Das Ende des unabsichtlichen Plagiats?
Anwalt lässt Software alle möglichen (Pop-)Melodien schreiben und veröffentlicht diese gemeinfrei
© Nikita Khandelwal via Pexels
Damien Riehl und Noah Rubin haben 68,7 Milliarden Melodien von ihrer Software erzeugen lassen – sämtliche Melodien, die es innerhalb der konventionellen Einschränkungen des Pop-Schemas jemals geben kann.
Inzwischen haben beide die Melodien auf die Website allthemusic.info hochgeladen. Die Melodien wurden als Public Domain gekennzeichnet, fallen also unter kein Copyright und können somit kostenlos heruntergeladen und verwendet werden.
Das leidige Thema Plagiat
Riehl und Robin hoffen mit diesem Vorgehen, Urheberrechtsprozesse aufgrund von Plagiatsvorwürfen stoppen zu können: Da sie mit ihrer Software sämtliche denkbaren Melodien bereits geschrieben und ohne einen Copyright-Anspruch veröffentlicht haben, können – so die Hoffnung – zukünftig keine Songwriter mehr wegen angeblichen Plagiierens verklagt werden.
Gerade im vergangenen Jahr häuften sich die Plagiatsprozesse in der Popmusik. Stars wie Katy Perry mussten teilweise empfindliche Geldstrafen wegen "gestohlenen" Melodien zahlen – und das, obwohl etwa Perry bis zuletzt vehement bestritt, die angebliche Vorlage zu ihrem Song je gehört zu haben.
Mathematisch unausweichlich
Riehl und Rubin wollen mit ihrer Software darauf aufmerksam machen, dass Ähnlichkeiten zwischen Melodien mathematisch unvermeidlich sind, da es eben nur einen endlichen Schatz an Tonfolgen geben kann – genau die Tonfolgen, die sie durch ihre Software haben schreiben lassen.
Plagiatsprozesse aufgrund solcher "mathematischen" Ähnlichkeiten schaden laut den beiden Programmierern damit letztlich nur den Songwriter/innen, da sich im Schöpfungsprozess stets die Frage stellen müssen, ob es die von ihnen geschriebene Melodie nicht vielleicht doch schon gibt.
Die Software im Detail
Die Komposition durch Riehls und Rubins Programm hat mehr mit Mathematik als mit einem künstlerischen Vorgang zu tun: Alle 68,7 Milliarden Melodien wurden im "Brute Force"-Verfahren generiert. Das bedeutet, dass die Software sämtliche Kombinationsmöglichkeiten von Tönen innerhalb von definierten Parametern als "Melodie" speichert.
Die einschränkenden Parameter leiteten die Programmierer von gängigen Popmusik-Konventionen ab, sodass die Software von den acht im Pop am häufigsten verwendeten Stammtönen jeweils zwölf Töne lange Melodien ableitete.
Diese Melodien wiederum umfassten nicht mehr als eine Oktave und waren auf drei Noten ober- bzw. unterhalb des Stammtons beschränkt. Weiterhin wurden die Melodien lediglich als Tonfolgen ohne Rhythmus gespeichert, da dieser auch vor Gericht nicht in die Beurteilung mit einbezogen wird.
Damien Riehl im TEDx-Talk
In einer Vorstellung im Rahmen der TEDx-Reihe erklärte Damien Riehl seine Intention und sein Vorgehen und erläuterte weitere Details zur Software:
Damien Riehl – Copyrighting all the melodies to avoid accidental infringement (TEDxMinneapolis)
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