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Schwierige Reformen und eine GEMA-Alternative

50 Jahre Urheberrecht: Wie das Geburtstagskind aus der Krise geführt werden soll

Spezial/Schwerpunkt von Theo Müller
veröffentlicht am 29.01.2016

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50 Jahre Urheberrecht: Wie das Geburtstagskind aus der Krise geführt werden soll

2016 wird ein spannendes Jahr beim Thema Urheberrecht. © Tim Reckmann / pixelio.de

Zum 1. Januar 1966 trat das deutsche Urheberrecht in Kraft. Das Geburtstagskind scheint zum Fünfzigsten jedoch kräftig in der Krise zu stecken. Gesetzesinitiativen setzen daher zur großen Urheberrechtsreform an.

„Nächstes Jahr geht es mit den Gesetzgebungsvorhaben Schlag auf Schlag“
Günther Oettinger, EU-Kommissar für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft, 2015

Vor allem in den letzten Jahren der digitalen Revolution wurde unser Urheberrecht viel gescholten. Nicht mehr zeitgemäß und nicht mehr der modernen Gesellschaft entsprechend ist es, so riefen immer lauter werdende Stimmen aus Reihen der Künstler und Urheber aber auch aus den Reihen der Verwerter und der Politik.

Passend zum 50. Geburtstag steckt das Urheberecht in Deutschland also mitten in der Krise. Die Midlife-Crisis lässt grüßen.

Genauso wie sich bei dem durchschnittlichen 50-Jährigen die Krise um die Sinn-Suche im Leben dreht, wird auch beim Urheberrecht der Sinn und Zweck der rechtlichen Regelungen rund um geistige Schöpfungen im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Zwar wird sich das Urheberrecht keine Harley Davidson kaufen, sich eine neue Frau suchen oder sich mit den körperlichen Beschwerlichkeiten der Wechseljahre herumschlagen müssen, doch das Urheberecht wird in nächster Zeit auch einige kräftige Veränderungen durch machen müssen.

Ob zum Guten oder Schlechten, das steht noch in den Sternen. 2016 wird also das Jahr der großen Urheberrechtsreformen. Was alles auf uns zukommt und was dies vor allem für die Akteure der Musikbranche bedeuten könnte, erfahrt ihr hier.

Was ist eigentlich das Urheberrecht?

Bevor wir uns auf die Details stürzen, vorab ein paar Worte zum Urheberrecht selbst und für was es gut sein soll.

Als Urheberrecht wird das Recht auf den Schutz geistigen Eigentums verstanden. Wenn sich also jemand etwas ausdenkt oder etwas erschafft, das eine besondere und kreative Leistung darstellt, soll genau dieses so entstandene geistige Werk rechtlich geschützt werden. Der Erschaffer (Urheber) und seine Erben sollen über die Verwendung und letztendlich auch über wirtschaftliche Ausschöpfung dieses Werkes bestimmen können. Aber auch das Allgemeinwohl und der Nutzen der Gesellschaft aus diesem Werk soll dabei nicht vergessen werden.

Im Musikbereich haben wir mit vielen verschiedenen Urhebern zu tun, allen voran den Textdichtern und Komponisten. Das Spannungsfeld im Urheberrecht liegt meist zwischen dem Urheber und dem Verwerter, also demjenigen der ein Werk geschaffen hat und demjenigen, der es an die Nutzer gegen Geld weiter geben will.

2015 wurde eine große Studie über die „Musikwirtschaft in Deutschland“ veröffentlicht, aus der unter anderem große Defizite in Bezug auf die wirtschaftliche Position der Urheber feststellen ließen. Wir berichteten bereits ausführlich darüber. Genau dieses Spannungsfeld betrifft in weiten Teilen die kommende Urheberrechtsreform. Aber auch eine Anpassung an die digitale Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts soll im Fokus stehen.

Was wird passieren?

Die aktuelle Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hatte schon im Koalitionsvertrag die Urheberrechtsreform angekündigt und diese wird nun Schritt für Schritt umgesetzt.

So wurde im September vom Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“ veröffentlicht. Dies ist, wie der Name schon sagt, nur ein Entwurf für ein Gesetz, das in den nächsten Monaten umgesetzt werden könnte.

Teil dieses neuen Gesetzes sollen Regelungen darüber sein, dass Verbände von Urhebern (etwa der Deutsche Komponistenverband e.V.) gegen – zum Beispiel – zu geringe Vergütungen vorgehen können. Dies würde den sonst eher rechtlich und wirtschaftlich schwach aufgestellten Einzelkämpfern aus den Reihen der Urheber eine stärkere Position verleihen, um gegen die meist hier besser ausgerüsteten Verwerter vor zu gehen.

Eine solche bessere Position könnte Labels und Verlage genauso gut wie die GEMA oder Radiosender im negativen Sinne treffen. Für die Urheber wäre das natürlich erstmal besser. Auch sollen die Rechte von Urhebern gestärkt werden indem Mehrfachverwertungen vereinfacht werden oder die Urheber sich einfacher aus Verträgen lösen können.

Die Tätigkeiten von Verwertungsgesellschaften, wie GEMA und GVL, sollen neu geregelt werden: Das Ziel ist es deren Arbeit transparenter zu machen und den Urhebern mehr Mitbestimmungsrecht in den Verwertungsgesellschaften zu gewähren. Außerdem soll die Lizenzierung digitaler Werke vereinfacht werden, wie zum Beispiel beim Streaming.

Auch auf EU-Ebene passiert viel in Sachen Urheberrecht

Auf Ebene der EU steht ganz groß die Anpassung des Urheberrechts der einzelnen EU-Staaten untereinander im Fokus. Das Urheberrecht ist in vielen Ländern sehr unterschiedlich geregelt, was oft zu Problemen und Hindernissen führt. Ein gemeinsames Urheberrecht würde vor allem für den Musikbereich Sinn ergeben, schließlich wird gerade Musik Länder- und Sprachgrenzen-überschreitend konsumiert.

Ein großes Problem dieser sogenannten „Harmonisierung“ des Urheberrechts auf EU-Ebene stellen die nicht unwesentlichen Unterschiede in den einzelnen Ländern dar. Ein wirklich einheitliches europäisches Urheberrecht wird also nicht so schnell kommen. Dafür wird die Politik noch die nächsten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte brauchen.

Eins der ersten Ziele in diesem Bereich ist die Umsetzung eines grenzenlosen digitalen Binnenmarktes. So wäre dann zum Beispiel alle Musik digital auch in ganz Europa erhältlich und man könnte seine Streaming-Services problemlos auch im Urlaub oder nach dem Umzug in ein anderes EU-Land nutzen. Das könnte definitiv schon dieses Jahr, wohl aber eher 2017 in die Realität umgesetzt werden.

Die GEMA-Alternative kommt dieses Jahr

Die Ideen von Alternativen zur GEMA sind schon seit ein paar Jahren im Gespräch. Doch nun soll mit der Cultural Commons Collecting Society (C3S) dieses Jahr wirklich eine entsprechende Vereinigung an den Markt gehen.

Das Ziel der C3S ist es mehr Freiheit und Selbstbestimmung für die Künstler zu schaffen. Noch steckt die C3S in den Vorbereitungen (Interview), doch will die Vereinigung 2016 richtig aktiv werden. Viele rechtliche und organisatorische Dinge müssen für ein solch ambitioniertes Vorhaben geklärt werden.

Ein großes Problem ist aktuell die Anzahl von Mitgliedern, denn nur wenn genug Urheber die C3S nutzen und genug Werke zur Verfügung stehen, die verwaltet und ausgewertet werden können, wird das Modell tragbar sein. Laut der C3S werden 2.500 Mitglieder benötigt. Für Musiker, die noch kein oder wenig Geld mit ihren Werken verdienen, könnte es durchaus Sinn machen, jetzt gleich zu Beginn Mitglied bei C3S zu werden.

Ist die C3S ein wirklicher Konkurrent zur GEMA? Das endgültige Urteil hierzu ist noch abzuwarten. Die GEMA selbst gibt sich auf ihrer FAQ-Seite zum Thema zwar offen und berichtet von gemeinsamen Gesprächen mit der C3S, doch hier spricht natürlich ein Monopolist mit entsprechendem Blickwinkel. Die GEMA an sich bleibt in jedem Fall auch im Jahr 2016 weiterhin eine richtige und gute Sache für Musiker. Man mag dem alteingesessenen Bürokratie-Monster aber mehr Flexibilität und Offenheit für die moderne digitale Gesellschaft wünschen. Vielleicht kann die C3S zumindest daran etwas ändern.

Es bleibt spannend

Wie ihr seht wird 2016 wohl ein spannendes Jahr für das Urheberecht. Noch ist zwar wenig konkretes umgesetzt, doch an Anstößen und Initiativen scheint es gerade nicht zu fehlen. Wir halten euch auf dem Laufenden. Was sollte eurer Meinung nach ein modernes Urheberrecht enthalten?

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