit der hohen Auslastung der Veranstaltungsdienstleister verbunden ist ein starker Anstieg der Planungsfristen. Montagepersonal für Messen muss beispielsweise 2 Monate im Voraus gebucht werden. Auch Baumaterialien, Technik und Mietmöbel haben deutlich längere Lieferzeiten als 2019. Zudem haben viele Dienstleister aus Angst vor Veranstaltungsabsagen ihre Kapazitäten überbucht.

Neue Anforderungen, neue Kosten

Weitere Kostensteigerungen ergeben sich durch die Fortdauer von Hygienemaßnahmen. Insbesondere bei Messen und Firmenveranstaltungen müssen weiterhin größere Flächen zur Wahrung des Mindestabstandes gebucht werden – ein Problem, das sich bei Konzerten und Festivals weniger stellt.

Veranstalter aller Art müssen jedoch weiterhin Personal und Materialien für Reinigung, Desinfektion und Einlasskontrollen, Datenerfassung und die Erstellung von Hygienekonzepten bereithalten, zumal die Einführung von Corona-Schutzmaßnahmen im Herbst 2022 keineswegs ausgeschlossen ist.

Alles wird teurer

Darüber hinaus schlägt der Anstieg der Nebenkosten voll auf die Veranstaltungswirtschaft durch. Transport- und Energiekosten erhöhen sich aufgrund der Kostensteigerungen bei Kraftstoffen, Erdgas und Heizöl.

Durch die gestiegenen Kosten für Gemüse und Fleisch steigen die Ausgaben für Catering. Auch die Materialien für Bühnen- oder Set-Bau sind teurer geworden und der Chip-Mangel verteuert die Veranstaltungs- und Streaming-Technik und schränkt deren Verfügbarkeit ein.

Online/Hybride-Event bleiben

Die Kostenanstiege führen dazu, dass Live-Events gezielter eingesetzt und großzügiger mit Budget ausgestaltet werden. Unternehmen setzen weiterhin auf digitale Formate und hybride Event-Strategien. Das macht hohe Investitionen in IT-Technik notwendig.

Bezüglich der ausgezahlten Tagessätze, haben sich 1000 Euro als Untergrenze für Messe-/Event-Projektleiter durchgesetzt. Direktoren, Projektmanager oder auch Spezialisten verdienen deutlich mehr. Außerdem dominieren Verträge mit Laufzeiten von 5 Jahren verbunden mit Preissteigerung-Klauseln inzwischen die Branche.

Die Sache mit der Nachhaltigkeit

Auch der Aufwand für die Erstellung und Umsetzung von Nachhaltigkeit-Konzepten steigt, da Nachhaltigkeit zu einem festen Bestandteil aller Messe-/Event-Konzepte wird. Allerdings ergeben sich im Gegensatz zu allen anderen Bereichen dadurch auch Einspareffekte.

Während die Erstellung von Nachhaltigkeits-Konzepten Kosten verursacht, verringert ihre Umsetzung Kostensteigerungen, da Veranstalter auf bestimmte Dienste oder Dienstleister verzichten.

Das geschieht sicherlich nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes, sondern weil es eine der wenigen Möglichkeiten ist, der allgemeinen Kostensteigerung entgegenzuwirken. Insofern hat die Krise der Veranstaltungswirtschaft vielleicht einen positiven Effekt: Ressourcen werden gezielter und weniger verschwenderisch eingesetzt.

Bilanz und Ausblick

Angesichts massiv steigender Kosten in fast allen Bereichen ist unklar, wie sich die Veranstaltungswirtschaft in den nächsten Monaten und Jahren entwickeln wird. Auf der einen Seite herrscht eine nach wie vor große und wachsende Nachfrage nach Events, die allerdings auf ein “post-pandemisches” Überangebot trifft, da insbesondere im Konzert- und Festival-Bereich zahlreiche Veranstaltungen nachgeholt werden müssen, die eigentlich für 2020 oder 2021 geplant waren. Auch bei Unternehmensevents oder Messen besteht ein Überangebot, da diese sich neuerdings zwischen April und Oktober konzentrieren.

Gleichzeitig haben viele Veranstaltungsdienstleister die Pandemie nicht überlebt oder ihren Mitarbeiterbestand so stark reduziert, dass sie die aktuelle Nachfrage nicht mehr bedienen können. Im Niedriglohnbereich fehlen zudem Hilfskräfte für Security, Bühnen- und Messebau und zahlreiche andere Tätigkeiten. Gestiegene Kosten für Energie und Nahrung und fortgesetzte Investitionen in IT-Technik sorgen ebenfalls für Ausgabensteigerungen.

Eine schnelle Lösung dieser Probleme ist nicht in Sicht, stattdessen wird die Veranstaltungswirtschaft mit den neuen Realitäten arrangieren müssen. Wie hoch die Akzeptanz für steigende Kosten beim Publikum oder bei betrieblichen Kunden ist, bleibt abzuwarten. Im schlimmsten Fall droht der Eventbranche ein Schrumpfungsprozess, weniger vermutlich bei Massenveranstaltungen oder traditionell populären Events, sondern vor allem bei kleineren und mittelgroßen Veranstaltungen und neuen Events.

Eine Chance zur Bewältigung der Krise besteht darin, Ressourcen effizienter und schonender einzusetzen. Damit wird sich sicherlich die Krise nicht lösen oder vollständig auffangen lassen, aber der zielgerichtete Einsatz von Ressourcen vermag manchen Mangel aufzufangen.

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