Algorithmen und der Kontext
YouTuberin verliert wegen eines automatisierten Copyright-Claims ihr Sponsoring
Lindsay Ellis. © Lindsay Ellis / Screenshot (https://www.youtube.com/watch?v=xU1ffHa47YY)
In Ellis' Video "Woke Disney" verwendet die YouTuberin einen Ausschnitt aus dem Disney-Film "Dumbo", genauer gesagt den Track "Song of the Roustabouts" inklusive dazugehörigem Video, um daran rassistische Tendenzen in älteren Filmen zu erläutern.
Woke Disney
Das Video wurde daraufhin von YouTubes Content ID-Algorithmus – einem Tool, das hochgeladene Inhalte automatisch nach urheberrechtlich geschütztem Material durchsucht – aufgrund des verwendeten Auszugs im Auftrag der Universal Music Group "geclaimt". Das bedeutet, dass die Werbeeinnahmen des Videos künftig an Universal gehen, da diese für den Vertrieb des Disney-Katalogs zuständig sind.
Immer wieder Content ID
Diese Prodzedur ist an sich nicht unüblich: automatisierte Copyright-Claims via Content ID stellen gerade für die Major-Labels ein wichtiges Zugeständnis seitens YouTube dar, da es die Bereitschaft demonstriert, die unlizenzierte Verbreitung von geschütztem Material auf YouTube einzudämmen.
Für Ellis bedeutet dieser Claim allerdings den Verlust ihres Sponsoring-Vertrages mit der Hörbuch-Plattform Audible – und eines Teils ihrer Einnahmen. Der Grund ist, dass der Audible-Vertrag besagt, dass Ellis lediglich deren Werbung einspielen darf. Da mit dem Claim nun jedoch Universal für die Werbung zuständig ist, läuft auch Werbung von anderen Partner, womit Ellis gegen die Vertragsbedingungen verstößt:
© Screenshot (https://twitter.com/thelindsayellis)
Grenzfälle
Ellis behauptet, dass der Claim unrechtmäßig ist, da die Verwendung des Materials unter das Fair Use-Prinzip fällt und appelliert an Universal, den Claim zurückzuziehen. Fair Use bedeutet laut YouTube, "dass urheberrechtlich geschütztes Material unter bestimmten Umständen auch ohne Genehmigung des Urheberrechtsinhabers weiterverwendet werden darf."
Die zentralen Faktoren die bestimmen, ob es sich um Fair Use handelt, sind vor allem der Zweck (der in diesem Fall ja durchaus im Bereich der Bildung zu verorten ist) und der Umfang (es handelt sich lediglich um eine Szene).
Als Laie ist es schwer, festzustellen, ob eine verwendete Sequenz den Fair Use-Bedingungen entspricht. Sogar YouTube rät, unsichere Fälle im Vorfeld prüfen zu lassen. Gleichzeitig zeigt sich, dass Content ID nicht in der Lage ist, Grenzfälle sicher zu entschieden, mit teilweise verheerenden finanziellen Auswirkungen für Kreative. Die Transparenz solcher Claims sowie die Schwierigkeit, diese anzufechten, wird bereits seit einiger Zeit von Youtuberinnen und YouTubern kritisiert.
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